Название | k-punk |
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Автор произведения | Mark Fisher |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862872374 |
Für Alain Badiou indiziert der Aufstieg dieses beschränkten Möglichkeitssinns eine Phase der »Restauration«. Wie Badiou in einem Interview mit der Zeitschrift Cabinet erklärte, »meint ›Restauration‹ in Frankreich die Phase der Rückkehr des Königs 1815, nach der Revolution und nach Napoleon. Wir befinden uns in einer solchen Phase. Wir sehen den liberalen Kapitalismus und sein politisches System, den Parlamentarismus, als die einzig natürliche und annehmbare Lösung.«75 Laut Badiou tritt die Verteidigung dieser politischen Konstellation als ein Senken der Erwartungen auf:
»Wir leben in einem Widerspruch: Es herrschen brutale, zutiefst ungerechte Zustände – in denen jede Existenz allein in Geld gemessen wird – und diese Zustände werden uns als Ideal angeboten. Aber um ihren Konservatismus zu rechtfertigen, können die Parteigänger der herrschenden Ordnung diese Zustände nicht wirklich als ideal oder wunderbar bezeichnen. Also haben sie sich entschieden, einfach zu sagen, dass der ganze Rest schrecklich ist. Natürlich, so sagen sie, leben wir nicht in einer Welt des Guten. Doch zum Glück leben wir auch nicht in einer Welt des Bösen. Unsere Demokratie ist nicht perfekt. Aber sie ist immer noch besser als eine brutale Diktatur. Kapitalismus ist ungerecht. Aber er ist nicht so ein Verbrechen wie der Stalinismus. Wir lassen zwar Millionen Afrikaner an AIDS sterben, aber wir sind keine rassistischen Nationalisten wie Milošević. Wir töten Iraker mit unseren Flugzeugen, aber wir schneiden ihnen nicht mit Macheten die Kehlen auf wie in Ruanda, und so weiter.«76
Kapitalismus und die liberale Demokratie sind »ideal« genau in dem Sinne, als sie »das Beste« sind, »was zu erwarten ist«, will sagen, das am wenigsten Schlimme.77 Etwas davon hallt in Millers Darstellung des Helden in Die Rückkehr des dunklen Ritters und Batman – Das erste Jahr nach: Batman ist vielleicht autoritär, gewalttätig und sadistisch, aber in einer Welt endemischer Korruption ist er die am wenigsten schlimme Option. (Inmitten einer allgegenwärtigen Bestechlichkeit könnten solche Eigenschaften sogar notwendig sein.) Ganz im Sinne der Darstellung Badious ist es in Millers Gotham unmöglich geworden, die Existenz des Guten anzunehmen. Das Gute hat keine positive Präsenz – das einzige Gute, das es gibt, muss mit Verweis auf ein selbsterklärendes Böses bestimmt werden. Das Gute, mit anderen Worten, ist die Abwesenheit eines Bösen, dessen Existenz offen auf der Hand liegt.
Das Faszinierende der jüngsten Batman-Verfilmung, Batman Begins (unter der Regie von Christopher Nolan), liegt in der zaghaften Rückkehr zur Frage nach dem Guten. Der Film gehört immer noch zur »Restauration«, insofern als er sich nichts jenseits des Kapitalismus vorstellen kann: Wie wir sehen werden, dämonisiert Batman Begins eine bestimmte Form des Kapitalismus – das postfordistische Finanzkapital – und nicht den Kapitalismus an sich. Und dennoch lässt der Film die Möglichkeit eines Handelns offen, das der kapitalistische Realismus verneint.
Nolans Auseinandersetzung mit Batman ist keine Neuerfindung, sondern eine Aneignung des Mythos, eine große Synkrisis, die die ganze Geschichte der Figur einbezieht.78 Erfreulicherweise ist in Batman Begins nichts »Grau in Grau«, sondern es gibt vielmehr konkurrierende Versionen des Guten. In Batman Begins wird der von Christian Bale dargestellte Bruce Wayne von einer ganzen Reihe Vaterfiguren verfolgt (oder der fast vollständigen Abwesenheit von Müttern: Seine Mutter sagt fast kein einziges Wort), jede mit ihrer eigenen Version des Guten. Zunächst gibt es den biologischen Vater, Thomas Wayne, ein rosig weichgezeichnetes, moralisches Vorbild, die reinste Personifizierung des philanthropischen Kapitals, der »Mann, der Gotham erbaut hat«. Gemäß des schon in den Detective Comics der 1930er formulierten Batman-Mythos, wird Wayne bei einem willkürlichen Überfall getötet und überlebt lediglich als moralisches Gespenst, das das Gewissen des Waisenkindes belastet. Dann ist da R’as Al Ghul, der in Nolans Film als eine Art hypergläubischer (hyperstitious)79 Mentor-Guru figuriert, ein terroristischer Charakter, der den gnadenlosen, ethischen Code repräsentiert, der das komplette Gegenteil von Thomas Waynes wohlmeinenden Paternalismus ist. Unterstützt wird Bruce in seinem Kampf zwischen zwei Vaterfiguren (ein Kampf, den er in seiner eigenen Psyche austrägt) von einer dritten, den von Michael Caine gespielten Alfred, den »mütterlichen« Fürsorger, der dem jungen Bruce bedingungslose Liebe schenkt.
Der Kampf zwischen den Vätern wird verdoppelt durch den Konflikt zwischen Angst und Gerechtigkeit, der im Zentrum des Batman-Mythos steht, seit er 1939 das erste Mal erschien. Die Herausforderung für Bruce Wayne besteht in Batman Begins nicht nur darin, die Angst zu besiegen, die von Millers Erfindungen, dem Unterweltboss Falcone und Scarecrow in Form eines »Waffenhalluzinogens« eingesetzt wird, sondern auch Gerechtigkeit zu finden, was, wie der junge Bruce Wayne herausfinden muss, nicht dasselbe ist, wie Rache zu üben.
Von Anfang an bestand der Batman-Mythos darin, die Angst in den Dienst der heroischen Gerechtigkeit zu stellen. Und so widmet sich Christopher Nolans Bruce Wayne der Aufgabe, die Angst gegen die zu richten, die sie verbreiten, ganz wie die Ursprungsgeschichte in den Detective Comics von 1939 Bruce bekanntermaßen sagen lässt: »Kriminelle sind ein abergläubisches, feiges Pack, also muss meine Verkleidung ihre Herzen mit Angst erfüllen.« Und trotzdem wird diese Ursprungsgeschichte bei Nolan sowohl ödipaler als auch anti-ödipaler als in den ersten Comics. Dort entscheidet sich Bruce für den Namen »Batman«, als eine Fledermaus in sein Zimmer fliegt. Nolans Version dieser Urszene ist deutlich anders; sie findet außerhalb seines Zuhauses statt, jenseits des Reichs des Ödipalen, in einer Höhle auf dem weitläufigen Anwesen Wayne Manor und es taucht nicht eine Fledermaus auf, sondern eine ganze (deleuzianische) Horde.80 Doch die Nähe des Namens Batman zu einigen Fällen von Freud – vor allem der »Rattenmann«, aber auch der »Wolfsmann« – ist kein Zufall. Batman bleibt eine vollständig ödipale Figur (woran Batman Begins keinen Zweifel lässt).81 Batman Begins verknüpft das Tier-werden mit dem Ödipalen, indem er Bruce’ Angst vor Fledermäusen als eine der Ursachen für den Tod seiner Eltern darstellt. Bruce ist in der Oper, als eine Fledermaus auf der Bühne ihn dazu treibt, seine Eltern so lange zum Verlassen der Oper zu drängen, bis sie nachgeben und draußen getötet werden.
Das Moment des Schauers und das Moment des Ödipalen waren im Batman-Mythos von Beginn an verbunden, schon auf den zwei Seiten der Detective Comics, in denen Batmans Geschichte erzählt wird. Kim Newman schreibt, dass Waynes Epiphanie – »Ich muss eine schreckliche Kreatur der Nacht werden … Ich muss eine Fledermaus werden … ein seltsames Geschöpf der Nacht« – »unterschwellige« Zitate von Dracula (»Geschöpfe der Nacht, welch süße Musik sie machen«) und Das Cabinet des Dr. Caligari (»Du sollst Caligari werden«) enthält.82 Diesen drei Bildern folgen drei im oberen Teil der Seite, in denen der geschockte Bruce seine toten Eltern betrachtet (»Vater, Mutter (…) Tot, sie sind tot.«) und auf ihren Tod »schwört«, sie zu »rächen, indem ich für den Rest meines Lebens Verbrecher bekämpfe«. Batman ist ganz bewusst als eine Figur im Stile des Schauerromans entworfen, als ein »merkwürdiges Geschöpf der Nacht«, aber eines, das »die Nacht« gegen die Verbrecher wendet, die sich in ihr verbergen.
Nicht nur war Batman – vermittelt über die Horrorfilme von Universal – tief vom deutschen Expressionismus beeinflusst, sondern auch vom Film Noir, der, wie die Batman-Comics, in den späten 1930er und frühen 1940er Jahren entstand. (Wie wir bereits gesehen haben, kann Millers Batman als eine in vieler Hinsicht postmoderne Variante dieser Linie gelten.) Eine Bemerkung von Alenka Zupančič weist uns auf eine mögliche, verborgene Quelle für die Verbindung zwischen Batman und dem Film Noir hin: Wieder ist es Ödipus. »[I]m Gegensatz zu Hamlet«, schreibt Zupančič,
»wurde über die Ödipusgeschichte oft gesagt, dass sie zum Genre des Whodunnits gehört. Manche gingen sogar noch weiter und sahen in König Ödipus den Prototypen des Noir-Genres. So erschien König Ödipus in der ›Noir-Reihe‹ des französischen Verlags Gallimard (›aus dem Mythos übersetzt‹ von Didier Lamaison).«83