Splitter im Sand. Birgit Biehl

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Название Splitter im Sand
Автор произведения Birgit Biehl
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783898968300



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Da ich Hosen und Stiefel trage, mein Tuch wie einen maurischen shesh um den Kopf geschlungen habe, ist es für die Männer selbstverständlich, dass ich mitarbeite, die maurische Frau bleibt auf dem Wagen sitzen. Wenn sie mal muss, darf nur ich sie berühren, damit sie absteigen kann, also schleppe ich die von vielen Geburten unförmige Frau auf dem Rücken durch den Matsch auf trockenes Gras und wieder zurück, sie ist so dankbar. Natu, noch keine 18, schmal und mager, liegt jedes Mal, völlig vom Matsch bedeckt, unter dem Wagen und gräbt mit den bloßen Händen den Schlamm unter den Reifen hervor. Wenn er es wieder einmal geschafft hat, bittet er uns um Essen und sauberes Wasser.

      Am Nachmittag kommen wir an einem liegengebliebenen Geländewagen vorbei, etwa 15 Leute, Händler wie unsere Männer, warten seit drei Tagen auf Hilfe, ein Reifen ist abmontiert, der Motor kaputt, das Auto bis zur Achse im Schlamm. Die Männer liegen im Schatten unter einem Dornenstrauch, die Matten im feuchten Boden zerdrückt. Sie sind apathisch, trinken das Pfützenwasser, haben nichts mehr zu essen, die Knochen eines Hammels liegen in der Asche. Da wir noch mehr als die Hälfte des Weges vor uns haben, geben wir ihnen nichts von unseren verbliebenen Vorräten. Natu nimmt die Knochen des Hammels aus der Asche, kratzt die Sehnenreste ab und kaut sie während des ganzen folgenden Tages. Keiner von unseren Männern gibt noch einen Pfifferling auf die Gestrandeten. Wir nehmen einen jungen Mann mit nach Nara, er muss vorn auf der Motorhaube sitzen, in Nara soll er Reparatur und Ersatzteile organisieren, die vielleicht aus Bamako kommen müssen, wie lange das dauern mag … Ich versuche nicht daran zu denken, dass auch uns das passieren kann, Mohammed ist ein sehr guter Fahrer. Als ich ihm das sage, gerät sein pokerface aus den Fugen, er muss lächeln, von dem Moment an hat er mir viel gezeigt, Pflanzen, Vögel, Brunnen.

      Am Abend ist mehr als die Hälfte des Weges geschafft, wir bleiben in einer winzigen Siedlung von Hirtennomaden, schlafen auf den Matten im Freien. Glühend rot geht die Sonne über der grün schimmernden Wüste unter, der Vollmond ist so groß, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Um uns herum die schweren Buckelrinder, Ziegen und Schafe, wilde Hunde, Esel. Die Hirten kommen in stolzer Haltung auf Pferden ins Lager geritten, würdigen uns keines Blickes, wir sind die mit dem Auto. Unsere Männer kaufen den Nomaden einen Hammel ab, immer kaufen und schlachten die Mauren, laden dann alle übrigen zum Essen ein. Sie töten das Tier vor meinen Augen, ein Stich, ein kurzer Schrei, dann knirschen die Knochen. Ich habe keinen Hunger, bin zu erschöpft, habe nur mein Kopftuch als Mückenschutz, nehme von Ousmane, der im Wind auf der Fahrerkabine sehr gefroren hat, meinen Anorak zurück, in der Nacht sind 30 Grad Temperatursturz. Ich klappere mit den Zähnen, der Boden ist feucht, an Schlaf ist nicht zu denken. Um uns herum die Geräusche der Tiere, die nie auf uns treten, am Feuer singen die Hirtenjungen, die Mauren kochen im Licht meiner Taschenlampe Tee. Im ersten Morgengrauen brechen wir nach dem Gebet auf, ich bin steif vor Kälte und zerstochen.

      Die vor uns liegende Strecke ist noch schwerer, unser Glück ist, dass es nicht noch zusätzlich regnet. Die Grenze zwischen Mauretanien und Mali zeigt sich in der Ebene als ein runder, ganz glatt gearbeiteter Brunnenrand mit hölzernem Schwengel für den Sack aus Ziegenleder. Im ersten Dorf, bewohnt von Sarakolé, machen wir Rast zwischen den kleinen runden blitzsauberen Gehöften mit strohgedeckten Rundhütten. Auf dem Dorfplatz steht die kleine Moschee im malischen Djenné-Stil, Trampelpfade führen zu den Weideplätzen, abseits des Dorfes ist ein großer, wasserreicher Brunnen gebaut, eine junge Frau zieht den schweren Ledersack bestimmt 15 m hoch. Die Frauen sind schön mit ihrem goldenen Nasenring, sehr freundlich, aus den Gehöften klingt ihr kehliger Gesang, sie stampfen Hirse, um mich herum die kleinen nackten Kinder in stummer Neugier.

      Ich verstehe die Sprache der Frauen am Brunnen nicht, aber wir verständigen uns. Eine Frau schüttelt eine Brust, deutet auf mich, guckt mich fragend an, ich nicke, zeige drei Finger. Sie lächelt bedauernd, schüttelt die andere Brust, deutet auf sich und streckt acht Finger aus, ich zeige höchste Anerkennung, wir lachen. Ich verweise auf den Fotoapparat, bitte, ein Foto machen zu dürfen, sie freuen sich, stellen sich auf. Die erste Frau zeigt mit der Hand auf den Apparat, dann auf die Piste, macht das Zeichen für den Rückweg, weist auf den Apparat, dann auf sich und die anderen Frauen hin. Ich nicke, dreimal diese Bestätigung. Ich schäme mich, wie soll ich das bewerkstelligen, wie kommt jemals Post hierher? Etwas abseits des Dorfes steht ein neues kleines Schulhaus mit zwei Klassenräumen, die Kinder erzählen auf arabisch von der Schule und ihrem Lehrer, freuen sich über meine Stifte. Der Abschied von diesem Paradies fällt schwer. Im Wegfahren zeigt mir ein kleiner Junge seinen offenen Fuß, ein alter Mann seine blinden, vereiterten Augen.

      Kurz vor Nara wäscht Natu seine Kleidung und seinen vom Schlamm verkrusteten Körper in einem oued, kommt zu mir, bläst sich auf, reibt sich die Schultern und das Gesicht. Ich verstehe, alle Männer haben mich immer verstohlen beobachtet, wie ich mich eingecremt habe, also reibe ich ihn zart ein, er aalt sich wonnevoll, es riecht ein bisschen gut, er stolziert zu den anderen. Arbeit, Wasser, Brot, ab und zu ein paar Biscuits, einmal Nivea Soft.

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