Название | Tales of Beatnik Glory, Band I-IV (Deutsche Edition) |
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Автор произведения | Ed Sanders |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862870998 |
Set 1, Platz A: der Schreihals. Er brachte das Ganze so richtig in Schwung. Carl Rothstein, frisch aus der Klapse entlassen, mit langem Pferdegesicht und Nickelbrille, das Haar glatt nach hinten gestriegelt, was ihm den richtigen Aldous-Huxley-Look verschaffte, deutete auf seine Elektroschocknarben und begann mit tiefer Stimme (die übrigens bei der offensichtlichen Jugend des Poeten etwas fehl am Platz schien): »Der gefräßige Verdauungsapparat von der Psychiatrischen Klinik in Shreveport hat mich erst vor Kurzem wieder ausgefurzt.« Dann riss er sich das Hemd vom Leib, dass die Knöpfe nur so zur Erde sprangen, und zeigte sein T-Shirt herum, auf das er mit krakeligen Buchstaben ICH WAR BUDDHA gemalt hatte. Schließlich fing er an:
Meine Mutter schenkte mir
einen Schlitten und sagte:
»Dort ist der Hügel.«
»Was für ein Hügel?«, erwiderte ich.
»Meinst du den Berg da drüben
mit den Abhängen und Schluchten?«
»Mach, dass du den Hügel runterkommst,
mein Sohn«, sprach sie und
verpasste mir einen raschen
fast möchte ich sagen rauen Schubs
mit ihrem Stiefel.
Und darauf folgte ein durchdringender Schrei, der offenbar illustrieren sollte, wie er mit dem Schlitten in die Tiefe stürzte, und der inklusive Atemholen mindestens fünf Minuten lang dauerte. Mann, konnte der schreien.
Als ihm endlich die Puste ausging und er wieder auf seinen Tisch zusteuerte, war das Publikum wie gelähmt; lumpige vier Fingerschnipser gaben dem allgemeinen Missfallen Ausdruck.
Unter den Zuhörern war auch ein Jazz-Fingerschnipper mit Baskenmütze, Oberlin-Sweatshirt, Sonnenbrille und einem schwarzen Seidenschal, den er im Nacken zusammengeknotet hatte. Etwa in der Mitte des Schreis hatte er angefangen, mit geschlossenen Augen verrückte abstrakte Rhythmen zu schnipsen, dazu wackelte er mit dem Kopf und wiegte den Oberkörper hin und her, seine Handgelenke zitterten, wie die eines Marakaspielers, und er flüsterte vor sich hin: »Hör dir das an!« und »Uuuuunglaublich!« — »Stark!« — »Leben!« — »Dhammapada, Mann.«
Nach dem Geschrei zog Jazz-Fingerschnipper eine Flasche Wein raus. An seinem Tisch saßen noch ein Mann und eine Frau mit zwei Kindern, offensichtlich eine Touristenfamilie. Er nahm einen Zug und gab die Flasche weiter an den Jüngsten der Familie. Der zögerte, schielte nach seinem Vater, zuckte die Achseln, nahm einen Schluck, bot sie seinem Vater und seiner Mutter an, die beide kein Wort rausbrachten, und gab sie dann zurück an Fingerschnippper. Die Mutter des Kleinen sah aus wie ein akuter Fall von Tollwut, das Weiße in ihren Augen flackerte auf und der Mund sackte ihr runter, als sie ihrem Sprössling mit der Faust drohte und zischte: »Wart nur, dafür sprechen wir uns noch!«
Set 1, Platz B: So wie er angezogen war, dunkler Anzug mit makellos geknüpfter, blauweiß getupfter Fliege, sah dieser Spezi aus, als könne er kein Wässerchen trüben; aber dann legte er los, in den zitternden Händen zerknautschte weiße Blätter, die er nervös umklammerte. »Das hier hat den Titel Nocturne Nummer 467« — lange Pause, dann ein tiefer pfeifender Atemzug:
Einsam in den Klöstern uns’ rer Sinne
steigen wir aus unsern Hosen
und wackeln mit den Ärschen ...
Ein frivoles Kichern unterbrach die Stille. Die Frau aus Des Moines packte ihren Mann, Sohn und ihre Tochter und zerrte sie mit sich: »Nichts wie raus hier, das ist ja Schweinerei!«
... während gelbe Erdferkel aus Jersey City
eindringen in die weiße
Unterwäsche des Schicksals
Noch ein Kichern. Und der Dichter fuhr fort. Der Vater schmiss seinen metallbeschlagenen Eisdielenhocker um. Der Anblick der flüchtenden Familie regte den Dichter so auf, dass er anfing zu stottern. Aber er riss sich zusammen und steckte sich erst mal eine Zigarette an, mitten im Gedicht. Nach dem metallischen Klick-Klack seines Zippo-Feuerzeugs folgte noch die flammende Rezitation von zwei religiösen Sonetten, und dann setzte er sich wieder hin.
Set 1, Platz C: Dieser Leser hatte das Publikum sofort auf seiner Seite, denn er war der erste offensichtlich echte Beatpoet. Die Armut stand ihm ins Gesicht geschrieben, ebenso sein Zen-Fanatismus und die verheerenden Auswirkungen von jahrelangen Tramp-Touren. Er bestand darauf, beim Lesen auf einen Stuhl zu steigen und knallte dabei mit dem Kopf gegen die niedrige Decke, blieb aber trotzdem da oben. Allerdings musste er den Kopf zur Seite biegen, um überhaupt unter die Decke zu passen. Seine Sandalen waren selbstgemacht; sie bestanden aus Stricken und Sohlen, die er sich aus einer alten Ledertasche zurechtgepfriemelt hatte. Er war echt komisch, zumindest war jeder im überfüllten Gaslight Café davon überzeugt. Zu diesem Zeitpunkt, als die Lesung grad erst in Gang kam, standen die Leute auf der McDougal zwanzig Meter Schlange und brannten drauf, reinzukommen. Natürlich rückten die Bullen an, und der Manager vom Gaslight machte bekannt, dass es verboten sei, Ausgangstüren und Mittelgänge zu blockieren und dass die Bullen schon mit der Feuerwehr gedroht hätten. Die Zuschauer wurden gezwungen, sich längs der Wandseiten hinzuhocken oder auf die Treppenstufen, die zu den Toiletten raufführten, weil alle Tische restlos überbesetzt waren. Er schmuggelte alle Fünf- und Zehn-Dollarscheine aus der Kasse sicher in seine Hosentasche, wo er schon ein dickes Geldbündel untergebracht hatte, und dachte nur noch: »Mensch, was für Kohle!«, während er gleichzeitig seine Kellnerin durch die Gegend hetzte und mit Sprüchen wie »Verkaufen! Verkaufen!«, »Lehn dich übern Tisch« oder »Knöpf dir die Bluse auf, betatsch die Kunden, mach, was du willst, aber verkauf!« anspornte.
»Dieses Gedicht heißt: Zehntausend Statuen von Walt Whitman auf Rollschuhen trampen durch Amerika.« Schon die Überschrift erntete das wildeste Gelächter des ganzen Abends. Seine Art zu lesen war ein klagender, monotoner Singsang, jedes Mal am Ende der Zeile sackte die Stimme ab wie bei einem vorbeirauschenden Laster.
Amerika! Wir kommen nicht ran an die Walnuss!
Amerika! Roboter mit Schuhen aus lebendiger Schlangenhaut klettern
von den TV-Tellern und machen sich über deine Zähne her!
Amerika! Du willst eine Kloake aus mir machen!
Ein neuer Spartakus wird aus dem mutierenden Abfallhaufen
in der Mum Deodorant Factory auferstehen, und dann
bist du erledigt, Amerika
(Erstes Lachen)
Amerika! Deine Hausierer von der Madison Avenue mit ihren eisgekühlten Achselhöhlen ...
(Gelächter übertönte den Rest der Zeile so, dass Cuthbert ihn nicht verstehen konnte.)
Amerika! Deine Hulareifen formieren sich zu einer Mandorla über der Final Sausage Factory!
Amerika! Porky Pig und Donald Duck haben den Bauch voller kaputter Glühbirnen, Amerika
Amerika! Die Atombombe will uns eine Gutenachtgeschichte erzählen
(Lautes Gelächter)
Fuck Fuck Fuck,
Amerika
(Schallendes Gelächter)
Bei jedem Lacher machte der Dichter gewissenhaft eine Pause. Manchmal ließ er sich auch anstecken und lachte