Название | 2030 |
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Автор произведения | Thomas Flichy De La Neuville |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783864081996 |
In Deutschland selbst verändert sich die demografische Lage. Das Land leidet immer noch unter einem starken Geburtenrückgang, trotzdem stabilisieren sich die Bevölkerungszahlen dank der Anziehungskraft, die das Land auf die jungen Europäer aus den failed States ausübt. Die schwere Wirtschaftskrise, die auf die Auflösung der Eurozone folgt, löst eine Wanderungswelle junger hochqualifizierter Arbeitsloser in Richtung Deutschland aus, wo Anreize für eine gezielte Zuwanderung geschaffen werden.
Schwere Unruhen in Wuppertal
In der Nacht vom 3. auf den 4. November 2029 wurde die ehemalige Industriestadt Wuppertal Schauplatz blutiger Kämpfe. Vorausgegangen war ein Beschluss der Selbstverwalteten Islamischen Länder (SIL), deren Status seit 2028 durch die Verfassung garantiert wird, zwei an der Wupper gelegene Enklaven mit Altdeutschen anzugreifen, weil sie nicht-reuige deutsche Dschihadisten aufgestachelt hatten, die vor rund zehn Jahren aus dem Nahen Osten zurückgekehrt sind. Die Selbstverteidigungsmilizen wurden durch den Raketenbeschuss der Scharia-Polizei18 überrumpelt und mussten die Armee der föderierten Völker (AfV) um Verstärkung bitten, um die Tyrannisierung der Altdeutschen durch die Mehrheitsbevölkerung zu stoppen. Zum ersten Mal kam der Kampfpanzer Leopard 4 zum Einsatz, der in einem Vorort von Ankara vom Band läuft. Im Verlauf der Auseinandersetzungen wurde Mustafa Steinhorst, Unteroffizier der AfV, tödlich verwundet, seine rituelle Enthauptung konnte jedoch verhindert werden. In den rauchenden Ruinen am Rande der SIL ist inzwischen wieder Ruhe eingekehrt.
Das nicht mehr vereinigte Königreich von Großbritannien
„Lebt’ ich so lange nur, beschimpft zu sein? Und bleichten Schlachtenmühn mein Haar nur, dass ich an einem Tag seh’ so viel Lorbeern welken?“ 19
Wie in Frankreich vermag auch in Großbritannien die Erinnerung an die ruhmreiche Vergangenheit die Illusion einstiger Größe nicht mehr zu retten. Im Jahr 2030 erlebt Großbritannien große politische, wirtschaftliche und soziale Umwälzungen. Auf politischer Ebene erbringt das zweite Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich eine hauchdünne Mehrheit von Ja-Stimmen. Da viele Kompetenzen bei London bleiben (Währung, Verteidigung, Monarchie), ist die Unabhängigkeit Schottlands vor allem symbolischer Natur, aber sie hat auch weitreichende Folgen für den Haushalt des einstigen Vereinigten Königreichs. Durch den Wegfall der Erdöleinnahmen, die in einen schottischen Fonds fließen, sieht sich London zu drastischen Kürzungen im Sozialetat gezwungen. Die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie nie zuvor, die Wirtschaft, die überwiegend auf Dienstleistungen und den Finanzplatz London basiert, strauchelt und vor dem Hintergrund von Spannungen zwischen den Communities entlädt sich der soziale Unmut in den Vorstädten, wo die Lage besonders angespannt ist. Das einst so hochgelobte britische multikulturelle Modell steckt in einer Sackgasse, andererseits werden britische und gälische populistische Parteien ins Unterhaus gewählt und schüren ein euro-skeptisches Klima, das radikaler ist denn je. Auf internationaler Ebene nimmt das Vereinigte Königreich eine immer randständigere Position ein. In der Europäischen Union steht Großbritannien isoliert da, bekräftigt weiter seine Forderungen nach Sonderregelungen und pflegt einen aggressiven Euroskeptizismus nach dem knappen Ausgang mehrerer Referenden für den Verbleib in der EU. Unfähig, im Ausland militärisch zu agieren, nachdem die in den Einsätzen im Irak und in Afghanistan ohnehin erschöpften Streitkräfte teilweise abgebaut wurden, scheint Großbritannien alleine dazustehen, umso mehr, als die Vereinigten Staaten sich von ihrem ehemaligen Partner abgewandt haben.
Die Einheit Spaniens bleibt bewahrt
Im November 2014 fand trotz des Verbots durch das spanische Verfassungsgericht eine Volksbefragung über die Unabhängigkeit Kataloniens statt. Katalanische Unabhängigkeitsparteien hatten sie auf den Weg gebracht, weil sie hofften, indem sie auf die Karte der demokratischen Legitimierung setzten, die Dringlichkeit der Abspaltung des Prinzipats zu verdeutlichen. Eine haushohe Mehrheit stimmte mit „Ja“, allerdings waren die Gegner, die der Abstimmung jede Legitimität absprachen, zu Hause geblieben; außerdem entbehrten die Wahlbedingungen – es gab weder Wahllisten noch wurden die Ergebnisse durch unabhängige Stellen kontrolliert – jeder demokratischen Glaubwürdigkeit, was die ganze Veranstaltung mehr zu einem Happening machte.
„Krieg der Klöster, Krieg der Provinzen, Alle wollen ihren Nachbarn verschlingen, Bisse Hungernder auf einem verlorenen Schiff!“ 20
Wie wird es 2030 um Spanien stehen? Werden Katalonien und das Baskenland ihre Unabhängigkeit erlangt haben? Wenn ja, wird ihre Kaufkraft auf das Niveau von Ländern wie Dänemark oder Schweden aufgerückt sein? Während Spanien:
„Aushaucht in dieser Höhle, wo sein Weg endet,Traurig wie ein Löwe, den das Ungeziefer auffrisst.“ 21
Dass die „Stierhaut“ tatsächlich zerteilt wird, scheint sehr unwahrscheinlich. Nicht nur, weil Madrid das niemals zulassen wird, sondern vor allem weil die Regionen selbst, die mit der Abspaltung liebäugeln, weder ein ernsthaftes Interesse daran haben noch die Macht, die Unabhängigkeit zu erlangen.
Zum einen ist diese hypothetische Unabhängigkeit nicht mit Waffengewalt zu gewinnen. Die baskischen Terroristen, die die Waffen niedergelegt haben, haben gewaltsames politisches Vorgehen langfristig unglaubwürdig gemacht in einem Land, das die Wunden des Bürgerkriegs noch nicht vergessen hat. Gewalt ist als Mittel völlig inakzeptabel geworden, außerdem wird die von einigen hysterischen Verfechtern der Unabhängigkeit viel beschworene „Unterdrückung durch Madrid“ als lächerliches Hirngespinst abgetan.
Zum anderen, angenommen Madrid würde mitspielen, bliebe der politische Weg. Doch was wäre das Projekt? Katalonien und das Baskenland sind nicht nur die reichsten Regionen Spaniens, sie sind auch diejenigen mit den meisten (spanischen und ausländischen) Zuwanderern. Das Gesicht eines Katalanen des 21. Jahrhunderts weist mehr Züge eines jungen Quechua, eines Berbers oder eines Pakistaners auf als die eines blonden Nachfahren des legendären Helden Otger Cataló und seiner neun ruhmreichen Barone. Das lässt sich nur schlecht mit den identitären – um nicht zu sagen offen rassistischen – Fundierungen gewisser nationalistischer Bewegungen vereinbaren.
Drittens, die Fürsprecher der Unabhängigkeit aus wirtschaftlichen Gründen – das sind die meisten – tun so, als wüssten sie nicht, dass im Fall der Unabhängigkeit das verbliebene Kernspanien sich anderweitig versorgen dürfte. Die großen Unternehmen würden einen wichtigen Binnenmarkt verlieren. Außerdem müssten Katalonien, Euskadi und Galizien dann selbst für die Leistungen der öffentlichen Hand aufkommen – ein unkalkulierbarer Kostenfaktor.
Was wird aus Ceuta und Melilla?
Heute kann man das Mittelmeer durchqueren, ohne Spanien zu verlassen. Es weist jedoch nichts darauf hin, dass das auch im Jahr 2030 noch so sein wird. Die Exklaven Ceuta und Melilla gleichen jeden Tag mehr belagerten Festungen, die unter der Last tausender Migranten einzustürzen drohen, die dieses Hindernis überwinden wollen, um von Milch und Honig zu kosten, die der europäische Traum verspricht …
Ceuta und Melilla sind der äußerste europäische Vorposten auf afrikanischem Boden – übrigens stammen die meisten spanischen Dschihadisten von hier – und werden von Marokko beansprucht, deren Rückgabe einen großen innenpolitischen Sieg bedeuten würde. Das alaouitische Königreich unternimmt nichts, um den Zustrom von Migranten auf die zwei Städte einzudämmen, unternimmt aber auch nichts, um sie davon abzubringen, die EU wiederum scheint das Problem nicht zu kümmern … Die spanischen Sicherheitskräfte halten trotz der ständigen Überforderung die Stellung an diesem „Limes“, doch wie lange noch? Tag für Tag drängen sich hunderte Menschen am dünnen Zaun des letzten Zipfels Europas in Afrika, Tendenz steigend.