k-punk. Mark Fisher

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Название k-punk
Автор произведения Mark Fisher
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862872374



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Schicksal, im Zustand perfektiver Archivierung auf die Welt zu kommen, von der Kultur vergessen, während sie von der Technologie makellos einbalsamiert werden.

      Aber waren die Gründe dafür, dass Doctor Who einen so großen Stellenwert im Unbewussten einer ganzen Ge­neration einnehmen konnte, wirklich nur Mangel und die »Unschuld« einer »weniger anspruchsvollen« Zeit? Zer­fällt die Magie der Serie wie ein Vampir im Sonnenlicht, wenn sie durch die nüchternen, unerbittlichen Augen eines Erwachsenen gesehen wird, wie Cooke nahelegt?

      Wie Freud in Totem und Tabu das Unheimliche aus­führt, wiederholt sich in der Moderne in der psychi­schen Entwicklung des Einzelnen der »Fortschritt« vom nar­ziss­tischen Animismus zum Realitätsprinzip der Gattung als Ganzer. Wie die sogenannten »Wilden« befinden sich Kinder auf der Stufe des narzisstischen Auto-Erotismus und hängen dem animistischen Irrglauben an, ihre Ge­danken seien »allmächtig« und können unmittelbar die Wirklichkeit beeinflussen.

      Doch stimmt es denn, dass Kinder »wirklich« an Doc­tor Who »geglaubt haben«? Žižek hat darauf hingewie­sen, dass, wenn Menschen aus »primitiven« Gesellschaf­ten nach ihren Mythen gefragt werden, ihre Antwort in­direkt ist. Sie sagen »Manche Menschen glauben«. Glau­be ist immer der Glaube der anderen. Was die Erwach­senen der Moderne jedenfalls verloren haben, ist nicht die Fähigkeit unkritisch zu glauben, sondern die Kunst, die Serie als Auslöser für bewohnbare, fiktionale Spielwiesen zu benutzen.

      Das Vorbild für eine solche Praxis sind die Perky-Pat-Karten in Philip K. Dicks Die drei Stigmata des Palmer Eldritch. Heimwehkranke Kolonisten können sich selbst als Puppen im Stile Barbies und Kens imaginieren, die eine Attrappe der Erde bewohnen. Doch für diese Leis­tung benötigen sie eine Droge. Im Endeffekt erlaubt die Droge dem Erwachsenen, was dem Kind sehr leichtfällt: nicht die Fähigkeit zu glauben, sondern zu handeln, o­b­wohl man nicht glaubt.

      In gewisser Weise geht diese Deutung allerdings einen Schritt zu weit. Denn es wird impliziert, dass Erwachsene die narzisstische Phantasie wirklich aufgeben und sich an die harsche Banalität der entzauberten Empirischen ge­wöhnt haben. Tatsächlich haben sie die eine Phantasie nur durch die andere ersetzt. Im Konsumkapitalismus ein Er­wach­sener zu sein, bedeutet, in der Perky-Pat-Welt ein­tönig heller Seifenoper-Häuslichkeit zu leben. Was aus dem mittelmäßigen Melodram, das wir die Wirklichkeit der Erwachsenen nennen sollen, ausgestrichen wird, ist nicht die Phantasie, sondern das Unheimliche – das Ge­fühl, dass alles nicht ist, wie es sein sollte, dass der häus­liche Alltag nur eine Kulisse für die Machenschaften von Parasiten und fremden Mächten ist, die uns entweder verfolgen, kontrollieren oder uns ihre Muster auferlegen. Mit anderen Worten, die unterdrückte Weisheit der un­heimlichen Literatur ist, dass es DIESE Welt ist, die Welt des liberal-kapitalistischen Common Sense, die eine Bühne mit wackligen Wänden ist. Wie Scanshifts und ich in unserer nächsten Audiomentation auf Resonance FM zu zeigen hoffen, ist das Reale der Londoner U-Bahn bes­ser durch Pulp und Modernismus zu beschreiben (die auf jeden Fall eine passend unheimliche Komplizenschaft unterhalten) als durch postmodernen Schrumpfrealismus (drearealism). Jeder weiß, dass, wenn die hauchdünne Schicht der »Personen« abgezogen wird, die Menschen in der U-Bahn sich als Zombies unter der Kontrolle außer­irdischer Korporationen herausstellen.

      Der Aufstieg des Fantasy-Genres in den letzten 25 Jahren steht in direktem Zusammenhang mit dem Zu­sam­menbruch einer irgendwie anderen Wirklichkeit außer­halb des Kapitalismus in derselben Zeit. Bei einem Film wie Star Wars denkt man sofort an zwei Dinge. Seine fiktive Welt ist SOWOHL unendlich weit weg, viel zu weit entfernt, um sich darum zu kümmern, ALS AUCH unserer Welt viel zu ähnlich, als dass man von ihr faszi­niert sein könnte. Zielt das Unheimliche auf die irredu­zible Anomalie von allem, was irgendwie bekannt er­scheint, geht es bei der Phantasie darum, eine lückenlose Welt herzustellen, in der alle Leerstellen von derselben Sache gefüllt werden. Es ist kein Zufall, dass der Auf­stieg des Fantasy-Genres mit der Entwicklung digitaler Spezialeffekte korreliert. Die eigentümliche Leere und Tiefenlosigkeit von CGI kommt nicht von einem Mangel an Wirklichkeitstreue, sondern daher, dass es direkt aus dem Diskrepanten herauskopiert wurde.

      Die Phantasiestruktur von Familie, Nation und Herois­mus funktioniert daher nicht als wahre oder falsche Re­präsentation, sondern als Modell, dem wir nacheifern sol­len. Unser unweigerliches Scheitern am digitalen Ideal ist einer der Motoren der kapitalistischen Arbeiter-Konsu­menten-Passivität, die gutmütige Jagd nach dem, was sich immer entziehen wird, eine Welt ohne Brüche und Diskontinuitäten. Man muss nur eine der schnöseligen, phallischen Fabeln von Mark Steyn lesen (die in dieselbe Liga gehören wie die Muttersöhnchengeschichten von Robert E. Howard), um zu sehen wie die lächerlich-idio­ti­schen Gegenüberstellungen des Fantasy-Genres – Gut gegen Böse, Wir gegen (ein fremdes, ansteckendes) Sie – auf der größtmöglichen geopolitischen Bühne wirksam werden.

       Angst und Elend im Dritten Reich’n’Roll 66

      Mit etwas Verspätung habe ich vor ein paar Tagen, auf die Empfehlung von Karl Kraft hin, den traumatisch guten Film Der Untergang gesehen. Die Überbewertung von mittelmäßigem Schrott macht einen misstrauisch, wenn zeitgenössische Filme gelobt werden, aber dieser ist ein echtes Meisterwerk und zwar eines, das man nur im Kino richtig genießen, wo das unbarmherzige Hämmern der sowjetischen Artillerie und die klaustrophobische Enge von Hitlers Bunker eine erdrückend viszerale Wirkung haben.

      Der Untergang ist der zweite Film in diesem Jahr [2005] (der erste war The Aviator), der mein ansonsten sehr verlässliches Motto widerlegte, dass Filme, die auf wahren Begebenheiten beruhen, zu vermeiden sind. Aber der Grund, warum beide Filme funktionieren, liegt darin, dass sie Situationen beschreiben, in denen die Realität selbst psychotisch geworden ist. Wie Ballard einmal schrieb, zeichnet sich das Delirium des Nationalsozialismus dadurch aus, dass die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenwelt keinen Bestand mehr hatte: Die Hölle ist auf Erden ausgebrochen, es gibt keinen Ausweg, keine Zukunft und du weißt es ganz genau…

      Der Untergang fasziniert, weil er aufmerksam und, wie ich annehme, akribisch die »Abschaffungslinie« doku­men­tiert, von der Deleuze und Guattari sagen, dass sie konstitutiv für den Nationalsozialismus ist. Deleuze und Guattari, die diese Idee von Virilio übernommen haben, galt die von den Nazis anvisierte Selbstzerstörung – »Wenn wir besiegt werden, soll auch die Nation untergehen« –, weniger als ein Zwangsprodukt kontingenter Umstände, sondern als die Verwirklichung, als der eigentliche Vollzug des nationalsozialistischen Projekts.67 Ihre Analyse mag empirisch fragwürdig sein, doch ihr Verdienst liegt weniger in der Diagnose, dass die Nazis suizidal waren, sondern in dem Gedanken, dass das Suizidale, das Selbstzerstörerische nationalsozialistisch ist.

      Spätestens seit dem Tod Chattertons war die Versuchung der Populärkultur, die Selbstzerstörung zu verherr­lichen, unwiderstehlich. Die Version des 20. Jahrhunderts dieser alten Romanze mit dem Tod boten die Nazis. Wie Ballard in seinem Essay über Hitlers Mein Kampf, »Alphabets of Unreason«, schreibt, handelt es sich bei den Nationalsozialisten um ein unheimliches Phänomen der Moderne, deren Technicolor-Glamour sich Welten weit weg von den pedantischen Figuren im Gehrock aus der englischen Elite zu Zeiten Eduards II. befand. Der Umgang der Nazis mit Radio und Fernsehen legte das Fundament für die Medienlandschaft, in der wir heute leben. War Hitler der erste Rockstar?

      Der Untergang führt uns durch Szenen, in denen die Nazipartei zerfällt, damit das Dritte Reich’n’Roll beginnen kann. Der Tod des Frontmanns ist das rituelle Blut­opfer, das eine scheußliche Unsterblichkeit garantieren wird. Hitler war der erste Mensch im 20. Jahrhundert, aus dessen historischer Besonderheit ein ewiges Archetyp-Arte­fakt im McLuhan-Ballard-Unbewussten der Medien geworden ist. Kennedy, Malcolm X, Martin Luther King, Morrison, Hendrix wirkten nach ihm lokal, partikular, während Hitler für ein ganzes Prinzip stand, das moderne Böse schlechthin. Als Zuschauer von Der Untergang be­finden wir uns die meiste Zeit im Führerbunker, gezwungen zu einer beunruhigenden Sympathie, weniger für die Elite des Dritten Reichs, sondern eher für die Sekretärinnen und Funktionäre, die Hitler und den Nationalsozialismus (keinesfalls fanatisch) bewunderten. Was wir von dem Berlin darüber sehen, gleicht einer