Unter fremdem Himmel. Roland E. Koch

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Название Unter fremdem Himmel
Автор произведения Roland E. Koch
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783943941371



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      Roland E. Koch

      Unter fremdem Himmel

      Roland E. Koch

      Unter fremdem Himmel

      Roman

      Dieses Buch entstand mit finanzieller Unterstützung der

      Die Arbeit an diesem Roman wurde durch ein Arbeitsstipendium des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.

      Bibliografische Information der Deutschen

      Nationalbibliothek

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über >http://dnb.ddb.de< abrufbar.

      ISBN 978-3-937717-46-3

      eISBN 978-3-943941-37-1

      © Dittrich Verlag GmbH, Berlin 2010

      Lektorat: Bettina Hesse

      Umschlaggestaltung: Guido Klütsch

       www.dittrich-verlag.de

      1

      Das erste Haus, in dem ich in Deutschland wohnte, war das schönste. Es war nur ein Feldhaus, wie es genannt wird, eine niedrige Hütte aus Bruchsteinen, in der ich kaum aufrecht stehen konnte. Niemand weiß, wozu diese Häuser gebaut wurden, sie liegen mitten zwischen den Feldern, wie aufgegeben von einem Zwergenvolk, das längst weitergezogen ist. Das Land, in das ich kam, hieß Niedersachsen, und ich stellte mir zuerst vor, dass dieser Name etwas mit den geduckten Häusern zu tun hatte. Das ist jetzt ein Jahr her.

      Das Haus lag am Rande eines Moors, hatte keine Fenster, nur Luken, ein enger Raum, der Fußboden aus gestampftem Lehm, eine Bank, ein Tisch, wie geschaffen für mich. Wir waren mehrere Nächte gefahren, hatten uns tagsüber versteckt, und ich schlief sofort auf der Bank ein. Die anderen hatte ich schon verloren, vielleicht glaubten sie, etwas Besseres finden zu können.

      Erst am Morgen sah ich das Haus wirklich. Die Luft war nicht kalt, die Sonne schien, es stank überall, wahrscheinlich hatten sie gerade Dünger gefahren. Ich musste mich wieder verstecken. Ich hatte nichts zu essen oder zu trinken, aber ich war froh, hier zu sein, die Märzsonne zu sehen, ich beobachtete durch meine Luke die Vögel, es war einsam, und niemand konnte mich finden. Am Abend musste ich mir Wasser und Vorräte besorgen.

      Später lachte ich über meine Dummheit, ich hätte gleich in die nächste Stadt gehen können, keiner hätte mir etwas getan, ich wäre kaum aufgefallen, dort lebten nicht meine Feinde. Aber es war gut, dass ich erst später in die Stadt kam.

      Warum fühlte ich mich so heiter? Ich sah nichts von der Gefahr und spürte keine Angst, ich hatte tagelang keine Toilette benutzen oder mich waschen können, ich war durstig und hungrig. Nachts konnte es sehr kalt werden. All das nahm ich nicht wahr. Ich sah nur an einem Silo vorbei einen Weg, der nie aufzuhören schien. Unbedingt wollte ich diesen Weg gehen, ich hatte eine solche Sehnsucht nach dem Feldweg durch das flache Land, dass ich mich fast nicht bezähmen konnte. Meine Uhr besaß ich noch, und kaum war es sechs, aber noch nicht dunkel, lief ich los. Auf diesem endlosen Weg vergaß ich, woher ich kam, was ich gesehen hatte. Ich war ein Mann über vierzig, noch nicht zu alt, gerade hier angekommen, ich konnte mich durchschlagen.

      Ich fror in meiner Jeans und den Turnschuhen. Die silbrige Jacke, die ich anhatte, wärmte nicht, stattdessen reflektierte sie, und ich nahm mir vor, eine andere zu besorgen. Es wurde nicht dunkel, ein paar Vögel sangen, es war, als hörte ich eine Lerche ganz weit oben, aber konnte das im März sein? Ich ging weiter, auf dem unendlichen Weg, die Felder standen unter Wasser, es musste viel geregnet haben, und meine Füße wurden nass.

      Diesen ersten Abend werde ich nie vergessen, ich war so naiv, hoffnungsvoll und glücklich, weil ich frei war. Ich fand eine Weide mit Schafen, schon von Weitem sah ich die hellen Wollfäden im Stacheldraht leuchten und fühlte mich ein wenig zu Hause. Ich kletterte über den Zaun und lockte die Schafe an. Sie hatten zwei Lämmer dabei, die frisch geboren aussahen und kaum stehen konnten, war das nicht ungewöhnlich früh? Sie würden frieren. Ich hielt eins der Mutterschafe fest und rieb mich an seinem Fell, wärmte meine Hände und roch daran, als wollte ich mich verwandeln, bei ihnen bleiben. Ich bedankte mich bei dem Schaf für meine Rettung.

      Bis zum Dunkelwerden lief ich, ohne jemandem zu begegnen, geriet ins Moor und kehrte um, die Bewegung hatte mir gutgetan. Ich fand einen Tankwagen mit Wasser für die Schafe und trank gierig, soviel ich konnte, wusch mir die Hände und das Gesicht. Ich nahm etwas Heu und kaute darauf herum, ja ich war kurz davor, dort zu bleiben, um nicht allein zu sein.

      Dann lief ich zurück, voller Hoffnung, dass am nächsten Tag alles besser würde, den Weg fand ich sofort, ich war ja einfach nur geradeaus gegangen und beschloss, noch eine Nacht in dem Feldhaus zu bleiben.

      Es war eine klare Nacht, überall raschelte es, die Vögel bewegten sich und andere kleine Tiere, ich litt unter dem Hunger, die Kälte hinderte mich am Schlafen, aber mich beschäftigte etwas anderes. Ich versuchte, nicht an die Vergangenheit und nicht an die Zukunft zu denken, nur da zu sein. Allmählich lösten sich die Bauchschmerzen auf in ein Gefühl zu existieren, ohne Angst, ohne Sorge. Durch meine Luke sah ich die Sterne, und ich wünschte mir in dieser Nacht etwas immer wieder. Ich glaube, es ist nicht eingetreten, aber es war trotzdem die schönste Nacht, die ich nach meiner Ankunft erlebt habe.

      Als es dämmerte, stand ich auf, ich musste etwas zu essen finden und suchte einen Bauernhof, wo ich mich aufwärmen durfte. Ich hatte ja Deutsch gelernt, sprach es sogar gut, und ich versuchte, mich an die Kurse und an meine Lehrerin zu erinnern, aber es war nur eine tiefe leere Stelle zu spüren.

      Ich muss schrecklich ausgesehen haben, schmutzig und unrasiert, jedenfalls machten sie mir beim ersten Bauernhof nicht auf. Aber ich hatte nicht weit weg ein Dorf oder eine Stadt gesehen. Ich konnte sogar einen grauen Kirchturm aus Beton erkennen, daran orientierte ich mich. Bei einem Pfarrer musste man etwas zu essen bekommen.

      Der Weg war länger, als ich gedacht hatte, und die Stadt erschien mir seltsam. Ich kam an vielen neuen Häusern vorbei, mit kleinen Gärten und Holzhütten darin, als habe man Feldhäuser nun aus Holz gebaut. Die Häuser sahen unterschiedlich aus, aber doch so neu und sauber und gerade, dass sie sich ähnelten. Ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten.

      Überall stiegen Leute in ihre Autos und fuhren los. Die Straßen waren gerade und gefegt, es gab eine Menge größerer Gebäude und Geschäfte. Entlang einer Straße und vor einem Bahndamm waren nebeneinander drei Supermärkte mit großen Parkplätzen und eine Tankstelle aufgereiht.

      Die Kirche war nicht hoch und schön, eher grau und gedrungen, wie ein Klotz oder Bunker, der Beton schmutzig und hässlich, und ich dachte darüber nach, warum sie wohl eine solche Kirche gebaut hatten. Sie war abgeschlossen, aber ich fand den Eingang zur Wohnung des Pfarrers und klingelte. Eine junge Frau öffnete und sah mich an. Sie hatte einen blonden Jungen an der Hand, trat mit ihm aus der Tür, ließ sie zufallen und ging auf die Straße. Ich klingelte wieder. Der Pfarrer blinzelte, als würde ich ihn blenden, aber diesmal brachte ich meine Bitte vor, und er konnte die Tür schlecht wieder zumachen. Er zuckte mit den Schultern und schickte mich zu einem Gebäude, das an die Kirche angebaut war. Ich wartete, und er gab mir ein Brötchen, das wohl das Kind angebissen und liegengelassen hatte.

      In dem Gebäude war ein älterer Mann damit beschäftigt, Kisten auszupacken, die alles enthielten, von dem ich nur träumen konnte, Obst, Brot, Konserven, Flaschen, er murmelte etwas und ließ mich nehmen, was ich brauchte.

      Es ist gar nicht schwer, sich durchzuschlagen, dachte ich, ich nahm zwei Plastiktüten voller Lebensmittel mit, der Mann sagte, es könnte alles alt und verdorben sein, aber das störte