Название | Nightflights |
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Автор произведения | Alan Bangs |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862870202 |
Vielleicht hatte der Typ am Times Square auch seine Gründe, warum er unbedingt da durch wollte, wo wir standen. Wenn er aufgeschaut hätte - ob ich dann das Gesicht eines Drehbuchautors erkannt hätte?
23. Januar: Ein kaltes Bad, Udo Lindenbergs Ausrutscher und Musik-Convoy
Wohl das wichtigste Ereignis der vierten Woche von 1984 war für mich der Versuch, fast ganz ohne Schlaf auszukommen. Leider und wider mein besseres wissen war es ein Reinfall. Mein Körper war zwar gut genug trainiert, um lange aufzubleiben, aber total überfordert, wenn es ums frühe Aufstehen ging.
Der Montag begann wie üblich um Mitternacht mit der BFBS-Sendung Night Shift. Später, als ich wieder zu Hause war und nicht schlafen konnte, setzte ich mich in die Küche und blätterte in Musikzeitschriften. Gegen halb vier ging ich ins Bett, nur um zwei Stunden später vom Rappeln des Weckers aus den Träumen gerissen zu werden.
Ich beschloss, mich endlich wieder mal auf Vordermann zu bringen. Kleider machen Leute, sagte ich mir, aber das Problem bestand darin, dass ich die richtigen nicht finden konnte. Eigentlich war das nichts Neues und deshalb auch kein Grund
zur Panik. Vielleicht tat es ja auch die richtige Kombination der falschen Klamotten. Ich warf einen Blick aus dem Fenster. Draußen regnete oder schneite es, aber ich konnte es nicht richtig erkennen, weil es noch stockfinster war. Besonders warm schien es auch nicht gerade zu sein. Also handelte ich nach allen Regeln der Vernunft; ich meine, wer merkt schon, ob man zwei verschiedene Socken anhat? Ich zog zwei Hosen übereinander, schnürte meine Bergstiefel und schlüpfte in einen langen schwarzen Ledermantel. Dann ließ ich leise die Tür hinter mir ins Schloß fallen und tapste auf Zehenspitzen die drei Treppen hinunter (gar nicht so einfach, wenn man waschechte Bergstiefel mit Vibramsohlen anhat). Ich fand den Wagen, und los ging‘s Richtung Bonner Verteiler.
Die Bergstiefel hatte ich im letzten Schuljahr von Arthur Grant bekommen, der Bio-Unterricht gab und Vorsitzender des »Abenteuerclubs« an unserer Schule war. Er war auch derjenige, der mir zum ersten Mal die Vorzüge eines Zeltlagers auf dem Land schilderte. Diese Art von Vergnügungen gehört wohl zu denen, an die man schlicht und einfach glaubt, jedenfalls solange man bequem im elterlichen Wohnzimmer sitzt. Die Wirklichkeit aber ist, wie immer, ganz anders. Dies wird einem spätestens dann klar, wenn man splitternackt in einem Waliser See landet, versucht, um Hilfe zu rufen und sich dabei fragt, warum der See bei der Kälte eigentlich nicht längst zu einem Eisblock erstarrt ist. Für diejenigen, die sich noch nie in einer solchen Situation befunden haben: Es ist völlig sinnlos, um Hilfe zu rufen; nicht weil die Freunde, die einen da reingeworfen haben, mehr Interesse daran haben, einen zappeln als überleben zu sehen, sondern weil man im wahrsten Sinne des Wortes auf Eis gelegt ist, durch die Kälte wie gelähmt und kaum noch in der Lage, nach Luft zu schnappen, geschweige denn, auch nur den kleinsten Piepser von sich zu geben. Und dies gilt nicht nur für walisische Seen, sondern auch für schottische Lochs - ja, ganz recht, auch davon könnte ich euch ein Liedchen singen.
Als ich zum ersten Mal nach Wales fuhr, zusammen mit Arthur Grant und etwa zehn Schulkameraden, hockten wir im hinteren Teil eines Ford Transit, besser gesagt, in und auf ihm. Wie man sich denken kann, war es ziemlich laut im Wagen. Da die Hitze uns zu schaffen machte und Arthur Grant ständig auf denjenigen einquatschte, der gerade vorn auf dem Beifahrersitz saß, beschlossen wir, das Wageninnere zu lüften und uns selber gleich mit. dass wir dabei mit etwa siebzig Sachen die Autobahn entlangrasten, machte uns nicht das geringste aus. Wir öffneten die Hintertür, kletterten zu viert oder fünft auf das Wagendach und winkten den Autofahrern, die gerade dabei gewesen waren, uns zu überholen, ermutigend zu. Daraufhin besannen sie sich (wer konnte es ihnen verübeln!) schleunigst eines Besseren. Ich kann mich noch gut an das Gesicht des Autohändlers erinnern, von dem wir den Wagen gemietet hatten - vor allem, als wir ihn eine Woche später zurückbrachten. Die Beulen an der Karosserie konnte er sich ja noch erklären, aber die Fußstapfen überall auf und im Wagen blieben ihm schleierhaft.
Die Geschichte erinnert mich an den Tag, an dem ich mit Mitch Ryder und seinem Tourbegleiter Neil Thompson von Köln nach Bochum fuhr. Neil saß am Steuer und ich neben ihm, während Willard (Mitch Ryder) es sich auf dem Rücksitz bequem gemacht hatte. Auf der Autobahn herrschte reger Verkehr, vor allem südlich von Remscheid, wo man wegen Straßenbauarbeiten den Verkehr auf vier schmale Fahrspuren, in jeder Richtung zwei, eingeschränkt hatte. Wir fuhren also mit »leicht« überhöhter Geschwindigkeit auf einer dieser Spuren, als plötzlich eine der Seitentüren aufglitt. Neil und ich befürchteten schon das Schlimmste und glaubten, Willard wäre vielleicht aus dem Wagen gefallen, doch als wir uns umschauten, stand er seelenruhig, wenn auch leicht schwankend, mit offener Hose in der Tür und erleichterte sich. Vor uns auf der rechten Spur fuhr ein Laster, und wir waren gerade im Begriff, ihn zu überholen. Hätten wir ihn nicht rechtzeitig gesehen, hätte er Mitch Ryder einen Körperteil abrasiert, auf den er ganz besonders stolz ist ...
Der Bonner Verteiler ist die Stelle im Süden Kölns, von der die Autobahnen nach Bonn, Aachen und Frankfurt abzweigen. An diesem Verteilerkreis gibt es zwei Tankstellen, die durchgehend geöffnet haben. Zu jeder dieser Tankstellen gehört auch eine Gaststätte, und in einer von denen, genauer gesagt, der auf der rechten Seite, wenn man in Richtung Autobahn fährt, hatten wir uns an diesem kalten Januarmorgen verabredet. Der Convoy-Bus sollte uns um sieben Uhr abholen, und als ich ankam, waren Robert, Nanzie und Karin auch schon da, nur vom Bus fehlte noch jede Spur. Glatteis und Schnee hatten ganze Arbeit geleistet, und so verging noch mehr als eine Stunde, bis wir den Bus im Schneckentempo auf den Parkplatz rollen sahen. Ich war so müde, dass ich kaum noch die Augen aufhalten konnte. Wir schlurften durch den Matsch und nickten denen zu, die schon im Bus saßen. Der Himmel war immer noch stockdunkel. Es sah ganz so aus, als wäre das wieder mal einer von diesen Tagen, die man entweder niederkämpfen muss, ehe sie einen völlig fertigmachen, oder an denen man am besten gleich im Bett bleibt und sich die Decke über den Kopf zieht, statt die Herausforderung anzunehmen und seinen inneren Schweinehund zu überwinden.
Ich stieg ein, ließ mich auf die hinterste Bank fallen, schlief ein und schreckte kurz darauf in Wesseling wieder hoch.
Der Bus fuhr noch, wenn auch nur ganz langsam, und kämpfte mit großer Mühe genau wie ich gegen etwas an, was nur schwer auszumachen war. Es dauerte eine Weile, bis ich wieder zu mir kam. Friedmann, der Fahrer, versuchte gerade, einen geeigneten Parkplatz neben dem Laster zu finden und musste nicht nur auf die Tücken des Wetters, sondern auch auf die engen Straßen um den Marktplatz herum, die mit geparkten Autos vollgestopft waren, achten.
Friedmann und ich waren die einzigen, die noch nicht ausgestiegen waren: Alle anderen waren schon zur Stadthalle vorausgegangen, wo man uns einen Raum zur Verfügung gestellt hatte, den wir als Hauptquartier in Beschlag nahmen. In diesem Raum wurden ab sofort Taktiken diskutiert, Strategien erstellt und Befehle erteilt. Vor allem aber, und das schien im Moment das wichtigste, würde hier in diesem Raum das Frühstück serviert werden.
In den nächsten Monaten sollte sich diese Prozedur des öfteren wiederholen. Sie wurde zu einer Routine, auf die wir uns immer mehr freuten, je besser wir einander kennenlernten. Es war ein allwöchentliches Treffen von Freunden, bei dem man sich Geschichten erzählen und Witze reißen konnte, ein fixer Punkt in dem sonst so chaotischen Fahrplan.
Natürlich könnte ich jetzt die Ereignisse dieses 23. Januar bis ins kleinste Detail ausspinnen. Ich will aber an dieser Stelle jedoch nur erwähnen, dass diese erste Musik-Convoy-Sendung des WDR der Anfang von etwas war, was sich später kontinuierlich weiterentwickeln sollte.
Die Gäste dieser ersten Show waren Arno Steffen (»Ist ja alles supergut, ne?«), Howard Jones (»What Is Love«), The Thompson Twins (»Hold Me Now«) und Udo Lindenberg (»In fünfzehn Minuten sind die Russen auf dem Kurfürstendamm«). Howard Jones brachte seine Frau mit, die Thompson Twins hätten das Ganze um ein Haar verpasst, weil sie Schwierigkeiten hatten, einen Flugplatz in der Nähe zu finden, auf dem sie ihren Privatjet landen konnten, Arno Steffen kam aus Köln, und er war auch