Название | Für immer mein |
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Автор произведения | Joe Schlosser |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862871049 |
Wenn es für eine Ermittlung nötig war, verzichtete von Sülzen auf seine Freizeit, und Kraft seiner Autorität und seines Ansehens konnte er es sich erlauben, so manche hinderliche Dienstanweisung beizeiten zu ignorieren, um eine Untersuchung voranzubringen. Sehr zur Freude der bei solchen Ermittlungen enorm unter Druck stehenden Mordkommission.
Sorgsam und mit Bedacht arbeiteten sich Gerichtsmediziner und Erkennungsdienst an die Leiche heran. Zuerst wurde der große Tresen aus seiner misslichen Lage befreit und dann die Grube vollständig freigelegt. Sie war eindeutig nicht nachträglich angelegt worden. Bohrlöcher und Reste von eisernen Halterungen wiesen darauf hin, dass hier wahrscheinlich einmal eine Hebebühne der Maschinenfabrik eingelassen gewesen war.
Mechthild winkte Ayse zu sich. Sie sollte den Partyveranstalter genauestens befragen, wann er die Halle zum ersten Mal besichtigt hatte und ob die Grube dann schon verschlossen war. Im gleichen Moment schoss es ihr durch den Kopf, dass es nicht das erste Mal wäre, dass ein Mörder vorgab, sein eigenes Opfer zufällig gefunden zu haben, um den Verdacht von sich abzulenken. Auch darauf solle Ayse achten.
Dann brauchten sie noch den Immobilienmakler, der die Halle vermietet hatte. Roder sollte sich darum kümmern und versuchen, KK Heller über Funk zu erreichen, damit sich dieser gleich den Makler vornehmen konnte. Den verschwundenen Rentner sollte er erst einmal ausblenden.
Mechthild hoffte, auf diese Weise die Tatzeit enger eingrenzen zu können. Zumindest den Zeitpunkt, wann die Leiche hier abgelegt worden war.
Nach unzähligen Photos durch den Erkennungsdienst stieg von Sülzen in die Grube hinab. Mechthild Kayser und Kurt Roder traten an den Rand, nachdem sie sich bei den Beamten der Spurensicherung vergewissert hatten, ihre Arbeit damit nicht zu stören.
Von Sülzen sah in seinem weißen Overall mit den Schuhüberziehern und der Haube auf dem Kopf wie ein Vorarbeiter einer Großbäckerei aus, der gerade einen neuen Mehlsack mit einem Messer öffnen wollte. Aber nachdem er das relativ dicke Plastik des Sackes vorsichtig aufgeschlitzt hatte, ließ der ausströmende, leicht süßliche Leichengeruch dieses Bild sofort verblassen.
„Ein Vakuum!“ bemerkte von Sülzen. „Im Sack herrschte ein leichter Unterdruck. Man konnte es beim Öffnen hören.“
Eingeschweißt, dachte Mechthild. Wie bei einem Stück Fleisch im Gefrierschrank.
Von Sülzen stand nun einige Minuten über der Leiche und war offensichtlich am Nachdenken. „Gut! Soweit erst mal hier“, brach er sein andächtiges Schweigen und kündigte damit plötzlich das Ende seiner Arbeit am Tatort an. Er schob breite Kunststoffbänder unter den Sack mit der Leiche. Dann schloss er sie über ihm mit Ringen zusammen, und mit Hilfe der ED-Beamten wurde die Tote aus der Grube geborgen. Vorsichtig wurde sie in einen bereitstehenden weißen Kunststoffbehälter gelegt und dieser mit einem Deckel verschlossen. Zwei Mitarbeiter einer Transportfirma trugen den Behälter zu ihrem Fahrzeug.
Von Sülzen stieg aus der Grube und versprach Mechthild Kayser, noch heute mit der weiteren Untersuchung der Leiche fortzufahren.
„Und jetzt können Sie noch nichts sagen?“ fragte Mechthild erstaunt.
„Tut mir leid“, antwortete der Gerichtsmediziner. „Alles ein bisschen merkwürdig.“ Dann wandte er sich um und ging. Auf dem Weg zu seinem Fahrzeug entledigte er sich geübt der Schutzkleidung und verstaute sie in einem Beutel, bevor er losfuhr.
Mechthild blickte ihm fragend nach. Es gab natürlich auch ohne weitere Auskünfte des Gerichtsmediziners genug zu tun. KHK Roder erhielt von seiner Chefin den Auftrag, der Leichenöffnung als polizeilicher Zeuge beizuwohnen. Mechthild gab Ayse ein Zeichen, dass sie Roder den Schlüssel für ihren Dienstwagen geben sollte, und wies Roder weiter an, über die ersten verwertbaren Erkenntnisse noch heute auf einer Dienstbesprechung zu berichten.
Roder nickte wortkarg wie immer und machte sich auf den Weg zum Mercedes, blieb abrupt stehen und wandte sich Mechthild noch einmal zu. „Heller habe ich erreicht und instruiert. Er kommt anschließend, wenn er mit dem Makler gesprochen hat, hierher, um Sie und Ayse ins Präsidium zu fahren.“ Dann ging er eilig davon.
„Danke, Roder!“ rief ihm Mechthild noch hinterher. Er hat einen guten Überblick über die Abläufe, dachte sie. Und weiß immer, was wann zu tun ist. Wenn er nur nicht so mürrisch wäre, hätte man einen phantastischen Kollegen.
Ayse kehrte zu ihrer Chefin zurück und meldete, dass sie fürs Erste alles beisammen hätte und alle Anwesenden vorläufig entlassen wären. Sie warteten draußen vor dem Gebäude, da sie nach Abschluss der Tatortuntersuchung ihre Sachen weiter einladen wollten.
Mittlerweile hatte sich der Trupp des Erkennungsdienstes aufgeteilt. Zwei Beamte waren damit beschäftigt, Proben von Boden und Deckel der Grube und Vergleichsproben aus der Halle zu nehmen. Die anderen waren draußen rund um das Gebäude damit beschäftigt, das Areal nach möglicherweise doch noch vorhandenen Spuren oder Beweisstücken abzusuchen. Kollegialerweise halfen ihnen die verbliebenen Beamten der Schutzpolizei bei dieser undankbaren Aufgabe. Obwohl die Wahrscheinlichkeit gegen Null ging, etwas Relevantes für die Ermittlung zu finden, musste diese Arbeit gemacht werden. Schludrigkeit bei der Spurensicherung konnte für eine Ermittlung tödlich sein.
Mechthild Kayser hatte sich unterdessen auf einen Mauervorsprung in einer Ecke der Halle gesetzt und versuchte die ganze Szenerie auf sich wirken zu lassen. Die Halle, das Rolltor, die Grube.
Sie wollte sich eine Vorstellung vom Geschehen machen: Ein Fahrzeug fährt auf den Parkplatz vor der Halle oder gleich direkt hinein. Es ist ruhig hier, menschenleer bis auf den oder die Täter. Der Täter ... Halt! Es könnte auch eine Frau gewesen sein. Auszuschließen war das nicht. Also: Jemand dringt in die leere Halle ein, verbesserte sie sich. Das Rolltor ist vielleicht nie verschlossen. Kann sein, dass es dunkel war. Also brauchte der- oder diejenige Licht. Hatte er oder sie das Auto in die Halle gefahren und im Scheinwerferlicht sein Werk vollendet, oder hatte er oder sie Lampen mitgebracht? Der Sack mit der Leiche wird in die Grube gelegt. Die Grube wird mit Brettern verschlossen, und dann wird Zement zu einem Estrich angerührt und akkurat aufgetragen und glatt gestrichen. Waren es vielleicht doch eher mehrere Personen, die diese Arbeiten durchführten?
KK Heller kam in die Halle und holte Mechthild mit einem überflüssigen „Na, wie sieht’s aus?“ aus ihren Gedanken,.
„Schon fertig mit dem Makler?“ fragte sie.
Heller nickte. „Soll ich gleich oder später auf dem Meeting?“ fragte er.
„Wenn es nichts Außergewöhnliches ist, dann besser nachher mit allen anderen. Falls es aber eine heiße Spur gibt, dann bitte gleich“, antwortete Mechthild. Sie winkte Ayse zu sich, und zusammen mit Heller fuhren sie zurück ins Präsidium. Dort hielt jeder für sich seine bisherigen Ermittlungsergebnisse schriftlich fest, um sie auf der späteren Dienstbesprechung allen vorzutragen.
Mechthild setzte sich an ihren PC und ging die Vermisstenmeldungen der letzten Wochen durch. Das war eine Standardaufgabe bei unbekannten Toten. So gut wie möglich hatte sie sich das Gesicht der Toten eingeprägt und verglich ihre Erinnerung nun mit den in der bundesweit eingerichteten Vermisstendatei gespeicherten Photos. Blonde Frauen waren auch dabei, aber sie schienen ihr alle zu jung. Mechthild schätzte das Alter der Toten auf über vierzig. Aber sie konnte sich irren. Die Sicht durch den Plastiksack war nicht besonders gut gewesen. Sie würde die Suche noch einmal beginnen, wenn sie aus der Gerichtsmedizin weitere Identifizierungsmerkmale geliefert bekommen hatte. Jetzt brachte sie erst einmal ihre eigenen Notizen in einer geordneten Form zu Papier.
Zwischendurch rief sie die Staatsanwaltschaft an und teilte dem für Tötungsdelikte zuständigen Oberstaatsanwalt den Sachverhalt und den derzeitigen Stand der Ermittlungen mit. Der Oberstaatsanwalt kündigte an, dass er an der geplanten Dienstbesprechung teilzunehmen gedenke, und erwartete eine rechtzeitige Verständigung.
Dann schickte Mechthild dem Polizeipräsidenten, der, da die K-Leiter-stelle momentan unbesetzt war, im Augenblick auch kommissarischer Leiter der Kripo war, eine E-Mail über den Leichenfund und überließ es ihm, die anderen Kommissariate elektronisch per Hausnachrichten über den Fall zu informieren.