k-punk. Mark Fisher

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Название k-punk
Автор произведения Mark Fisher
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783862872374



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allerdings darin, dass er Ödipus bleibt, ohne den Ödipuskomplex bewältigt zu haben. Wie Zupančič herausstellt, geht es im Ödipuskomplex um die Diskrepanz zwischen dem Symbolischen und dem empirischen Vater: Der symbolische Vater ist die Verkörperung der symbolischen Ordnung selbst, der ehrwürdige Träger von Bedeutung und Vertreter des Gesetzes; der empirische Vater ist der »einfache, mehr oder weniger brave Mann«. Für Zupančič besteht der gewöhnliche Verlauf der »typischen Genese von Subjektivität« darin, dass das Kind zuerst auf den symbolischen Vater trifft und erst dann lernt, dass diese mächtige Figur ein »einfacher, mehr oder weniger braver Mann« ist. Bei Ödipus, so Zupančič, verläuft dieser Prozess aber genau umgekehrt. Ödipus trifft zunächst auf einen »unhöflichen, alten Mann auf der Straße« und erfährt erst später, dass dieser »einfache Mensch«, dieses »vulgäre Wesen« sein Vater war. Deswegen geht »Ödipus den Weg der Initiation (der ›Symbolisierung‹) rückwärts und bemerkt so die radikale Kontingenz des Symbolischen.«84

      Für Bruce Wayne gibt es aber keine Diskrepanz zwischen dem Symbolischen und dem Empirischen. Thomas Waynes früher Tod bedeutet, dass er in der Psyche seines jungen Sohnes als der mächtige Vertreter des Symbolischen eingefroren ist; er wurde niemals auf den Status eines einfachen Mannes »entsublimiert«, sondern er bleibt ein moralisches Vorbild – tatsächlich ist er der Vertreter des Gesetzes als solchem, er musst gerächt werden, aber er kann ihm niemals gleichkommen. In Batman Begins ist es der Auftritt von R’as Al Ghul, der die ödipale Krise auslöst. Der junge Bruce Wayne ist davon überzeugt, dass der Tod seines Vaters seine Schuld ist, doch Al Ghul versucht ihn davon zu überzeugen, dass die Schuld am Tod der Eltern bei Bruce’ Vater liegt, weil der gutmütige und liberale Thomas Wayne nicht gehandelt hat; er war ein willensschwacher Versager. Bruce weigert sich jedoch, diese Initiation mitzumachen und hält dem »Namen des Vaters« die Treue, während Al Ghul eine Figur des Exzesses und des Bösen bleibt.

      Die Frage, die Al Ghul für Bruce Wayne darstellt ist: Du, mit deinem Gewissen, deinem Respekt für das Leben, ist dein Wille zu schwach, hast du zu viel Angst, um zu tun, was nötig ist? Kannst du handeln? Wayne muss sich entscheiden: Ist Al Ghul, was er zu sein vorgibt, ein eiskaltes Instrument der unpersönlichen Gerechtigkeit, oder ist er eine groteske Parodie? Das ultimative Böse wurzelt im Film schließlich in Ghuls übermäßigen Eifer, nicht in irgendeinem merkwürdigen Diabolismus oder einem psycho-biographischen Zufall.85

      In dieser Hinsicht ist Batman Begins der Film, von dem Žižek dachte, dass es Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith hätte sein können: ein Film, mit anderen Worten, der sich traut, die These aufzustellen, dass das Böse aus einem Exzess des Guten entsteht. Für Žižek hätte »Anakin [Skywalker] aufgrund seiner exzessiven Berührung mit dem Bösen überall ein Monster werden und das Böse bekämpfen sollen«, aber

      »[a]nstatt sich auf Anakins Hybris zu konzentrieren, als das überwältigende Verlangen, einzugreifen und Gutes zu tun, für diejenigen, die er liebt bis ans Ende zu gehen und zur dunklen Seite überzutreten, wird Anakin einfach als ein unentschiedener Kämpfer gezeigt, der langsam in das Böse abgleitet, indem er der Versuchung der Macht nachgibt und unter den Bann des bösen Herrschers gerät.«86

      Parallel zu Žižeks Lesart von Revenge of the Sith, verdoppelt sich die Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Vater – wer ist eigentlich der Vater? – in Batman Begins durch die bedrohliche (Omni)Präsenz des Finanzkapitals und das Problem, was dagegen getan werden könnte. In Batmans Universum ist »der Name des Vaters« – Wayne – natürlich auch der Name eines kapitalis­tischen Unternehmens. Die Übernahme von Wayne Indus­tries durch die Aktionäre bedeutet, dass Thomas’ Name gestohlen wurde. Folglich ist Bruce Waynes Kampf gegen das Finanzkapital zugleich zwangsläufig ein Versuch, den in den Schmutz gezogenen Namen seines Vaters wieder reinzuwaschen. Da Wayne Industries das Herz der Stadt ist – wörtlich und im übertragenen Sinne – ist auch Gotham verflucht wie Theben durch die Sphinx. Die Infrastruktur liegt in Trümmern, die Zivilgesellschaft zerfällt, Gotham ist fest im Griff der Krise und einer Welle von Verbrechen, wobei beide dem neuen, räuberischen, entterritorialisierten Kapital zugeschrieben werden, das nun die Kontrolle über Wayne Industries hat. Die Auswirkungen des Finanzkapitals bekommen im Narrativ des Films durch den wohlmeinenden und von dem neuen Regime degradierten Lucius Fox (einem weiteren Kandidaten für die Figur des Vaters)87 eine persönliche Note. Die Implikation ist, dass die elenden Zustände nur verbessert werden könne, wenn der Name des Vaters wieder ins Recht gesetzt wird.

      In der Rolle, die der Kapitalismus in Batman Begins spielt, ist der Film bemerkenswert widersprüchlich. Teilweise hat dies mit dem Versuch zu tun, das Narrativ der 1930er Jahre in ein Gewand des 21. Jahrhunderts zu zwängen: Die Verweise auf die Wirtschaftskrise sind ein deutliches Echo der Dreißiger und bilden eine Disjunk­tion zur heutigen USA, die eine nie dagewesene Phase des ökonomischen Erfolges erlebt. Wie der Kapitalismus selbst – jenes »kunterbunte Gemälde von alldem, was geglaubt worden ist« (Deleuze/Guattari) –, ist auch Nolans Gotham ein Mischmasch aus Mittelalter und jüngster Gegenwart, aus Amerika, Europa und der Dritten Welt. Es ähnelt zugleich den Wolkenkratzern des Expressionismus und den Favela-Feldern des Cyberpunk88: Der Albtraum des alten Europa explodiert im Herzen des amerikanischen Metropolis.

      In einer faszinierenden Lektüre von Batman Begins erklärt China Miéville, das der Antikapitalismus des Films letztlich ein Plädoyer für den Faschismus enthält. Der Film, schreibt Miéville,

      »handelt von der Selbsterkenntnis des Faschismus und der einzige Kampf, den er durchmacht, ist die Anerkennung seiner eigenen Notwendigkeit. Batman Begins plädiert für eine Ära der absolut(istisch)en Unternehmen gegen die ›postmoderne‹ soziale Diffusion des Aktienkapitals (die hier im Sinne einer Unternehmenslogik der alten Schule als eine Art Schwäche gesehen wird), ganz zu schweigen von der Dummheit der wohlmeinenden, liberalen Reichen, die nicht verstehen, dass ihr Wunsch, mit den Armen und der Arbeiterklasse zu reisen, die ›Ursache‹ der sozialen Konflikte darstellt, weil der Reiche in sein Schloss gehört und der Arme vor das Tor, und weil die Auflösung dieser Grenzen die tierischen Instinkte der Schafherde verwirrt. Der Film sagt ziemlich deutlich (offenkundig, wenn man das Hochbahn-Setting betrachtet, in einem Dialog mit Spiderman 2, einem dummen aber gutmütigen Film, der glaubt, dass alle Menschen im Grunde vernünftig sind), dass die Massen gefährlich sind, außer man zwingt sie zum Gehorsam (Spidey gehört auch zu den Massen – sie nähren ihn und passen auf, dass es ihm gut geht; Batman ebenfalls –, die Massen sind ein mörderischer, animalischer Mob, weil sie im Grunde ›nicht genug Angst haben‹). Die letzte Möglichkeit, diese soziale Katastrophe zu ›lösen‹ besteht […] in der Zerstörung des Massentransportsystems, das alles ruiniert hat, indem es im wörtlichen Sinne, die Armen erhoben und auf eine Stufe mit den Reichen gestellt hat: Wenn beide zusammen reisen, ist der sozialdemokratische Wohlfahrtstaat im Gegensatz zur Trickle-Down-Ideologie ein schöner Traum, führt aber zum gesellschaftlichen Zusammenbruch und vergisst den Terrorismus, der Transportsysteme durch den Himmel in große Gebäude inmitten von an New York erinnernden Städten jagt – 9/11, verursacht von der Krise der ›exzessiven Solidarität‹ und der Arroganz der Massen, die ›nicht genug Angst vor ihren Hirten haben‹. Alles in allem ist es ein Film, der darauf beharrt, dass soziale Stratifikationen notwendig sind, um Tragödien zu verhindern und dass sie durch Terror gegenüber dem Plebs instandgehalten werden müssen, den großen Unternehmen zuliebe, die bei einem Happy End […] wieder in den Händen eines einzelnen, aufgeklärten Despoten landen, Hurra, der uns vor der Verwüstung des gesellschaftlichen Konsenses rettet.«89

      Ohne Zweifel stellt der Film das Finanzkapital als ein Prob­lem dar, das durch die Rückkehr des re-persona­li­sier­ten Kapitals gelöst wird, worin der »aufgeklärte Despot« Bruce die Rolle des toten Thomas einnimmt. Ebenso klar ist, wie wir gesehen haben, dass Batman Begins unfähig ist, sich eine Alternative zum Kapitalismus vorzustellen und stattdessen eine nostalgische Reise in frühere Formen des Kapitalismus empfiehlt. (Eine der strukturgebenden Phantasien des Films besteht in der Idee, dass Verbrechen und soziale Desintegration ausschließlich Pro­dukte kapitalistischen Scheiterns sind, statt unvermeidbare Begleiterscheinungen kapitalistischen »Erfolges«.)

      Und