Deplatziert. Jörn Birkholz

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Название Deplatziert
Автор произведения Jörn Birkholz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783862870189



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      „Gegen zwölf? Vater und ich sind heute schon seit acht Uhr auf den Beinen.“

      „Das freut mich für euch.“

      „Sei nicht so sarkastisch.“

      „Gebrauche bitte keine deinem Naturell widersprechenden Eigenschaftswörter.“

      „Wie bitte?“

      „Nichts.“

      Meine Mutter hatte kein Glück mit Wörtern. Wenn sie Adjektive wie sarkastisch oder zynisch verwendete, dann klang das ebenso unpassend und ungewöhnlich, als würde ein verschwitzter Bauarbeiter bei seiner Arbeit Nomen wie Seidenmalerei oder Beweggrund benutzen.

      „Also“, fuhr ich ungeduldig fort, „können wir jetzt langsam auflegen, mein Frühstück wird sonst kalt.“

      Meine Aussage entsprach nicht der Wahrheit.

      „Was soll denn da kalt werden?“ fragte sie in garstigem Ton. „Du trinkst doch weder Tee noch Kaffee.“

      „Mein Frühstück besteht heute aus einem Gemüseeintopf mit Mettbällchen und zwei Sesambrötchen von gestern“, sagte ich und wusste genau, dass ich sie damit brüskieren würde.

      „Du großer Gott, so etwas kann man doch nicht zum Frühstück essen.“

      Obwohl ich erst vor kurzem aufgestanden war, beschlich mich langsam wieder Müdigkeit. „Auch wenn es nicht deine Zustimmung findet, so wird es geschehen.“

      „Na, du musst ja wissen, was du tust, du bist ja schließlich alt genug.“ Beiläufig bemerkte sie: „Übrigens, Vater und ich haben gestern zwei neue Lampen für das Esszimmer gekauft.“

      „Schön.“

      „Brauchst du nicht auch mal neue Lampen?“

      „Ich habe Lampen.“

      „Die sind doch schon alt und hässlich, und so viel, wie du rauchst, sind die bestimmt schon vollkommen vergilbt.“

      Mich überfiel das Bedürfnis eine Zigarette zu rauchen. „Sie leuchten hell und erfüllen ihren Zweck.“

      „Wie du meinst. Warst du in letzter Zeit wenigstens mal wieder beim Friseur?“

      Ich bekam Lust, mich wieder schlafen zu legen. Am besten mit brennender Zigarette. „Nein, Mutter, ich wollte warten, bis wir beide zusammen hingehen.“

      „Zusammen?“

      Mein Gemüt schwankte zwischen Gereiztheit und Resignation. „Oh Gott, Mutter, ich schneide mir die Haare selbst, wenn mir danach ist.“

      „Danach sieht’s auch aus.“

      „Also gut, Mutter, hau rein.“

      „Was?“

      „Nichts.“

      „Na schön, ich melde mich dann in den nächsten Tagen noch mal.“

      „Es eilt nicht.“

      „Sei nicht immer so unhöflich. Was macht das bei Bewerbungsgesprächen auch für einen Eindruck, wenn du immer so unhöflich bist und mit schlecht geschnittenen Haaren daherkommst ... Hast du mittlerweile überhaupt etwas Anständiges zum Anziehen?“

      Hätte es an diesem Tag eine mikroskopische Chance für zufriedenstellende Laune gegeben, so war sie spätestens jetzt verspielt. „Gut, Mutter, ich lege jetzt auf.“

      Meine Mutter stimmte erneut ihren klagenden Unterton an. „Ich meine es doch nur gut, Junge.“

      „Das ist sehr zuvorkommend von dir.“

      „Auch dein Vater macht sich Sorgen“, jaulte sie.

      „Lass gut sein, Mutter.“

      Einen Moment herrschte vorwurfsvolles Schweigen. Doch Schweigen war eine Eigenschaft, die meine Mutter nicht sehr lange in Anspruch nahm.

      „Ach, was ich noch erzählen wollte, bevor ich’s vergesse, vorgestern habe ich Anna in der Stadt gesehen, als ich in der Straßenbahn saß. Ich habe gewunken und gegen die Scheibe geklopft, aber sie hat mich nicht gesehen und auch nicht gehört.“

      Ich schwieg.

      „Hast du denn in letzter Zeit noch mal was von ihr gehört?“

      „Nein!“

      Unmittelbar griff ich nach der Zigarettenschachtel, die auf meinem Bett lag. Ich zog gereizt eine der beiden letzten Zigaretten aus der Packung, entzündete sie und inhalierte gierig.

      „Möchte sie eigentlich irgendwann wieder zurück in ihre Heimat? Und wie geht es ihrer Familie überhaupt?“

      „Ich habe keine Ahnung, der Kontakt wurde eingeschläfert“, sagte ich, Rauch ausstoßend. „Seit knapp zwei Jahren hab ich nichts mehr von ihr oder ihren Eltern gehört.“

      „Rauchst du etwa gerade?“

      „Ja, Mutter.“

      „Musst du denn unbedingt rauchen, wenn wir telefonieren?“

      „Es überkam mich einfach. Stört dich der Rauch etwa?“

      Meine Mutter ignorierte die Frage und hielt sich erfolgreich an den vorwurfsvollen Tonfall.

      „Anna sagte einmal zu mir, dass du sie immer wieder vernachlässigst hast ...“

      „Wahrscheinlich wusste sie nicht, über was sie sonst mit dir reden sollte“, unterbrach ich sie bissig. Diese Bemerkung war verletzend, doch meine Mutter bemerkte es nicht, da sie sich immer nur auf sich selbst konzentrierte und sowieso nie ernsthaft zuhörte. Außerdem hörte sie ohnehin nur das, was sie hören wollte; wie beispielsweise das geräuschvolle Auspusten von Rauch.

      Ich versuchte abschließend einen versöhnlichen Tonfall anzustimmen, den sie sicherlich auch nicht registrierte.

      „Also gut, Mutter, noch einen angenehmen Sonntag.“

      „Mach’s gut, Junge. Und denke bitte daran, was für die Uni zu tun.“

      Ich legte auf und blickte einen Moment düster vor mich hin. Dann ging ich in die Küche, schaltete den Herd ein und machte den Gemüseeintopf warm. Während ich mit der Schöpfkelle mechanisch die Suppe umrührte, begann ich unwillkürlich in Erinnerungen zu schwelgen. Ich erinnerte mich an bizarre Ereignisse, die bereits ein paar Jährchen zurücklagen.

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