Название | Diakonie - eine Einführung |
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Автор произведения | Christoph Sigrist |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783290176747 |
Eduard Schweizer interpretiert im Anschluss an das Verständnis von Beyer Diakonie als Grundstruktur der christlichen Gemeinde und als Grundbegriff für kirchliche Amtsformen ganz generell. Er weist darauf hin, dass es für das, was wir «Amt» nennen, im Neuen Testament kein anderes Wort gibt als Diakonie. «Das heisst also, dass die Dienste in der Gemeinde sehr wohl unterschieden werden, auch als ‹Lehre, Fürsorge, Aufsicht usw.› bezeichnet werden können, dass aber kein Wort existiert, das die Gruppe der geordneten oder besonders wichtigen Dienste von den anderen abhebt.»140
Im Blick auf die feministische Diskussion sind in diesem Zusammenhang zwei Entwürfe zu nennen. Luise Schottroff untersucht den sozialgeschichtlichen Hintergrund der Wortverwendung von diakonein und stellt fest, dass damit im ausserbiblischen Bereich fast durchweg niedrige, unselbständige |78| Versorgungsarbeiten für Höhergestellte gemeint sind. Dass dieser Begriff, der eine niedrige Versorgungsarbeit bezeichnete, ausgewählt wurde, um in den christlichen Gemeinden als Schlüsselbegriff die leitenden Funktionen zu bezeichnen, zeigt ihrer Meinung nach eine grundlegende Patriarchatskritik: «Nicht Frauen mussten lernen, Füsse zu waschen, sondern die freien Männer. Und sie mussten lernen, Frauen die Teilhabe an Macht und Autorität zuzubilligen. Der neutestamentliche Begriff von Diakonie ist fundamental patriarchatskritisch.»141
Elisabeth Schüssler Fiorenza versteht mit Bezug auf Beyer unter diakonein materielle Dienste im Sinne des Tischdienstes oder andere niedrige Dienste. Trotz der Kritik an der kulturellen und religiösen Sozialisierung von Frauen «zu sich selbstaufopfernder Liebe und zu selbstlosem Dienst für andere» hält sie den Begriff Dienst (diakonia) für die Bezeichnung von kirchlichen Amtsfunktionen immer noch für ein «kraftvolles Symbol für christliche Feministinnen und Feministen».142 Sie will den Begriff «für eine kritische Infragestellung und Herausforderung der Strukturen der Herrschaft»143 wiedergewinnen. Diakonie als «kritische Kategorie» bestätigt patriarchalische Statusstrukturen oder Privilegien nicht, gerade nicht im Blick auf das kirchliche Amtsverständnis. «Amt darf nicht mehr als ‹Dienst› oder als ‹Jemandem-Aufwarten› gedeutet werden, sondern sollte als ‹Gleichheit von unten her› verstanden werden, eine Gleichheit mit all denen, die für Überleben, Selbstliebe und Gerechtigkeit kämpfen.»144
Der Praktologe Hans-Jürgen Benedict hat in den vergangenen Jahren den Ansatz des australischen Theologen John N. Collins (1990) in die deutschsprachige Diakoniediskussion eingebracht.145 Collins weist überzeugend nach, dass das Begriffsfeld ‹dienen› durch die diakonische Praxis der Diakonissen und Diakone von Kaiserswerth und Bethel seit Mitte des 19. Jahrhunderts zur Charakterisierung wahrer christlicher Existenz hochstilisiert wurde zum Dienst als Lebenshingabe. Wilhelm Brandts Studie «Dienst und Dienen im Neuen Testament» (1931) sowie der Artikel von Hermann W. Beyer zu diakonein im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament (1935) haben diese Interpretation als allgemein gängige Auffassung von Diakonie bis heute nachhaltig geprägt. Während üblicherweise der allgemeine Gebrauch von diakonein im Profangriechischen mit |79| dem Aufwarten bei Tisch interpretiert und diese Tätigkeit mit einem niedrigen sozialen Status verbunden wird, stellt Collins drei verschiedene Bedeutungen dieses Begriffs fest:
Dienst im Sinne des Überbringens einer Botschaft durch einen Vermittler, Sprecher oder Kurier;
Dienst im Sinne einer Tätigkeit als Agent oder Medium;
Dienst im Sinne des Aufwartens bei Tisch.
Die gemeinsame Grundbedeutung ist die Vermittlung, das Go-Between. Dienende im Sinne von diakonein sind also Mittelsleute.
Es ist das Verdienst der Theologin Anni Hentschel, diesen Ansatz von Collins in neuster Zeit weiterentwickelt zu haben. Aus der Untersuchung der jüdisch-hellenistischen Schriften zwischen 400 v. Chr. und 100 n. Chr. ergeben sich nach Hentschel folgende Resultate:146 Anstelle von «Vermittlung» (John N. Collins) ist die «Beauftragung» als wichtigster Aspekt des Wortfeldes diakonein festzuhalten. Die Wortgruppe bezeichnet grundsätzlich nicht die niedrige Hausarbeit oder den Tischdienst, der von Frauen und Sklaven ausgeführt wurde. Aus der Verwendung des Begriffs geht nichts über Geschlecht, Stand oder Autorität der handelnden Subjekte hervor. Zunächst ist einfach eine Tätigkeit im Blick, die im Auftrag einer Person, einer Gottheit oder aus der Verpflichtung gegenüber einer Idee heraus erfolgt. Das Ansehen der beauftragten Person ist durch den Auftraggeber oder die Beauftragung gegeben. «Für die Exegese der neutestamentlichen Belegstellen ist zentral, dass eine Bezeichnung christlicher Missionare mit dem Titel diakonos nicht ausgehend von einer Grundbedeutung im Sinne eines Tischdienstes erklärt werden muss, […] sondern sie vielmehr unmittelbar als Gottes Beauftragte zur Verkündigung des Evangeliums ausweist.»147
Zusammenfassend können wir folgende Entwicklung im Verständnis des Begriffs diakonein beobachten:
In der vor allem durch die Geschichte der Diakonissenhäuser und diakonischen Ausbildungsstätten geprägten traditionellen Auffassung wird Diakonie als (Liebes-)Dienst interpretiert, der in der Nachfolge Jesu bis zur Selbstaufopferung zugunsten der Bedürftigen führt. Das Neue im Begriff Dienst liegt nach Hermann W. Beyer darin, «dass Jesus nach Mk 10,45 und Mt 20,28 nicht bei dem Bilde des Tischdienstes bleibt, dass diakonein hier auch nicht nur zusammenfassender Ausdruck aller helfenden Liebestätigkeit am Nächsten ist, sondern als Vollzug eines |80| ganzen Opfers, als Hingabe des Lebens verstanden wird, die ihrerseits Inbegriff des Dienens, des Für-die-anderen-da-Seins im Leben und Sterben ist. Damit erreicht der Begriff des diakonein seine letzte theologische Tiefe.»148 Hier geht es um Diakonie als Liebesdienst.
In der von John N. Collins 1990 publizierten Dissertation und ihrer Vermittlung im deutschsprachigen Raum durch Hans-Jürgen Benedict wurde die vermittelnde Tätigkeit beim Begriff diakonein besonders betont: «The Go-Between»,149 das Dazwischen-Stehen bekam grundlegende Bedeutung für die Tätigkeit des diakonos. Hier geht es um Diakonie als Vermittlung.
Die neusten Untersuchungen von Anni Hentschel lassen erkennen, dass der Begriff diakonein «in der Regel eine Beauftragung bezeichnet, die den Beauftragten in ein Beziehungsverhältnis zwischen Auftraggeber und Adressaten einordnet, welches hierarchisch strukturiert ist und häufig eine Vermittlungsfunktion dahingehend nach sich zieht, dass der Beauftragte eine Sache oder Nachricht an die Adressaten überbringen muss».150 Hier geht es um Diakonie als Handeln kraft einer Beauftragung durch Gott, wobei dieses Handeln im Neuen Testament meist nichts mit sozialem Helfen zu tun hat, sondern eher mit Verkündigung und Gemeindeleitung, also in die Nähe des Apostolats zu stehen kommt. Mit den Worten von Hentschel: Die Wortanalyse in den späteren Schriften des Neuen Testaments «zeigt, dass diakonia und seine Derivate dort auffallend häufig die Übermittlung der christlichen Botschaft im Auftrag Gottes bzw. der Kirche an die Menschen bezeichnen. Sowohl Paulus selbst als auch ortsansässige Gemeindeleiter können in dieser Funktion als Diakonoi bezeichnet werden. Die Weiterführung dieses bereits bei Paulus belegten Sprachgebrauchs führte dazu, dass sich in den Gemeinden mit der Zeit diakonos zu einem Amtsbegriff entwickelt hat, mit dem eine Leitungsfunktion bezeichnet wird, die insbesondere die Verantwortung für die Verkündigung umfasst.»151
Wir teilen diese Sicht Hentschels. Daraus ergibt sich nun aber ein doppelter Schluss: Zum einen machen sowohl die Untersuchung von Collins als auch diejenige von Hentschel deutlich, dass die im Neuen Testament mit diakonein beschriebenen Tätigkeiten nicht als niedriger, demütig-ergebener |81| Dienst an den Armen beschrieben werden können, wie er in Wilhelm Löhes Diakonissen-Spruch seine prägnante Ausformulierung gefunden hat.152 Die mit diakonein beschriebenen Aktivitäten sind vielmehr als durch eine klare Beauftragung autorisierte, vollmächtige Leitungs- oder Vermittlungsfunktionen zu verstehen, die mit einem entsprechenden Selbstbewusstsein der Handelnden verbunden gewesen sein dürften.
Zum andern werden mit dem Begriff diakonein im Neuen Testament solch grundlegend andere Aspekte (der Verkündigung, der Mission, des Gemeindeaufbaus) ausgesagt, dass wir den Begriff als