Название | 2030 |
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Автор произведения | Thomas Flichy De La Neuville |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783864081996 |
Der Iran wird Großmacht im Nahen Osten
Kapitel 6 – Indien knüpft an seine alte Identität an
Das bevölkerungsreichste Land der Welt
Religiöse und kulturelle Erneuerung
Das Kastenwesen als Garant des sozialen Gefüges
Wahrscheinliche geopolitische Veränderungen
Indien entdeckt den Norden wieder
Kapitel 7 – China im Jahr 2030, eine geschwächte Großmacht?
Das Bild des Westens von China
Amerikanische Versuche der Eindämmung eines allzu mächtigen China im Jahr 2030
Chinas ungleiche, undurchsichtige Entwicklung
Chinas selbstmörderische Bevölkerungs- und Umweltpolitik
Teil 2 – Literarisch-intuitive Prognostik
Von der Prognose zur fantastischen Erzählung
Wie der Blaue Ritter in der Zeit versetzt wurde und sein heimatliches Königreich verwüstet vorfand
Die amourösen Abenteuer vom Blauen Ritter in Moskowien
Wie der Blaue Ritter in Neu-Frankreich nur knapp der Falle seines Feindes entging
Wo der Blaue Ritter in das Herz des neuen Afrika vorstieß
Die Begegnung mit Djamschid und die Abreise gen Orient
Der Blaue Ritter kehrt dorthin zurück, wo er hergekommen ist
Wenn ihr eine Wolke im Westen aufsteigen seht, sagt ihr gleich: „Es wird regnen“, und dann regnet es auch. Wenn ihr merkt, dass Südwind weht, sagt ihr: „Es wird heiß werden“, und so geschieht es auch. Ihr Scheinheiligen! Das Aussehen von Himmel und Erde könnt ihr beurteilen und schließt daraus, wie das Wetter wird. Warum versteht ihr dann nicht, was die Ereignisse dieser Zeit ankündigen?�
Lukas 12,54–59
Die Blumen der Zukunft ruhen in den Samen der Gegenwart.
�Chinesisches Sprichwort
Kurze Vorwarnung
Einige der hier vorgestellten Analysen werden den Lesern vielleicht abwegig vorkommen. Dahinter steht die Entscheidung des Redaktionsteams, das an der Entstehung dieses Buches mitgewirkt hat, auch originelle, ja kühne Positionen nicht von vornherein auszuschließen. Schließlich geht es bei einer Zukunftsanalyse darum, sich trotz aller gebotenen Vorsicht eine mögliche Zukunft vorzustellen. Mag sein, dass diese Zukunft in den Augen derjenigen, die düstere Jahrtausendvorhersagen mögen, naiv erscheint, oder auch übertrieben pessimistisch für diejenigen, die der Idee des Aufstiegs und Niedergangs der Kulturen – aus einer eigenartigen Koketterie des Geistes heraus – ablehnend gegenüberstehen.1 Es wird also tunlichst zu vermeiden sein, die denkbar angenehmste Zukunft vorauszusagen. Die Absicht des vorliegenden Buches ist es daher nicht, zu beruhigen, sondern zu hinterfragen. Andererseits sind Prognosen nicht gleichbedeutend mit Prophezeiungen: Die Prognostiker wissen von vornherein, dass sie sich irren können. In einer Zeit jedoch, in der sich alles zu beschleunigen scheint, wäre es überaus überraschend, wenn die kommenden Jahrzehnte keine Überraschungen bereithielten. Kurz, der Nutzen einer Zukunftsanalyse, die es nicht schafft, sich von der Gegenwart zu lösen, stünde in keinem Verhältnis zur Langeweile, die sie erzeugt.
Einleitung
In den USA und in Europa hat die Diktatur der Unmittelbarkeit in Verbindung mit einer Präferenz für konzeptionelle Analysen zu einer groben Vernachlässigung der Zukunftsforschung geführt. Die Antizipationsstudien beruhen fast ausschließlich auf statistischen Analysen und vernachlässigen die kommenden politischen und kulturellen Umwälzungen, wie wenn die neoliberale Vorhersage einer befriedeten Welt nach der Öffnung der Grenzen sich unweigerlich erfüllen müsste. Andererseits verdeckt letztendlich das Prinzip der Ausarbeitung von Zukunftsszenarien das Unvermögen der Zukunftsforscher, die Risiken einer Analyse auf sich zu nehmen und sich ihnen zu stellen. So schrieben die Autoren der Studie Global Trends 2030 des Nationalen Geheimdienstrats der USA2 bezogen auf das Jahr 2005: „Die Gegenwart erinnert an frühere Transitionsmomente – etwa 1815, 1919 oder 1945 –, als der Weg in die Zukunft nicht klar vorgezeichnet war und die Welt verschiedene Möglichkeiten einer globalen Zukunft vor sich hatte.“3 Natürlich ist die Zukunft immer offen, da sie letzten Endes vom freien Geist der handelnden Minderheiten bestimmt wird; dennoch war das Risiko sehr gering, dass sich zum Beispiel Frankreich unmittelbar nach 1815 oder Deutschland nach 1945 in ein neues wahnwitziges militärisches Abenteuer stürzen würden, nachdem sie ihre Kräfte gerade in einem solchen verbraucht hatten. Kurzum, wohl überlegte und im Team betriebene Prognostik ist und bleibt eine weitgehend verlässliche Übung, um sich auf das Wagnis einer Analyse einzulassen und mit ihren Konsequenzen umzugehen.
Im Übrigen beschränken sich die Indikatoren, die eine Antizipation von Zukunft ermöglichen, nicht nur auf die schwachen Signale der unmittelbaren Geschichte; unter Umständen liegen sie mehrere Jahrhunderte zurück, zumal Kulturen einem langfristigen Wandel unterliegen. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die meisten Zukunftsanalysen, vor allem wenn sie von der öffentlichen Hand in Auftrag gegeben werden, selten dem Zweck dienen, die unschuldige Neugier der breiten Öffentlichkeit zu befriedigen. Auftragsstudien legitimieren gewisse politische Entscheidungen im Voraus und schläfern Ängste ein, die störend sein könnten. Echte Antizipationsarbeit verlangt hingegen Klarsicht und Mut, zwei Eigenschaften, an denen es im Westen schmerzlich fehlt, wie der russische Oppositionelle Alexander Solschenizyn meinte. Eine mögliche Erklärung dafür ist: Weil wir vorgaben, uns von allem geschichtlichen Erbe loszusagen und uns als spontane Kultur zu begreifen, haben wir uns der Fähigkeit zur Antizipation beraubt.