Mein Leben mit Jim Morrison und den Doors. John Densmore

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Filme und alte Interviews sehe, wo wir behaupten, einer musste für uns alle bis zum Ende gehen.

      Habe ich mich jetzt selbst bloßgestellt? Ich muss es wissen.

      Ein eiskalter Windstoß schüttelte mich aus meinem Tagtraum. Ich drehte mich schnell weg und beeilte mich, die anderen einzuholen. Am Tor legte ich meinen Arm um Dannys Schulter, während wir über das Kopfsteinpflaster zu Hervés Wagen gingen. Robby schüttelte in tiefer Verzweiflung seinen Kopf. Er war blass geworden. Er konnte mich noch nicht einmal anschauen. Er starrte nur dumpf aus dem beschlagenen Wagenfenster, während wir uns langsam vom Friedhof entfernten.

      *

      Später im Hotel, als ich dann an meinem Georges IV.-Schreibtisch saß, schaute ich aus dem Fenster über die Dächer der Stadt. Die Sonne versuchte vergebens, den nebligen grauen Morgen zu besiegen. Ich aß den Riegel Pfefferminzschokolade, den das Zimmermädchen letzte Nacht auf das Kissen gelegt hatte und musste über mein Zimmer schmunzeln, das die Form eines L hatte. Wieder so ein exzentrisches europäisches Hotelzimmer.

      Meine Augen wanderten von dem Fensterblick mit den blaugrauen Pariser Dächern auf das Briefpapier des Hotels, das mich vom Tisch her anstarrte.

      Ich nahm den Hotelkugelschreiber und begann einen Brief.

      Paris, 1975

      Lieber Jim,

      Nun haben wir endlich Dein Grab besucht. Ich kann nicht für die anderen sprechen, aber ich vermute, ich bin nicht zu Deiner Beerdigung gekommen, weil ich in den letzten Jahren, in denen die Band existierte, so verärgert und enttäuscht über Dich war. Aber Du wusstest das. Es dauerte drei Jahre, bis ich Dir meine Achtung erweisen konnte, aber schließlich bin ich nun doch hier.

      Bei den vielen Grafitti war es nicht schwer, Dein Grab zu finden. Aber es schockierte mich, dass dort noch nicht einmal ein Namensschild war. Scheinbar war Pam, Deine Freundin (oder wart Ihr verheiratet?), mit dem Geld durchgebrannt, das wir ihr gegeben hatten. Es gab Gerüchte, dass sie es sich in den Arm gespritzt hat.

      Wusstest Du, dass sie dem braunen Pulver verfallen war?

      Hey, das geht zu sehr unter die Gürtellinie. Ich weiß nicht, warum ich Dir jetzt dieses schreibe. Es beweist aber, wie sehr Du uns alle beherrscht hast – wenigstens mich. Angeblich bist Du verdammt nochmal tot und hier brüte ich nun in einem Hotel über einen Brief an Dich.

      Aber was kümmert’s mich. Ich bin immer noch wütend und verletzt. Ich wünschte, ich hätte damals in den Sechzigern den Mut gehabt, Dir einige Dinge mitzuteilen, aber Du warst so voller Macht und deswegen so einschüchternd. Ich bin unglaublich stolz auf unsere Musik, aber es gibt Dinge, die ich mir von der Seele reden muss. Zu spät – für Dich. Aber nicht zu spät für mich und vielleicht für einige andere, wie zum Beispiel für die Jugendlichen, die Dich immer noch bewundern.

      Einer der frisch eingeritzten Sprüche Deiner Fans deutet an, dass Du Heroin genommen haben sollst. Davon hatte ich keine Ahnung. Wie hätte ich es auch wissen können? Ich kannte Dich während Deiner letzten Tage nicht sehr gut. Ich wollte es auch nicht. Ist es nicht eine Ironie, dass die Parasiten, die Dich am Ende Deines Lebens getroffen haben – und war es auch nur für eine kurze Zeit – nun mit Deiner Freundschaft Kasse machen, während wir noch nicht einmal in Deine Augen schauen konnten? In diese dämonischen Augen.

      Ich musste mich schützen. Frag mich nicht, wovor.

      Falls irgend jemand Dich vor Deinem Untergang hätte retten können, wäre es Pam gewesen, doch sie war es, die mit Dir gemeinsam in die Drogen rutschte, Seitensprünge machte und mit Dir verfiel. Ich weiß nicht, wer dabei die treibende Kraft war und es wäre nicht gut, würde ich jemanden deswegen beschuldigen.

      Was hatte es mit dieser dunklen Morrison-Wolke auf sich, die über Deinem Kopf schwebte? Jeder, der mit Dir in engen Kontakt geriet, fand sich bald am Saum dieser Dunkelheit wieder. Du warst der verdammte Prinz der Dunkelheit, Jimbo. Irgendwann überrannte uns der Mythos, den wir aufbauten, und begann ein Eigenleben, anstatt abzuflauen. Du magst denken, dass wir ihn zerschlagen oder ihn wenigstens nicht ernst nehmen sollten oder die Macht eines Mythos nicht unterschätzen sollten.

      Aber es war ein Spiel namens Irrsinn, wie Du es einmal genannt hast, und Du warst sein Dichterpriester, wie sie es heute nennen; ich behaupte, es wurde zu einer Horrorshow. Wann geriet es außer Kontrolle, Jim? Wo war der Punkt erreicht, von dem es keine Rückkehr mehr gab? Ich muss es wissen, denn ich trage heute noch eine beschissene Ladung Schuld mit mir herum.

      *

      Los Angeles, 1971

      An einem Donnerstagmorgen klingelte das Telefon.

      „Hey, Mann, wie geht’s dir“ sagte die Stimme, die ich nur zu sehr kannte, die whiskyschwangere Stimme, die Schrecken in mir weckte.

      „Hi, Jim“, antwortete ich zögernd und dachte dabei, dass er der letzte war, mit dem ich auf dieser Welt sprechen wollte. „Wie läuft es so da drüben?“ fügte ich hinzu. „Wie ist Frankreich?“

      „Gut. Jedenfalls nicht schlecht“, meinte er unverbindlich. „Wie macht sich L.A. Woman?“

      Er klang nicht betrunken. War es noch zu früh am Morgen? Moment, dachte ich. Dort ist jetzt füher Abend.

      „Großartig. Die Platte macht sich wirklich gut“, sagte ich begeistert. „,Love Her Madly‘ ist ein Hit und jeder mag das Album.“·Dass wir schon wieder mit neuen Übungssessions begonnen hatten – ohne ihn – wollte ich ihm nicht sagen. So etwas hatten wir zuvor auch schon getan, aber diesmal achtete ich darauf, dass wir ohne ihn weitermachten. So schwer mir das Eingeständnis auch fällt, aber ich konnte den Gedanken nicht ertragen, eine weitere Aufnahmesession mit dem Dr. Jekyll des Rock’n’Roll durchstehen zu müssen.

      „Ja, alles klappt vorzüglich.“ Ich fragte mich, ob er den Unterton mitbekommen würde.

      „Nun, vielleicht sollten wir noch eine Platte machen?“

      „Sicherlich, Jim, gute Idee.“

      Miserable Idee, dachte ich, während ich mit dem Hörer herumfummelte und den Kloß im Hals herunterschluckte. Ich hoffe, dass ich nie wieder mit dir in einem Aufnahmestudio eingepfercht sein muss. Schön, dass du wieder Rock’n’Roll spielen willst, besonders mit uns, aber du suchst dir die falschen Gründe aus. Du hast nie etwas gemacht, nur weil du dachtest, dass es sich gut verkaufen würde. Du musst nicht unbedingt den Großen Amerikanischen Roman dort drüben schreiben, wie du es dir erhofft hattest. Vielleicht trinkst du wie ein großer amerikanischer Schriftsteller.

      „Wann gedenkst du zurückzukommen?“ fragte ich ihn und hoffte, er würde noch länger wegbleiben, weil ich nur zu gerne seinen Vorschlag gehört hätte, dass Ray, Robby und ich schon mal einige Instrumentalstücke einüben sollten.

      Verrat? An Jim – oder an den Fans? An uns?

      Scheiß drauf. Es ist eine Erlösung, ohne Morrison zu spielen.

      „Oh, in ein paar Monaten.“

      „Elektra will ‚Riders On The Storm‘ als zweite Single aus dem Album koppeln, darum haben wir noch viel Zeit.“

      „Eine zweite Single … wow … es muss tatsächlich gut laufen!“

      „Yeah.“

      Aber ich wusste, dass wir ohne ihn weitermachen würden. Und ich fühlte mich befreit. Ich hoffte nur, dass Ray und Robby mitziehen würden. Er kann einfach nicht zurückkommen, dachte ich. Er würde nur wieder den Blues spielen wollen, den langsamen, gefühlvollen, monotonen Blues, der für einen Sänger wie ihn geeignet ist, aber langweilig für mich als Schlagzeuger.

      Ich fluchte lautlos, während Jim von dem Leben in Paris erzählte. Ich wusste, dass bei seiner Rückkehr die anderen Bandmitglieder nachgeben würden. Noch nicht einmal ich könnte widersprechen. Würde er wieder aufkreuzen, sähe ich uns den Rest unseres Lebens in schmierigen Clubs und bei nervenden Aufnahmesessions verbringen. Die Schattenseite des Gipfels. Das wäre mein Ende.

      Oder könnte ich die Gruppe verlassen? Wir werden mit diesem alten Bluesmann