Название | 2030 |
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Автор произведения | Thomas Flichy De La Neuville |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783864081996 |
Der Euro bleibt zwar eine starke und stabile Währung, doch der Vertrauensverlust der privaten Haushalte ist groß. Um dem massenhaften Abziehen von Kapital vorzubeugen, werden die Spareinlagen der Bürger teilweise eingefroren, außerdem die Finanzströme erheblich beschränkt, um das Bankensystem vor dem Zusammenbruch zu retten. Zum Ausgleich erhalten die Sparer Staatsanleihen, die nur schwer konvertierbar sind und deren Wert vergleichbar ist mit dem von toxischen Wertpapieren, was teilweise zu heftigen Protesten führt. Doch dessen ungeachtet ergreifen die Regierungen sehr unpopuläre Maßnahmen, um das Währungs- und Finanzsystem zu stabilisieren.
Um Steuerstreiks vorzubeugen, erfolgt der Steuerabzug nun allgemein an der Quelle. Dadurch wird eine Steuerreform möglich, um neue Steuerzahler zu generieren. Neben einer Mehrwertsteuererhöhung und der Einführung eines Sonderbeitrags zur Finanzierung des Gemeinschaftshaushalts kommt es durch die Einführung der Steuerprogression, die 70 Prozent der Haushalte erfasst, zu einer allgemeinen Verringerung der Lasten, da diese jetzt nicht mehr nur von einem Drittel der Steuerpflichtigen getragen werden, von denen sich übrigens viele aus der Mittelschicht der Bewegung der „Steuerflüchtigen“ angeschlossen hatten.
Das Mittelmeer als Bollwerk gegen Migrationsbewegungen
Eine der größten Herausforderungen der 2010er Jahre ist der massive Zustrom von Migranten aus der afrikanischen Vierten Welt, die an den Küsten Europas stranden, nachdem sie tausend Gefahren überlebt haben, an Bord von Schiffswracks, die von Händlern gepachtet werden, die ihr Geschäft mit dem Elend machen. Wie soll man ein so lukratives Geschäft unterbinden, da der einstige Grenzschützer Libyen sich in einen failed State, einen gescheiterten Staat gewandelt hat, durch den die Routen der Schleuser führen, deren Ziel die italienische Küste ist?
Da in der EU die Personenfreizügigkeit gilt, geht diese Problematik, die einen humanitären, aber auch einen Sicherheitsaspekt hat, alle Mitgliedstaaten gleichermaßen etwas an. Terroristen haben die Gunst der Stunde genutzt und sich der Rettungs- und Aufnahmeinfrastruktur für schiffbrüchige Migranten bedient, um nach Europa zu gelangen und Anschläge zu verüben, die die Öffentlichkeit erschütterten. Die EU sieht sich zum Handeln gezwungen und stellt eine Seepolizei auf, die fast den gesamten Marineetat aufzehrt. Die unmittelbare Folge dieses Großaufgebots, das mit dem Aufgebot an Bodentruppen zur Wahrung der europäischen Binnensicherheit vergleichbar ist: Die EU gibt die Hochsee auf und zieht sich auf das Mittelmeer zurück, das alles für ein symbolisches Ergebnis, jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt einer EU-Militärintervention gegen terroristische Gruppierungen, die sich in Libyen festgesetzt haben.
In dem Bewusstsein, dass Europa nicht alle Elenden aufnehmen kann, die durch die Sogwirkung einer Politik der systematischen Rettung der Bootsflüchtlinge angezogen werden, muss die Europäische Union ihre Politik grundlegend ändern. Angesichts überfüllter Abschiebezentren und gewalttätiger Zusammenstöße zwischen Einheimischen, die sich in Selbstverteidigungsmilizen organisiert haben, und immer zahlreicher werdender Migranten haben die Entscheidungsträger auf Länder- und auf EU-Ebene drastische Maßnahmen beschlossen. Nach dem Vorbild Australiens, das seine Küsten seit vielen Jahrzehnten hermetisch abriegelt, führt die europäische Marine ein effizientes System ein, um die Migranten auf hoher See abzufangen und systematisch an die afrikanischen Küsten zurückzubegleiten. Ähnlich wie im alten Partnerschaftsvertrag zwischen Libyen unter Gaddafi und Italien enthalten auch die neuen Wirtschaftsvereinbarungen mit den Ländern Nordafrikas Klauseln über die Abriegelung ihrer Küsten und Staatsgebiete gegen Schleuser.
Eurokorps
Durch die Wirtschaftskrise 2018 sahen sich die politischen Entscheidungsträger gezwungen, eine Manövriermasse im Haushalt zu finden. Unter Berücksichtigung der erfolgten Herabstufung haben sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien, denen sich auch Spanien, Italien, Österreich und die Beneluxstaaten angeschlossen haben, für den Weg einer immer engeren Integration ihrer Streitkräfte im Rahmen des umgestalteten Eurokorps entschieden. Dieses neue Eurokorps ist weit davon entfernt, das Instrument einer europäischen Großmacht zu sein, und ersetzt die Deutsch-Französische Brigade, die regionale Spezialisierung und historisches Erbe miteinander verbindet.
Jedes Land hat weiterhin seine eigene Streitmacht, allerdings stark verkleinert (die Landstreitkräfte bestehen aus 60.000 Soldaten), dafür sind die Mittel für die Elite-Spezialeinheiten gebündelt worden. Frankreich konnte nach Einreichung des zigsten Weißbuches die Schule für Luftlandetruppen in Pau retten und als alleiniges Ausbildungszentrum für Fallschirmjägereinheiten in Westeuropa ausbauen, musste aber die Hochgebirgstruppen opfern. Die Gebirgsjägerbrigade ist jetzt in Italien stationiert, vereint französische, österreichische, italienische und deutsche Einheiten und integriert französische und italienische Traditionslinien. Für Kampfschwimmer gibt es ebenfalls nur noch ein Ausbildungszentrum in Italien; die Einrichtung einer EU-Sondereinsatzkräfte-Brigade für die Abwehr von Terrorgefahren ist in Planung.
Der Einsatz der Marineeinheiten der EU-Staaten beschränkt sich nunmehr auf Polizeimissionen an den Mittelmeerküsten, um den täglich wachsenden Zustrom von Migranten aus Subsahara-Afrika einzudämmen. Während Frankreich das Projekt eines zweiten Flugzeugträgers endgültig aufgibt, gehen auf EU-Ebene die Ambitionen nicht über eine ständige Flugzeugträgerkampfgruppe hinaus, deren Lenkwaffenkreuzer vor allem aus französischen und anglo-schottischen Marinehäfen stammen. Die konkurrenzlose französische Marine kann ihre Stellung als erste Marine Europas halten, allerdings ist der Gebäudebestand zunehmend veraltet. Nach der Unabhängigkeit Schottlands 2021 ist London zu einer Revision der britischen Militärstrategie gezwungen. Zum einen befinden sich die wichtigsten Flottenstützpunkte in Schottland, mit dem Großbritannien weiterhin durch ein Verteidigungsbündnis verbunden bleibt, zum anderen hat die Überlassung einiger Überwasserkriegsschiffe an die neue Royal Scottish Navy erhebliche Einsparungen erbracht, wie schon die Streichung von Programmen der Royal Air Force in den 2000er Jahren.
Der Abstieg europäischer Mächte
Deutschland, seit Jahrzehnten die größte Wirtschaftsmacht Europas, vor allem mangels ernstzunehmender Konkurrenz seitens der europäischen Partner, behauptet sich endlich als politische Macht. 85 Jahre nach 1945 sind die letzten Zeugen des Zweiten Weltkriegs und seiner Gräuel gestorben. Die Erinnerung daran ist geblieben, aber die Schuldgefühle, die bei den jungen Generationen nach einer Überdosis der Reue nur schwach ausgeprägt waren, sind so gut wie verschwunden.
Der in unguter Erinnerung gebliebene Militarismus interessiert Deutschland nicht. Zu lange hatten die Deutschen geglaubt, dass der Krieg die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln sei, und sich in ebenso wahnwitzigen wie waghalsigen Unternehmungen aufgerieben. Clausewitz ist tot, Bismarck lebt wieder ein bisschen auf. Doch wozu eine starke deutsche Militärmacht? Frankreich und Großbritannien stellen die nukleare Abschreckung für die EU sicher, ohne dass Berlin eine Euro-Mark dafür ausgeben muss; Deutschland stellt die Polizei für ein Meer, das ihm fremd ist, dafür hält die europäische Marine im Mittelmeer den Zustrom illegaler Migranten vom Land fern; und was die Sicherung europäischer Interessen in Afrika angeht, leisten Bundeswehr und Luftwaffe punktuelle logistische und materielle Hilfe, womit sie sich einen Platz am Verhandlungstisch sichern, aber kein Soldatenleben aufs Spiel setzen.
Deutschlands Hard Power beruht auf der Wirtschaft, aber auch auf der Diplomatie und der deutschen Kultur. Als echtes Gravitationszentrum Europas sucht sich das Land einen neuen Platz. Auch auf die Gefahr hin, die Randstaaten im Westen und Süden Europas zu vernachlässigen, richtet sich Deutschland wieder auf Mitteleuropa aus, baut seine strategischen Partnerschaften mit den baltischen und slawischen Ländern aus und investiert sein Kapital lieber in Russland statt in Griechenland oder in Frankreich. Im europäischen diplomatischen Spiel ist Deutschland führend.
Deutschland profitiert von der Reform der UN-Statuten. Unter dem Druck einiger Großmächte, die damit gedroht haben, außerhalb