Название | Es würde Knochen vom Himmel regnen… |
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Автор произведения | Suzanne Clothier |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783936188653 |
In meinem Gespräch mit Wendy, der Hundebesitzerin, versuchte ich zu verstehen, was dazu führen konnte, dass sich dieser Hund uns gegenüber verschloss. Er wurde eindeutig mit sorgfältiger Aufmerksamkeit geliebt und umsorgt – jeder Zentimeter seines Körpers zeigte seine Gesundheit, und es gab keine Spuren seiner Vergangenheit, in der er die Straßen der Stadt durchstreifte, ungeliebt war und sich alleine durchschlug. Die dazwischen liegenden Jahre mit gutem Futter und Liebe hatten diesen namenlosen Straßenhund in einen stattlichen, lustigen und intelligenten Hund namens Chance verwandelt. Trotzdem saß er dort, entfernt von uns, reserviert und desinteressiert. Etwas war schief gelaufen, warum sollte ein Hund sonst so wie er darum beten, dass die Leine reißt, damit er wegrennen kann?
Jede Beziehung ist im besten Fall kompliziert, da sich zwei Leben kreuzen, zwei Sets aus unterschiedlichen Wünschen, Interessen und Ängsten, zwei verschiedene Perspektiven und Vorstellungen der gemeinsamen Welt. In unserer Beziehung zu Tieren entwickeln sich zusätzliche Rätsel durch Sprachen und Kulturen, die sich von unseren stark unterscheiden. Die Unterschiede zwischen uns und den Tieren sind charmant und anziehend, sie verkomplizieren jedoch die ganze Angelegenheit auch. Ich bin sicher, dass jeder Hund auf Erden bis zu seinem Todestag verwirrt über bestimmte menschliche Verhaltensweisen ist. Meine Hunde lieben Wasser in jeder Form, außer das in einer Wanne in Verbindung mit Shampoo. Daher sind sie häufig nass, besonders im Sommer, wenn ihnen ihr seichter Pool dauernd zu Verfügung steht. Während ich in den meisten Nächten im Schlaf den Komfort ihrer warmen Körper begrüße, empfinde ich es nicht als angenehm, mit einem heißen, nassen Hund zu kuscheln. Wenn ich sie daher aus ihnen unverständlichen Gründen von meinem Bett vertreibe, werfen sie sich mit dramatischem Seufzen und einem Ausdruck auf den Boden, der die Wahrheit von John Steinbecks Kommentar zeigt: „Ich habe einen Blick aus Hundeaugen gesehen, einen sich rasch verlierenden Ausdruck erstaunter Geringschätzung, und ich bin überzeugt, dass Hunde im Grunde denken, Menschen seien verrückt.“
Unabhängig davon, was Hunde von uns denken, es ist nicht einfach, eine enge Beziehung zu einem Tier zu haben, das über eine Variation von Ohr- und Rutenbewegungen kommuniziert, mit einem tiefen Grollen vor sich hin murmelt, wenn es verärgert ist, und sich begeistert in Verwesendem wälzt. Trotz aller Unterschiede zwischen uns und den Hunden lieben wir sie jedoch und wollen sie verstehen. Wir sehen sie an und sie sehen uns an, und wir haben den unerschütterlichen Eindruck, dass unsere Hunde versuchen, mit uns zu sprechen. Genauso unerschütterlich ist das Gefühl, dass wir häufig nicht verstehen, was sie sagen. In beiden Punkten liegen wir richtig. Was wir uns erhoffen, ist nicht unbedingt das, was wir bekommen, zumindest nicht ohne dabei einige harte Lehren erteilt zu bekommen.
Wendy wollte von Chance Kameradschaft und eine erfreulichere Bindung, so wie zu ihrem vorherigen Hund Mel. Stattdessen bekam sie ein Magengeschwür und eine sehr komplexe Beziehung zu einem Hund, den sie liebte, aber nicht verstand. Das war nicht Wendys erste Erfahrung mit Hundehaltung. Ihr erster Hund Mel starb im hohen Alter von fast siebzehn Jahren. Die Hündin hatte all diese Jahre als ihre ständige Begleiterin verbracht, hatte die bewegte Teenager-Zeit und das frühe Erwachsenenalter ihres Frauchens miterlebt. Selbstsicher, sanft und intelligent wie sie war, ließ sich Mel leicht erziehen, und dank ihrer guten Manieren – egal in welcher Situation – war sie überall willkommen. Ob mit oder ohne Leine entfernte sie sich nie weit von Wendy, reagierte schnell auf jedes Kommando. Wendy brauchte nur darum zu bitten, schon gab Mel ihr Bestes. Bei allem, was sie tat, lebte dieser Hund nur für eine Aufgabe: Mit der Person zusammen zu sein, die sie am meisten liebte, und diese glücklich zu machen.
Als Mel starb, trauerte Wendy enorm, sie hatte wirklich ihre beste Freundin verloren. Sie wollte keinen anderen Hund – irgendwie erschien ihr das treulos gegenüber Mel. Als die Trauer jedoch unkontrollierbar und die von Mel hinterlassene Leere beharrlicher wurde, begann sie über einen anderen Hund nachzudenken. Eines Morgens fuhr sie aus einem Impuls heraus, mit der Hoffnung, einen Hund zu finden, der eine zweite Chance im Leben benötigte, zum örtlichen Tierheim. Da war er – sein Gesicht glich dem von Mel so sehr, dass sie sofort wusste, dass sie dieser Hund nach Hause begleiten würde. Chance machte jedoch vom ersten Moment an klar, dass er nicht Mel war, er war ein ganz anderer Hund.
Im Alter von zehn Monaten hatte Chance bereits sechs Monate im Tierheim verbracht, umgeben vom Chaos und der Traurigkeit der vielen unerwünschten Tiere. Seine Welt war auf das reduziert, was er von seinem engen Zwinger aus sehen konnte. Als er am ersten Tag in Wendys Wohnzimmer freigelassen wurde, war er überwältigt und konnte sich nur im Kreis drehen. Ein Verhalten, das er im Zwinger zu seiner Unterhaltung eingesetzt hatte, das einzige Spiel, das er kannte. Stundenlang beobachtete Wendy verblüfft und mit wachsender Bestürzung, wie er sich im Kreis drehte, unfähig war, sich zu entspannen, bis sie ihn in eine Box setzte, wo er erschöpft einschlief. Er verstand diese neue Freiheit nicht, er verstand nur seine begrenzte Zwingerwelt. Wendys Erfahrung hatte sie nicht auf diese Herausforderung vorbereitet. Als sie nach diesem ersten anstrengenden Tag, an dem sie versuchte, Chance zu helfen, die neue, größere Welt kennen zu lernen, die sie ihm bieten konnte, im Bett lag, wunderte sie sich erschöpft: „Wer hätte gedacht, dass Hunde so viel Arbeit bedeuten?“ Zurückblickend sagt sie jetzt, dass sie Chance wahrscheinlich, wenn er ihr erster Hund gewesen wäre, ins Tierheim zurückgegeben hätte. Aber sie gab ihn nicht an diesen schrecklichen Ort zurück. Mel hatte ihr beigebracht, was möglich war, und Wendy war entschlossen, einen Weg zu finden, wie sie Chance das gleiche Leben und die gleichen Freiheiten bieten konnte, die Mel genossen hatte.
Trotz dieser Probleme blühte Chance unter der geduldigen Pflege von Wendy auf. Im ersten Obedience-Kurs erwies er sich als intelligent und lernwillig, und sie schlossen den Kurs als bestes Team ab. In der nächsten Trainingsstufe begannen Probleme aufzutreten. Trotz außerordentlicher Präzision und Freude beim Üben zu Hause schien Chance im Kurs nur drei Reaktionen zeigen zu können: Er zeigte gute Leistungen, legte sich hin, wie bei totaler Unterwerfung, oder lief – wenn er die Möglichkeit erhielt – davon. Das verwirrte Wendy. Wie konnte ein Hund, der zu Hause so gute Leistungen zeigte, im Kurs solche Probleme haben?
Bei dem Versuch, sein paradoxes Verhalten zu verstehen, erhielt sie eine verwirrende Vielzahl von Beurteilungen. Ein Trainer sagte ihr, dass seine Probleme darauf zurückzuführen seien, dass sich sein Nervensystem auf Grund der sechs Monate im Tierheim nicht richtig entwickelt habe. Wendy sah ein, dass er in seiner Welpenzeit vielleicht wichtige Erfahrungen nicht gemacht hatte, sie konnte jedoch nicht verstehen, wie dies erklären sollte, warum sein Verhalten außerhalb des Kurses so ganz anders war. Wenn das Verhalten durch mangelhafte Entwicklung hervorgerufen würde, müsste es auch in anderen Situationen auftreten. Ein anderer Trainer zeigte auf den auf dem Boden liegenden Chance und bezeichnete ihn als „ängstlich und unterwürfig“. Ein weiterer Trainer behauptete, dass Chances frustrierendes Verhalten seinem „Willen zum Ungehorsam“ entspringe – obwohl der Hund genau wisse, was er tun soll, sei er absichtlich starrsinnig. Jeder Trainer bot andere Lösungen für das Problem, kein Lösungsvorschlag erschien Wendy sinnvoll und keiner hatte Auswirkungen auf das Verhalten des Hundes.
Wendy hatte den Eindruck, zwei Hunde zu besitzen – den sie im Kurs zur Verzweiflung treibenden und den lustigen, intelligenten Hund, mit dem sie lebte. Sie versuchte verzweifelt, Chance zu verstehen, und wollte ihm das Leben und die Freiheiten geben, die sie sich für ihn wünschte. Wie zahllose Hundebesitzer, die ihre Hunde verstehen möchten, stellte Wendy alle Fragen, die ihr einfielen. Sie fragte nach der Gesundheit des Hundes (er hatte einige Allergien und sie passte seine Ernährung an), versuchte zu verstehen, wie er dachte (war Futter, Spielzeug oder eine andere Belohnung die beste Art, seine Begeisterung für die Arbeit mit ihr wiederherzustellen?), berücksichtigte seine Welpenzeit und alles, was er während seiner Zeit im Tierheim entbehren musste. Sie versuchte sogar sich vorzustellen, welche Rassen an dem Mischlingshund beteiligt waren – war sein Verhalten rassetypisch und somit genetisch bedingt? Wie viele andere entschlossene, liebevolle Besitzer versuchte Wendy viele verschiedene Trainingsmethoden und Ausbildungshilfsmittel, in der Hoffnung, die magische Methode oder die perfekte Halsung zu finden, die das Problem behebt. Sie sagte sich, dass diese Experten es besser wissen müssten als sie selbst (oder warum hat sie sonst solche Probleme?) und ignorierte ihr Unbehagen, wenn Trainer Techniken empfahlen, die ihr hart erschienen. Egal welches Buch sie las oder welchen Trainer sie fragte, egal wie viele Fragen sie stellte,