Название | Ein Porträt meines Vaters |
---|---|
Автор произведения | George W Bush |
Жанр | Изобразительное искусство, фотография |
Серия | |
Издательство | Изобразительное искусство, фотография |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783854454861 |
WESTWÄRTS
EINST FRAGTE ICH MEINE MUTTER, wie sie und mein Vater es fertiggebracht hätten, beinahe 70 Jahre lang eine glückliche Ehe zu führen. »Wir beide waren stets bereit, dem anderen drei Viertel des Weges entgegenzukommen«, sagte sie. Sie meinte damit, dass ihnen ihre Ehe wichtiger war, als sie sich selbst es waren. Sie waren willens, ihre eigenen Bedürfnisse hinter denen des jeweils anderen hintanzustellen.
Mein ganzes Leben lang legten Mutter und Dad diese selbstlose Liebe an den Tag. Immerhin durchquerte sie ja für ihn auch drei Viertel des Landes …
Die Entscheidung, von New Haven in Connecticut, wo mein Vater 1948 seinen Abschluss in Yale machte, in den Westen von Texas zu übersiedeln, sollte das Leben meiner Eltern maßgeblich beeinflussen. Indem er sich mit seinem roten Studebaker von den Möglichkeiten, die ihn an der Wall Street erwartet hätten, räumlich entfernte, ging George H.W. Bush seinen ganz eigenen, unkonventionellen Weg, ließ sich auf ein Risiko ein und folgte seinen nach Unabhängigkeit strebenden Instinkten. Meine Eltern lernten, dass sie auch in einem schwierigen Klima und unter fremden Menschen überleben und sogar aufblühen konnten. Sie ließen sich auf ein Geschäft ein, das für seine Aufs und Abs berüchtigt war, und legten das Fundament für eine starke Ehe – eine dauerhafte, lebenslange Partnerschaft, die profunde Prüfungen überstand, viel Freude bereitete und ein inspirierendes Beispiel für mich und meine Geschwister abgab. Und sie machten mir noch ein weiteres Geschenk: Mein ganzes Leben war ich George und Barbara Bush dankbar dafür, dass sie mich im Westen von Texas aufzogen.
IM NOVEMBER 1945 legte George H.W. Bush also seine Uniform ab und schrieb sich in Yale ein. Wie bei vielen Vertretern seiner Generation hatte das College aufgrund des Krieges warten müssen. Viele der neuen Studenten waren bereits Eltern, und ab dem 6. Juli 1946, als ich im Grace-New Haven Hospital zur Welt kam, gehörten auch Mutter und Dad dazu. Sie nannten mich George Walker Bush, nach meinem Vater und meinem Urgroßvater – aber unter Verzicht auf das »Herbert«. Ich erinnere mich daran, dass ich meine Mutter einst fragte, warum ich denn kein lupenreiner »Junior« sei. »Sohn, die meisten Formulare haben nicht genug Platz für fünf Namen«, meinte sie. Ich ließ mir mit meiner Niederkunft jedenfalls Zeit und betrat diese Welt erst, nachdem meine Großmutter Dorothy Walker Bush meiner Mutter eine ordentliche Dosis Rizinusöl verabreicht hatte – was somit auch mein erster Kontakt mit dem Ölgeschäft war.
Mutter und Dad lebten weniger als eine Stunde von seinen Eltern in Greenwich entfernt, doch muss sich New Haven wie Welten entfernt von Prescott und Dorothy Bushs Haus in der Grove Lane angefühlt haben. Meine Eltern mieteten zuerst ein winziges Apartment in der Chapel Street. Außerdem hatten sie auch noch einen schwarzen Pudel, der auf den Namen Turbo hörte. Als ich schließlich geboren wurde, mussten sie jedoch ausziehen, da der Vermieter zwar Hunde, allerdings keine Babys gestattete. Sie fanden daraufhin eine Bleibe in der Edwards Street. Dieses Mal erlaubte der Besitzer seinen Mietern, ein Baby zu haben, doch war es nun der Hund, der unerwünscht war. Zum Glück fand Turbo ein neues Zuhause in der Grove Lane. In ihrem letzten Jahr in New Haven zogen meine Eltern in ein großes Haus in der Hillhouse Avenue, das von ungefähr einem Dutzend Familien bewohnt wurde. Mutter lacht immer noch darüber, wie sie meine Stoffwindeln in Sichtweite des Yale-Präsidenten, der nebenan wohnte, auf die Wäscheleine hängte.
Meine Eltern genossen ihre Jahre in New Haven. Jeglicher College-Stress verblasste neben den Erfahrungen, die mein Vater im Krieg hatte durchleben müssen. Das heißt aber nicht, dass er die Sache auf die leichte Schulter genommen hätte. Wie üblich nahm George Bush die Aufgabe mit vollem Einsatz in Angriff. Er arbeitete hart in den Unterrichtsräumen, wurde mit der Aufnahme in die akademische Ehrengesellschaft Phi Beta Kappa ausgezeichnet und schaffte innerhalb von zweieinhalb Jahren seinen Abschluss. Außerdem war er Mitglied der Studentenverbindung Delta Kappa Epsilon. Er war sehr kontaktfreudig und gewann viele neue Freunde. An ihrem ersten Thanksgiving in Yale fand Dad heraus, dass einige seiner Kameraden nicht nach Hause reisen konnten, um mit ihren Familien zu feiern, weshalb er gleich zehn von ihnen zu uns zum traditionellen Mahl einlud. Mutter erinnerte ihn zwar daran, dass wir keinen Speisesaal zur Verfügung hätten, aber das war egal. Meine Eltern und ihre Freunde verteilten sich stattdessen auf die Sofas und auf dem Boden und ließen sich den ersten Thanksgiving-Truthahn, den meine Mutter je zubereitete, schmecken. Dieses spontane Festmahl sollte indes bloß eine Vorschau sein auf das, was alles noch folgen sollte. Über die Jahre hinweg standen die vielen Eigenheime meiner Eltern für Freunde und Familie stets offen. Obwohl sie sich mitunter ein wenig über den nie abreißenden Strom an Gästen mokierte, war Mutter dennoch immer eine freundliche Gastgeberin.
Mein Dad schloss nicht nur Freundschaften, er pflegte sie auch. Noch Jahrzehnte später stand er im regelmäßigen Kontakt mit seinen alten College-Freunden. Einer dieser alten Kommilitonen hieß Lud Ashley und stammte aus Toledo, Ohio. Wie Dad ging auch Lud irgendwann in die Politik. Im Gegensatz zu meinem Vater war er allerdings ein liberal ausgerichteter Demokrat. In Washington standen sie sich bei einigen der hitzigsten Diskussionen ihrer Zeit gegenüber. Jedoch wirkte sich das nie negativ auf ihre Beziehung aus. Sie verbrachten immer noch Zeit miteinander und amüsierten sich zusammen wie seinerzeit in den Neunzehnvierzigern, als sie in Yale studierten. Wer einmal ein Freund von George Bush war, der genoss diesen Status sein Leben lang.
Die Lieblingsbeschäftigung meines Dads, der er im Rahmen seines Studiums nachgehen konnte, fand jeweils an Frühlingsnachmittagen auf dem Yale Field statt. Wie er später formulierte, belegte er als Hauptfach Wirtschaft und als Nebenfach Baseball. Er war Kapitän seines Teams und spielte so wie schon sein Vater vor ihm auf der ersten Base. Mutter und ich besuchten fast alle seine Heimspiele. Während ihrer Schwangerschaft saß sie in einem extrabreiten Sitz, der für den ehemaligen Rechtswissenschaftsprofessor William Howard Taft entworfen worden war. Sie liebte es, selbst Statistiken zu führen, und es gehörte zu meinen Lieblingsbeschäftigungen als kleiner Junge, diese tabellarischen Spielberichte von den Matches meines Vaters zu studieren. Die Yale-Mannschaft erreichte 1947 und 1948 die College World Series, die Endspiele um die Meisterschaft der College-Auswahlen. Im ersten Jahr unterlagen sie dabei der University of California-Berkeley und im Jahr darauf dem Team der University of Southern California, den Trojans. (Für echte Baseball-Feinschmecker: die Cal Bears, so der Name des gegnerischen Teams von 1947, wurden von Jackie Jensen angeführt, der 1958 zum wertvollsten Spieler der American League gewählt wurde, und die USC Trojans wurden im Jahr darauf, 1948, vom legendären Rod Dedeaux betreut.)
Der spektakulärste Moment meines Dads als Baseballspieler am College trug sich auf dem Wurfhügel zu. Dort traf er nämlich im Frühling seines Abschlussjahres auf Baseball-Ikone Babe Ruth, der ihm ein signiertes Exemplar seiner Autobiografie für die Bibliothek von Yale überreichte. Einem Fotografen gelang dabei ein Schnappschuss mit Symbolcharakter: Ein großer Mann, der auf das Ende seines Lebens zusteuerte, traf auf einen anderen, dessen Leben gerade erst so richtig losging.
Es ist schwer vorstellbar, wie es meinem Vater gelang, alles unter einen Hut zu bringen – er war ein ausgezeichneter Student, ein herausragender Athlet, ein Mann mit einem großen Freundeskreis sowie ein hingebungsvoller Ehemann und Vater. Meine Mutter formulierte es so: »Er war ein harter Arbeiter.« Das stimmt. George Bush verschwendete keine Zeit und füllte jede Minute des Tages mit Aktivitäten aus.
OBWOHL DER WICHTIGSTE Augenblick meines Vaters auf dem Spielfeld die Gesellschaft Babe Ruths einschloss, hieß sein wahrer Baseball-Held Lou Gehrig. Dad bewunderte sein Geschick, seine Beständigkeit und seine Bescheidenheit und träumte davon, in Gehrigs Fußstapfen treten zu können und in der Major League als Profi zu spielen. Nach einem Spiel für das Team von Yale streckten tatsächlich ein paar interessierte Spielerbeobachter ihre Fühler nach ihm aus. Mein Dad war ein exzellenter Feldspieler, jedoch verhinderte seine Schlagstatistik schließlich eine Karriere bei den Profis. Sein Trainer Ethan Allen brachte es auf den Punkt: »Gutes Feldspiel, schlechter Schläger.«
Eine andere Option schlug er wiederum selbst aus. Im Juni 1948 erhielt er einen überraschenden Brief von Gerry Bemiss, einem Freund aus Kindertagen. Offenkundig war ihm zu Ohren gekommen, dass mein Vater das Priesteramt anstrebe. Obwohl mein Vater seit jeher ein religiöser Mann gewesen war, schwebte ihm jedoch keine Laufbahn in den Reihen des Klerus vor. »Nie habe ich auch nur daran gedacht, ein ›Mann des Tuches‹