Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker

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Название Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten
Автор произведения Alfred Bekker
Жанр Историческая фантастика
Серия
Издательство Историческая фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783745214710



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Sie war von unbestimmtem Alter, bewegte sich einerseits wie eine Frau in mittleren Jahren, andererseits sprachen die Falten in ihrem Gesicht und das völlig erbleichte Haar dafür, dass sie schon sehr viel älter sein musste. Faroch hingegen war deutlich jünger, konnte kaum älter als dreißig Sommer sein. Sein eher rundes Gesicht bekam durch den schwarzen Kinnbart eine markante Kontur, und Gorian erinnerte sich flüchtig daran, dieses Gesicht bei seiner Ankunft kurz in der zusammengelaufenen Menge gesehen zu haben, ohne dass er ihm eine größere Bedeutung zugemessen hätte.

      „Du kannst jetzt gehen“, sagte Faroch zu Sheera, ohne dabei den Blick von Gorian zu nehmen. „Eine geistige Krankenwache ist für eine Schülerin in deinem Stadium sehr erschöpfend. Du wirst einige Übungen zur Regeneration durchführen müssen.“

      „Ich bin stark und spüre keine Auswirkungen“, antwortete sie.

      „Das bedeutet nicht, dass sie nicht vorhanden sind – nur, dass du noch nicht aufmerksam genug bist, um sie zu bemerken“, gab Faroch zurück.

      Die beiden Heiler warteten, bis Sheera den Raum verlassen hatte. Ein letztes Mal warf sie Gorian einen Blick zu, und abermals hatte er das Gefühl, ihr Gesicht zu kennen. „Ich komme aus Nelbar ... Oquitonien ...“ Nein, diese Worte hatten nichts in ihm ausgelöst, und doch war die innere Verbindung zwischen ihnen unzweifelhaft vorhanden.

      Hebestis trat an Gorians Lager und legte ihm die Hand auf die Stirn, wobei sie angestrengt die Augen schloss. Ihr faltiges Gesicht krampfte sich regelrecht zusammen, so als empfände sie Schmerzen, die eigentlich Gorian empfinden müsste. Als sie die Augen wieder öffnete, sagte sie in einem Tonfall absoluter Sicherheit: „Sein Zustand ist überraschend gut. Die Stücke Sternenmetall, die seinen Körper durchdrungen haben, scheinen nichts zerstört zu haben, was mit unserer Magie nicht zu heilen wäre.“

      „Das ist erstaunlich“, meinte Faroch.

      „Vielleicht ist er es! Der, auf den wir warten!“, nahm Gorian einen Gedanken wahr, der zweifellos von Hebestis stammte und ganz sicher nicht für ihn bestimmt gewesen war.

      Sie schien zu bemerken, dass er ihren Gedanken mitbekommen hatte, und ein Ausdruck der Überraschung legte sich auf ihr Gesicht. Ihre Augenbrauen waren so dünn und hell, dass sie kaum zu sehen waren, aber die entsprechenden Muskeln bewegten sich und erzeugten ein Faltenmuster auf ihrer Stirn. Sie sprach ein paar Worte in alt-nemorischer Sprache, die normalerweise nur für magische Formeln benutzt wurde. Doch diesmal diente sie nicht der Anwendung eines Zaubers, wie Gorian rasch erkannte. „Er hat großes Talent, und ich habe selten jemanden gesehen, in dem so viel von der Alten Kraft wirksam ist“, bedeuteten ihre Worte. Sie nahm wohl an, dass ein angehender Schüler wie Gorian kein Alt-Nemorisch beherrschte - abgesehen vielleicht von ein paar auswendig gelernten magischen Formeln –, und hielt es angesichts des großen magischen Talents, das sie Gorian zumaß, für eine weitaus bessere Methode, sich mit Faroch in dieser uralte Sprache zu unterhalten, um Gorian von dem Gespräch auszuschließen, da der Genesende ihre Gedankenübermittlung offenbar mitbekam.

      „Aber bedenke, wie viel schwarzes Blut seine Wunden verlassen hat“, antwortete Faroch nach einer Pause, ebenfalls in Alt-Nemorisch.

      „Es war viel Finsternis in ihm“, gab Hebestis zurück.

      „Vielleicht zu viel“, befürchtete Faroch.

      „Aber ist Finsternis nicht das sicherste Mittel, um Finsternis zu bekämpfen?“

      „Es kommt auf die Dosis an.“

      „Das Axiom der Heiler... Aber ich bin mir nicht sicher.“

      „Inwiefern?“

      „Vielleicht hat es nicht immer Gültigkeit. Ich habe schon häufiger darüber nachgedacht, aber ich bin zu einem abschließenden Ergebnis gekommen.“ Und dann fügte sie noch ein paar Worte hinzu, deren Bedeutung Gorian nicht zu erfassen vermochte, dafür waren seine Kenntnisse des Alt-Nemorischen dann doch noch zu bescheiden.

      Schließlich nahm Faroch ihm die Steine ab, einen nach dem anderen, und jedes Mal sprach er dazu eine Heilformel, ebenfalls auf Alt-Nemorisch, wobei er in eine Art Singsang verfiel. Er hatte die Augen geschlossen, aber selbst durch die Lider drang immer deutlicher ein grünliches magisches Leuchten.

      Gorian glaubte, eine Zentnerlast wäre von ihm genommen, als schließlich keiner der Heilsteine mehr auf ihm lag.

      „Du kannst dich erheben“, sagte Faroch.

      Gorian setzte sich auf und fühlte noch deutlichen Schwindel. Alles schien sich für einige Momente vor seinen Augen zu drehen, und dann überkamen ihn innere Bilder mit einer solchen Intensität, dass er erschrak. Er „sah“, wie die daumennagelgroßen Stücke aus Sternenmetall glühend durch seinen Körper schlugen. Eines dieser Stücke fuhr dicht an seinem Herzen vorbei, und für einen Moment spürte er eine Welle des Schmerzes. Ein Schmerz, vor dem ihn seine Bewusstlosigkeit bislang bewahrt hatte und der ihn nun umso heftiger traf.

      Er blickte an sich herab und bemerkte, dass seine Kleidung an mehreren Stellen im Bereich des Oberkörpers Löcher aufwies. Dort waren die Sternenmetallstücke in seinen Leib gedrungen. Sofort betastete er eine dieser Stellen und steckte den Finger durch das Loch bis auf die Haut.

      „Es werden kleinere Narben zurückbleiben“, sagte Faroch, „aber mehr nicht. In der ersten Zeit kann es sein, dass sie vielleicht noch bluten ...“

      „Schwarzes Blut?“, fragte Gorian, der natürlich sofort an die Wunde erinnert wurde, die sein Vater an der Hand davongetragen hatte und die niemals wirklich verheilt war.

      „Ja.“

      „Wo ist mein Dolch?“, fragte er, als er bemerkte, dass die Waffe nicht mehr an seinem Gürtel steckte.

      Faroch blickte Hebestis fragend an, und als die Heilerin nickte, griff er unter seinen Überwurf und holte den Rächer hervor, um ihn Gorian mit deutlichem Zögern zu reichen. „Sternenmetall ist nicht ungefährlich, wie du bemerkt haben dürftest.“

      „Aber der Dolch dürfte bei dir trotz allem besser aufgehoben sein als bei irgendjemandem sonst“, fügte Hebestis hinzu. „Erweise dich als würdig.“

      „Das werde ich“, versprach er.

      „Würdiger als bisher“, präzisierte sie in einem Tonfall, dem eine gewisse Schärfe innewohnte.

      „Ja.“

      „Gib dieser Waffe keinen Namen.“

      „Das ist schon geschehen.“

      „Oh.“

      „Sie heißt Rächer.“

      Hebestis musterte Gorian mit einem Blick, den dieser nicht zu deuten wusste, und sagte schließlich: „Dann achte darauf, dass sich Rächer nicht eines Tages gegen dich richtet!“

      ––––––––

      Später erhielt Gorian ein neues Wams. Er war noch verhältnismäßig schwach auf den Beinen, dennoch hätte er an dem Unterricht der Ordensschüler teilgenommen. Stattdessen aber gab man ihm die Anweisung, sich zunächst in seine Zelle zu begeben und dort geistige Einkehr zu suchen.

      Centros Bal reiste unterdessen wieder ab. Durch das hohe Fenster seiner Zelle sah Gorian für einen kurzen Augenblick den fliegenden Greifen mit der von den Seilschlangen gehaltenen Gondel. Sein Flug würde Centros Bal weiter in Richtung Nemor führen und dann zu den Mittlinger Inseln, die nicht mehr zum Heiligen Reich gehörten. Es hatte immer wieder Verhandlungen gegeben, mit dem Ziel, dass die Mittlinger dem Reich beitraten, um so den Schutz des Kaisers und des Ordens zu genießen. In Anbetracht des scheinbar unaufhaltsamen Vordringens von Morygors Horden und der zunehmenden