Название | Lakritz |
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Автор произведения | Klaus-D. Kreische |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783941895850 |
Wie das Süßholz jedoch nach Bamberg gelangt ist, wird ein unlösbares Rätsel bleiben. Einerseits besteht die Möglichkeit, dass Benediktinermönche der Bamberger Abtei St. Michaelsberg die Stammpflanze im 14. Jahrhundert mitbrachten und ihre Kultur in der dortigen Gegend einführten. Schließlich kommt in einer Urkunde des Klosters Michelsberg von 1390 der Name »Heinrich Lackritzen« vor. Diese Benennung könnte tatsächlich einen Gärtner bezeichnen, der Süßholz anbaute, oder einen Händler, der vom Verkauf seiner ›Lakritze‹ lebte. Andererseits kann die Wurzel durch den Handel von Venedig nach Augsburg in die Gärtnerei eingeführt worden sein. Schließlich betrieb auch die Nachbarstadt von Augsburg, Ulm, um 1562 den Süßholzanbau.31
Für die Kultivierung der Pflanze eigneten sich vor allem das milde Klima und der leichte Sandboden an den Ufern der Regnitz, jene Bodenstücke und Parzellen, auf denen der Sage nach das Kaiserpaar Kunigunde und Heinrich im 11. Jahrhundert geschritten sein soll, und dadurch an diesen Stellen den Süßholzanbau ermöglichten. Zu jener Zeit war ein Anbau der Pflanze wohl kaum bekannt, doch wird mit dieser Legende die hohe Wertschätzung angedeutet, die der Glycyrrhiza entgegengebracht wurde.
Mit ebensolcher Wertschätzung und gebührender Verwunderung erwähnen auch Ärzte und Botaniker den Bamberger Süßholzanbau in ihren Kompendien. Hieronymus Bock schreibt beispielsweise:
»Wie andere Völker sich des Zuckers rühmen / dürfen wir Deutschen uns des Süßholz nicht schämen / besonders wird der Bamberger Acker gelobt / dass er genügend Süßholz liefern kann / und ist ja solche süße Wurzel samt desselben Saftes lobenswert / und auch nützlicher / bequemer und gesünder / als der Zucker. Sollte ich je zwischen den Beiden eins entsagen müssen / wollte ich lieber den Zucker als das Süßholz entbehren / denn für den Zucker kann ich wohl Honig wählen …«32
Ebenso erwähnt ein enger Freund von Martin Luther, Phillip Melanchthon (1497-1560), das Bamberger Süßholz an einer Stelle seiner 1538 verfassten »Declamatio de encomio Franciae«. Für ihn ist die künstliche Art des Anbaus bewundernswert: »… hier streitet nämlich die Kunst mit der Natur in staunenerregendem Wetteifer.«33 Das gleichfalls im 16. Jahrhundert (1558) erschienene Schwankbüchlein »Katzspori« von Michael Lindener erzählt uns, »daß in Bamberg gute Zwiffel wachsen und das süße Holtz das wie Lebkuchen schmeckt und ein guter trunck safft darauf tut …«34
Einen weiteren Hinweis für die Bamberger Süßholzkultur liefern die Hofkammerrechnungen aus den letzten drei Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts. Sie enthalten Einträge, wonach Süßholzkränze, hergestellt in einer speziellen Flechttechnik, als Ehrengeschenk an benachbarte und befreundete Fürsten offeriert wurden.35 So übersandte beispielsweise 1598 der Fürstbischof Neithard von Thüringen dem Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, der ein Bewunderer des Bamberger Süßholzanbaus war, eine Wurzel »welche 42 Werkschuhe« (etwa 12 Meter) maß.
Schließlich bildete der Landvermesser Peter Zweidler das Süßholz 1602 in einer kleinen Vignette, die drei Stauden mit einem langen Wurzelgeflecht und zwei Wurzelkränzen zeigt, auf einem Stadtplan ab.
Abb. 9 Süßholzvignette auf dem Bamberger Stadtplan (1602)
Damit seien genügend Beweise erbracht, die die Vermutung untermauern, dass Bamberg ein mittelalterliches Zentrum des Süßholzanbaus war.
Parallel zu der Entwicklung in Bamberg finden sich zu dieser Zeit auch Belege für einen Süßholzanbau in einem anderen europäischen Land – in England. Hier wird der Handel mit ›griechischem‹ Süßholz von italienischen Kaufleuten zum ersten Mal in einer Haushaltsliste (1264) von Heinrich III. erwähnt.36 Der Bischof Richard de Swinfield verzeichnet in seiner Rechnungsführung aus den Jahren 1289 bis 1290 den Kauf von Süßholz als Gewürz.37 Danach führt das Testament (ca. 1303-1310) von Thomas Button, Erzbischof von Exeter, 13,5 Pfund Liquiricie auf.38 Zeitgleich erhob Eduard I. nach einer Ordonanz von 1305 in London einen Brückenzoll auf Süßholz und anderen Kräutern, um damit die Reparaturkosten der London-Bridge abzudecken.39
Dies sind frühe Hinweise für einen englischen Handel mit der Glycyrrhiza, die aus der Levante und Spanien eingeführt wurde. Den Anlass, die Wurzel auch vor Ort anzubauen, könnte eine Veränderung der englischen Trinkgewohnheiten gegeben haben. Um 1425 wurde Englands wichtigstem alkoholischem Getränk, dem mit Malz bereiteten Ale, erstmals Hopfen hinzugefügt, um es haltbarer zu machen. Hierdurch veränderte sich auch der Geschmack, und das vormals süße Bier wurde bitter. Um diese Bitterkeit auszugleichen, wurde das Ale nun mit Süßholz angereichert, wodurch sich auch der Süßholzbedarf erhöhte und ein eigener Anbau zweckmäßig wurde. Einen frühen Hinweis für den Anbau der Pflanze liefert der Botaniker Thomas Tusser (ca. 1524-1580) jedoch erst im darauffolgenden Jahrhundert in seinem Buch ›Fünfhundert Punkte für gute Landwirtschaft‹ (Five hundred points of good husbandry, 1573). Darin listet er Süßholz als eine der notwendigen Pflanzen auf, die in jedem Arzneigarten angepflanzt werden sollen.40
Wesentlich präziser legt der Chronist John Stow (ca. 1525-1605) den Beginn für den Süßholzanbau in das erste Regentschaftsjahr von Königin Elisabeth I. (1558).41 Aber William Turner (1508-1568), der Gründer der britischen Botanik, benennt als einzigen Anbauort der Glycyrrhiza die Berge in Deutschland. In England hat er die Pflanze niemals wachsen sehen.42
Das Süßholz war zu jener Zeit jedoch nicht nur für die englische Ale-Brauerei oder als Gewürz für Lebkuchen unabdingbar, sondern fand als Pharmakon eine breite Verwendung. Elisabeth I. ließ sich noch im Jahre 1563 von ihrem Botschafter aus Madrid berichten, dass der spanische König Philipp II. (1527-1598) aufgrund eines zu hohen Alkoholkonsums an Gicht litt und sein Hausarzt Dr. Vessalius ein Getränk aus Süßholz und Gerste verschrieb.43 Während sich der englische Hof um das Wohlergehen des spanischen Königs sorgte, stand für die Londoner Untertanen jedoch die Bedrohung durch die Beulenpest auf der Agenda. Eines der Krankheitssymptome dieser Seuche war ein blutiger Auswurf, begleitet von starkem Husten, der mit Kampfer und Süßholz behandelt wurde. Hierdurch, wie auch bereits während der großen Pandemie auf dem europäischen Festland, konnte sich die Glycyrrhiza vollends im englischen Arzneischatz etablieren.44
Im 17. Jahrhundert pflanzte der Londoner Apotheker und seiner Majestät königlicher Botaniker John Parkinson (1567-1650) das Süßholz in seinem Garten in Holborn, jenem Hügel mit der ehemaligen Richtstätte vor den Toren Londons. Eine weite Verbreitung fanden auch seine Rezepte, die oft von nachfolgenden Ärzten kopiert wurden: Destilliertes Süßholz mit Rosenwasser und Traganth als wohltuender Tee, Süßholz aufgekocht mit Quellwasser, Widertod (Trichomanes) und Feigen gegen Husten und Heiserkeit, und feines Pulver zum Reinigen der Augen.45 Der Arzt und Astrologe Nicholas Culpeper (1616-1654) lobte sogar den englischen Saft. Er sei besser als sein spanischer Verwandter. In alchemistischer Manier ordnete Culpeper die Pflanze dem Merkur als segenspendendem Planeten zu.46
Solche astronomischen Vorstellungen sind aus heutiger Sicht sicherlich individueller Natur und nicht auf die Allgemeinheit übertragbar, was aber unmittelbar die Frage nach den geschmacklichen Vorlieben jener Zeit aufwirft. Dies scheint sich vor allem während einer Epoche zu ändern – der Renaissance.
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