Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten. Alfred Bekker

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Название Schwertmeister der Magie: Drei Fantasy Sagas auf 2500 Seiten
Автор произведения Alfred Bekker
Жанр Историческая фантастика
Серия
Издательство Историческая фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783745214710



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aus dem Haus der Laramonteser ihnen auferlegen wollte. Als der Kaiser schließlich nachgab und seine Forderungen senkte, stimmte der Rat der Mittlinger Inselfürsten dennoch dem bereits fertig aufgesetzten Vertrag nicht zu.

      Wie ein Lauffeuer hatte sich diese Nachricht vor ein paar Jahren im ganzen Heiligen Reich verbreitet und die ohnehin schon bestehenden Vorurteile gegen die Mittlinger noch verstärkt. Die galten nämlich als sehr reich, und ihr Reichtum wurde in Form von Bernstein einfach an die Küsten der Mittlinger Inseln angeschwemmt und musste nur noch aufgehoben oder mit Netzen abgefischt werden. Ein Mittlinger zu sein war daher eine sprichwörtliche Umschreibung für jemanden, der ohne Arbeit zu Reichtum gekommen war.

      Der Bernstein war sicher auch ein wichtiger Grund für Centros Bal, diese Inseln jedes Jahr anzufliegen. Soweit Gorian aus den an Bord geführten Gesprächen herausgehört hatte, würde der Greifenreiter dort einige Monate bleiben und seinen Traumblumenvorrat gegen Bernstein eintauschen. Fentos Roon, der Zweite Greifenreiter in Centros Bals Diensten, hatte sich mit Meister Thondaril darüber unterhalten, und nun, da Gorian den Greifen ganz kurz durch sein Fenster aufsteigen sah, waren ihm die dabei gefallenen Worte plötzlich aus irgendeinem Grund wieder sehr gegenwärtig.

      Fentos Roon hatte auch darüber gesprochen, dass sein Flugherr darüber nachdachte, diesmal von der gewohnten Route abzuweichen und nicht auf direktem Weg zurück in Richtung Gryphland zu fliegen. Bisher seien die von den Mittlinger Inseln nach Gryphenklau gebrachten Bernsteinvorräte dort auf Schiffe aus dem Seereich Margorea verladen worden, die sie dann nach Osten brachten. Wohin genau, hatte Centros Bal offenbar bisher nicht sonderlich interessiert, denn er war nur der Zwischenhändler, und die margoreanischen Kaufmänner waren überall im Laramontischen Meer anzutreffen. So war nicht auszuschließen, dass der eine oder andere Bernstein aus diesen Lieferungen über die Häfen des südlichen Heiligreichs schließlich sogar wieder zurück in den Norden gelangte.

      Dann aber war Centros Bal zu Ohren gekommen, dass ein Großteil des Bernsteins, den er nach Gryphenklau brachte, letztlich im weit südöstlich gelegenen Basilisken-Reich verkauft wurde, wo es offenbar einen besonders großen Bedarf an Bernstein gab, und er dachte daran, von den Mittlinger Inseln aus über Patanela und das Ogerland direkt ins Basilisken-Reich zu fliegen, um die Gewinnspannen der margoreanischen Händler selbst einzustreichen. Daher war es nicht gewiss, ob der Weg des Greifenreiters auf der Rückreise erneut an der Ordensburg vorbeiführte.

      Schade, dachte Gorian, denn so würde er Centros Bal wahrscheinlich erst in einem Jahr wiedersehen, und damit fiel auch eine wichtige Nachrichtenquelle hinsichtlich der Lage in den nördlichen Ländern weg.

      Etwas später klopfte es an Gorians Zellentür. Er schrak aus der gerade erreichten leichten Versenkung, stand auf und öffnete. Auf dem Flur stand Torbas.

      „Ich habe nicht viel Zeit. Ich muss zu meinen täglichen Schwertkampfübungen.“

      „Da wäre ich jetzt auch gern“, erwiderte Gorian.

      „Es heißt, du wärst noch nicht wieder so weit, und ich denke, du kannst froh sein, dass du überhaupt noch am Leben bist.“

      „Dir ist nichts geschehen?“

      „Nein. Aber wenn der Hochmeister nicht gewesen wäre und mit seinen enormen Kräften ...“ Torbas verstummte, und Gorian sah zum ersten Mal so etwas wie echte Betroffenheit im Gesicht des Thiskareners. Jeder Rest von Sarkasmus war aus seinen Zügen verschwunden. „Er hat uns beiden das Leben gerettet, Gorian. Und dennoch, wärst du nicht so schnell in die Obhut von gleich mehreren der besten Heiler gekommen, die jemals mithilfe der Alten Kraft die Gesundheit eines Menschen erhalten haben, wäre es um dich ganz sicher geschehen gewesen.“

      „Ich schätze, der Hochmeister wird nach dem Geschehen in der Kathedrale nicht zu meinen vehementesten Fürsprecher werden“, murmelte Gorian. „Ich könnte es ihm nicht einmal übel nehmen, würde er mich des Ordens verweisen.“

      „Dann müsste er auch mich vor die Tür setzen. Aber da mache ich mir keine Sorgen.“

      „Weshalb nicht?“

      Der Ausdruck in Torbas' Gesicht blieb vollkommen ernst. Der flapsige, etwas zynische Unterton, der seine Worte ansonsten kennzeichnete, war nicht herauszuhören, als er antwortete: „Sieh zum Himmel, dann erkennst du den Grund. Der Schattenbringer verdeckt die Sonne immer mehr und wirft einen immer größeren Schatten. Der Hochmeister weiß so gut wie jeder andere, der dem Entscheidungskonvent angehört, dass der Orden auf kein Talent verzichten kann und schon gar nicht auf jemanden, der in der Nacht eines fallenden Sterns geboren wurde, was ja wohl auf uns beide zutrifft.“

      „Ich wäre mir da nicht so sicher.“

      Da kehrte das für ihn so typische Grinsen in Torbas' Gesicht zurück. „Ich mir schon, denn Hochmeister Aberian hat bereits mit mir gesprochen.“

      ––––––––

      Am Abend nahm Gorian das Essen im Speiseraum mit den anderen Schülern ein, die den Tag mit ihren Übungen zugebracht hatten. Sheera sah er nur aus der Ferne, denn er war zu spät gekommen, um einen Platz in ihrer Nähe zu ergattern. Sie saß bei einer Gruppe von Heilschülern, die laut herumalberten und sich auf diese Weise von dem anstrengenden Unterricht in geistiger Selbstversenkung erholten.

      Torbas kam noch später als Gorian, aber Gorian hatte den Eindruck, dass Torbas ihm aus dem Weg ging. Er nahm am anderen Ende des Speiseraums Platz, sodass Gorian ihn nicht einmal mehr sehen konnte.

      „Bist du nicht der Kerl, der mit dem Greifen gebracht wurde?“, sprach ihn einer der anderen Schüler an.

      „Na klar, das ist er!“, rief bereits ein weiterer, ehe Gorian überhaupt eine Antwort geben konnte, und im nächsten Moment hatte einer der Lehrer eine dringende Mitteilung zu machen und bat um Ruhe.

      „Still!“, raunte jemand am Tisch. „Meister Rhaawaan kann sehr unangenehm werden.“

      „Und vor allem sieht er alles.“

      „Na ja, wir wollen mal nicht übertreiben.“

      „Psst!“

      Meister Rhaawaan war von riesenhafter, sehr korpulenter Gestalt, und sein schwarzer Bart reichte fast bis zum Bauchnabel. Über dem Bart trug er das Amulett des Hauses der Seher auf der breiten Brust. Er hob seine prankenartigen Hände, um seiner Forderung nach absoluter und sofortiger Ruhe noch einmal Nachdruck zu verleihen, und im nächsten Moment war es so still, als würden all die Ordensschüler den Atem anhalten.

      „Zwei Dinge möchte ich hiermit dringendst anmerken“, sagte Meister Rhaawaan, und hier und dort sah man einige schon fortgeschrittenere Schüler die Augen verdrehen oder gar die Worte des Sehermeisters mitmurmeln; offenbar benutzte er bei solchen Anlässen stets dieselben formelhaften Wendungen. „Die Schüler aus dem Haus des Schattens werden schärfstens ermahnt, die Schattenpfadgängerei nicht dazu zu benutzen, sich während der Ruhezeiten heimlich davonzumachen, um Zerstreuung in Estia oder Nemor zu suchen. Seid euch immer bewusst, dass sich euer Leben extrem verkürzt, wenn ihr die Schattenpfade beschreitet, denn die wenigsten von euch beherrschen die geistige Regeneration schon gut genug, um keinen dauerhaften Schaden davonzutragen, zumal derlei Eskapaden ja in einem Zeitraum stattfinden, der eigentlich der Sammlung der Alten Kraft gewidmet sein wollte. Also wenn ihr nicht früh als Greise enden wollt, lasst diesen verderbten Unsinn!“

      Er vollführte eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf und zupfte sich den Umhang zurecht, der ihm auf der linken Seite ein Stück von der Schulter gerutscht war. „Und dann möchte ich die Angehörigen des Hauses eindringlich ermahnen, dem ich selbst angehöre. Ich schäme mich für die Verfehlungen dieser Schüler ganz besonders, und jeder soll wissen, dass ich mich persönlich beleidigt fühle und nicht davor zurückschrecke,