Название | Nightflights |
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Автор произведения | Alan Bangs |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862870202 |
Der Rockpalast in Cannes ging zu Ende, und ein Haufen von begeisterten Verrückten drehte sich mitten in der Nacht auf einem hell erleuchteten Karussell nach Herzenslust im Kreise. Und während ich noch darüber lamentierte, dass wir keinen Platz in den großen Hotels mehr bekommen hatten, wo all die Geschäftsleute abstiegen, weil sie so unverschämt teuer waren, schnappte Jürgen sich den langen Gürtel, der zu meinem schwarzen Ledermantel gehört, und fing an, fröhlich auf mein Pferdchen einzudreschen, in der übermütigen Hoffnung, die mechanischen Grenzen der einzigen Sache überwinden zu können, die uns daran hinderte, auf Nimmerwiedersehen in die Nacht hinauszufliegen.
27. Januar: Erstmalig in Rom
Richard Thompson war heute morgen einer der ersten, die das Hotel verließen. Er nahm die früheste Maschine nach London, wo er seine akustische Gitarre abholen wollte, die er auf dem Weg nach Cannes am Airport Heathrow vergessen hatte. Dann wollte er direkt nach New York und von da aus nach Detroit weiterfliegen, wo er am nächsten Tag ein Solokonzert in der Universität geben würde.
Eigentlich hatte ich vorgehabt, heute nach Köln zurückzufliegen, aber Manfred Schmidt überredete mich, einen kleinen Abstecher nach Rom zu machen, eine Stadt, die ich noch nicht kannte. Er sagte, in Nizza seien wir ja sowieso schon fast da. Ich telefonierte kurz mit Richard Astbury, dem Programmdirektor des BFBS, der sich ebenfalls in Cannes aufhielt und mir versicherte, dass es kein Problem sei, für Samstag und Sonntag einen Ersatz für mich zu finden. So nahmen wir dann am frühen Nachmittag den Alitalia-Flug 1555 nach Rom.
Der Flughafen von Rom ist nach Leonardo da Vinci benannt und sieht ganz danach aus, als hätte man ihn einfach in ein riesiges Feld gesetzt, auf dem eher Schafe grasen, als Flugzeuge starten und landen sollten. Zwischen den Startbahnen, Hangars und Terminals fielen mir mehrere kleine Hütten mit roten Ziegeldächern auf, Überbleibsel aus einer anderen Zeit, in der früher wahrscheinlich die Hirten Zuflucht gesucht hatten. Sie passten überhaupt nicht hierher, zwischen all die dicken Jumbojets.
Wir nahmen ein Taxi in die Stadt, und auf der etwa dreiviertelstündigen Fahrt hielt ich die meiste Zeit die Augen geschlossen, nicht etwa, weil ich müde war, sondern weil der Taxifahrer sich so rasant durch den Verkehr schlängelte, dass mir schlecht wurde. Einmal, als uns ein anderer Autofahrer, der von der Hauptstraße abbiegen wollte, ziemlich übel geschnitten hatte, bogen auch wir ab und fanden uns plötzlich auf einer Straße wieder, die überallhin, bloß nicht nach Rom führte - mir kam es vor, als hätte der Taxifahrer völlig vergessen, dass er Fahrgäste hatte, und wäre dem anderen in alle Ewigkeit hinterhergejagt, wenn wir ihn nicht unmissverständlich an unsere Existenz erinnert hätten.
Bastardo! schrie er. Bastardo!
28. Januar: An der Piazza Navona
Ich verbrachte zwar weniger als achtundvierzig Stunden in Rom, aber in dieser Zeit wurde ich von so vielen Eindrücken überwältigt, dass ich nicht mehr wusste, wo ich war, als ich nach Köln, der Stadt, in der ich seit mehr als zehn Jahren wohne, zurückkam. In meinem Kopf wirbelten noch all die Bilder herum, die ich gesehen hatte, und immer wieder ertappte ich mich dabei, wie meine Gedanken zurückschweiften.
In Rom stiegen wir im Hotel Raphael Largo Febo 2 ab, ganz in der Nähe der Piazza Navona. Das Hotel ist der Wohnsitz eines hohen Regierungsbeamten und wird Tag und Nacht von bewaffneten Einheiten bewacht. In der unmittelbaren Nähe dürfen keine Autos parken - eine Vorsichtsmaßnahme gegen Terroristen.
Mein Zimmer lag im fünften Stock und hatte einen kleinen Wintergarten, der auf einen Balkon hinausführte. Als wir unsere Koffer ausgepackt hatten, machten wir einen kleinen Bummel durch die Piazza Navona und tranken in einem der Cafés dort einen Cappuccino. Die Piazza Navona ist sehr lang und ziemlich eng, und irgend jemand hat mir mal erzählt, dass hier früher Pferderennen stattfanden. Trotzdem fürchte, ich, will ich lieber gar nicht erst anfangen, sie zu beschreiben, vor allem nicht, wie sie bei Nacht aussah, denn sonst würde ich wahrscheinlich nie fertig. Ich will mich deshalb auf ein paar der hervorstechendsten Details beschränken, die meiner Meinung nach für die ganze Stadt repräsentativ sind. Wenigstens für den Teil, den ich gesehen habe. Um es gleich vorwegzunehmen, alles war voller Leben. Hier herrschte keine Museumsatmosphäre; wenn man wollte, konnte man alles anfassen. Die Farbe, die von den Häuserwänden abblätterte, sprach von Zerfall, aber dieser Eindruck machte alles nur umso anziehender, so wie eine Lederjacke immer mehr Charakter kriegt, je öfter man sie trägt. Das wichtigste jedoch war, dass die Piazza einen nicht erdrückte. Am frühen Abend, kurz nach Sonnenuntergang, wenn die Straßenlaternen bereits an, der Himmel jedoch noch nicht ganz dunkel war, war sie am schönsten. Dann strömten die Menschen von allen Seiten herbei wie flüssige Lava. Sie war die Mitte eines Irrgartens, das Zentrum eines Labyrinths, von Straßen und Gassen umgeben, die ineinander übergehen, von Geschichte, Mode, Männern, Frauen und Kindern erfüllt. Kurz: ein Ort, den ich unbedingt wiedersehen will. Man konnte seinem Charme einfach nicht entkommen ...
Capuccino auf der Piazza Navona (Foto: Archiv/Alan Bangs)
Heute morgen, als ich wach wurde, hörte ich als erstes, wie jemand »Smile« pfiff, den Song, den Charlie Chaplin für »Modern Times« komponiert hatte. Ich spitzte die Ohren und lächelte.
Winter in Oswego, N. Y.
Oswego ist eine kleine Stadt in Upper New York State, auf der amerikanischen Seite des Ontario Sees. Es geht dort ziemlich friedlich zu, vor allem während der Sommermonate, wenn die Studenten in die Ferien abgereist sind. Es gibt breite Straßen, geräumige Bürgersteige und die meisten Häuser liegen etwas zurückgesetzt. Viele von ihnen haben Holzveranden, die um das ganze Erdgeschoß herumführen. Manchmal sitzen die älteren Leute den ganzen Tag auf diesen Veranden und winken jedem Vorübergehenden zu. Häufig sind die Läden während der Mittagszeit geschlossen. Niemand hat es hier eilig. Die Autos der Studenten, die an den Sommerkursen teilnehmen, sehen älter aus, als sie tatsächlich sind. Das Umweltgift macht jedoch auch hier nicht halt, sondern setzt sich auf dem Blech fest und zerfrisst den Lack. Die Kühlerhauben gleichen dem fleckigen Gefieder der Drosseln, die sich auf den Wiesen des Campus vergnügen. Im See treiben tote Fische. Es gibt wenig Initiativen, irgend etwas zu unternehmen. Niemand reißt sich hier ein Bein aus.
Auch ich schob eine ruhige Kugel, als ich ein paar Wochen hier verbrachte. Ich ging zu ein paar Vorlesungen und verbrachte eine Menge Zeit in der Bibliothek.
Irgendwer erzählte mir, dass Oswego im Sommer nicht dasselbe ist wie Oswego im Winter, und ein anderer versuchte, mir das zu erklären. Ich hörte zu und versuchte, mir vorzustellen, wie die Straßen, die jetzt einsam und verlassen in der Mittagshitze flimmerten, nach einem schweren Schneesturm aussehen würden. Ich malte mir aus, wie sich die Studenten von einem Gebäude zum nächsten schleppten und sich dabei an Seilen festklammerten, die quer über den Campus gespannt waren. In den Wintermonaten waren diese Seile manchmal die einzige Gewähr dafür, dass man auch tatsächlich da ankam, wo man hinwollte - wenn man sich überhaupt aus dem Haus traute. Die Studenten, von Schneestürmen geblendet, kämpften sich wie Polarforscher von Vorlesung zu Vorlesung. Die Gebäude der Privat-Colleges waren durch unterirdische Tunnel miteinander verbunden, doch die staatlichen Colleges mussten sich größtenteils mit Seilen begnügen. Es war also entschieden klüger, in der warmen Bude zu bleiben und alleine zu studieren.
Das war aber nicht der Grund, warum die Bibliothek ein beliebter Aufenthaltsort für die Studenten war, wenn das Thermometer unter Null sank. Die Bibliothek war ein zweistöckiges Gebäude mit Blick auf den See. Außer unzähligen Büchern gab es dort auch Zeitschriften aus aller Herren Länder, wissenschaftliche Publikationen aus allen Teilen der Welt (viele von ihnen auf Mikrofilm) und eine umfangreiche Plattensammlung. Und diese Plattensammlung war es, die die Studenten anzog. Sie befand sich im oberen Stockwerk, in einem riesigen Saal, dessen Fenster von der Decke bis zum Fußboden reichten. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick über die Baumwipfel hinweg auf