Название | Ein herrlicher Ort für das Unglück |
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Автор произведения | Damir Karakaš |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783943941531 |
Ich nehme die Taschenlampe, betrete die Toilette, leuchte auf die Kloschüssel und pisse.
In der Zwischenzeit hat Maud einen Joint gedreht.
Wir rauchen, wir trinken Wein, wir küssen uns.
Ich ziehe ihr das Hemd aus und lecke an den Brüsten. Ihre Brustwarzen sind mit Schmuck verziert und rot, als fingen sie gerade an zu bluten. Der Geschmack ihrer gepflegten, betörend nach Kamille duftenden Haut, der erregten Brustwarzen und des kalten Metalls törnt mich gefährlich an.
Als ich meine Hand zwischen ihre Schenkel schiebe, sagt sie leise: »Lass sein, ich bin nicht gut drauf.«
Ich seufze unmerklich, verstecke meinen Ärger und küsse sie weiter zärtlich auf den Hals, auf die Wangen.
Etwas später langt sie mit einem Arm über mich, um eine CD einzulegen.
Irgendwelcher Jazz.
Ich muss an Morana denken.
Wir haben ein paarmal in engen Clubs am Châtelet Jazz gehört. Alles war in Ordnung, bis die Musiker auf der Bühne begannen, mehr Spaß zu haben als ich und vor lauter Vergnügen in Trance verfielen. Das ist es, was mich bei Jazz immer ein wenig nervt. Ich bezahle Geld für die Eintrittskarte, doch je weiter das Konzert voranschreitet, desto mehr liegt das Vergnügen auf Seiten der Musiker. Man fühlt sich irgendwie betrogen.
»Wie gefällt es dir?«, fragt sie mich.
»Ganz okay.«
»Magst du Jazz?«
»Manchmal«, sage ich. »Ich glaube, Jazz ist besser, wenn man ihn spielt, als wenn man ihn hört.«
»Mein Vater hasst Jazz«, sagt sie. »Er behauptet, Jazz sei ein Sport.«
»Was hört er denn so?«
»Nichts.«
Ich zucke mit den Schultern.
Mein Vater mochte auch keine Musik.
Immer, wenn er ins Haus kam, stellte er das Radio leiser.
Ich konnte diese Art Menschen noch nie verstehen.
Zum zehnten Geburtstag schenkte er mir sein Fahrrad und sagte, dass es auch weiterhin sein Fahrrad bleiben würde.
Mein Vater?
Mir wird schlecht, wenn ich an ihn denke.
Kurze Zeit später dreht Maud einen neuen Joint.
Wir rauchen ihn und liegen umarmt unter warmen Decken, hören Jazz. Maud schläft ein, aber ich kann nicht, wahrscheinlich wegen all dieser Tiere.
Ihre Augen leuchten im Dunkeln.
Ich habe Angst, dass sie ins Bett kommen.
Katzen und Hunde gehen noch, aber Leguane? Die kenne ich nicht, ich weiß nicht, was man im Bett von ihnen zu erwarten hat.
Ich stehe auf und laufe durch die Wohnung.
Die Tiere schlafen jetzt: Nur Samson beobachtet mich von seiner Liegestätte mitten in der Wohnung aus und wedelt mit dem Schwanz. Ich streichle ihn hinter den Ohren, weiß nicht, was ich sonst tun soll, und gehe in ein anderes Zimmer.
Es ist schrecklich stickig. Kaum schaffe ich es, das verrammelte Fenster zu öffnen, dann versinke ich in einem roten Sessel.
Auf einem Holzregal neben meinem Kopf stehen Bücher in drei Reihen. Ich lege den Kopf zur Seite und lese die Buchrücken: Voltaire, Rousseau, T. S. Eliot, Rimbaud, Edgar Allan Poe, Virginia Woolf, einige Bücher über Filme, etwas über die Malerei des Mittelalters.
An der Wand hängt ein Poster mit Virginia Woolf.
Ich weiß nicht, warum Menschen Poster mit Personen an ihre Wände heften, die sich umgebracht haben. Ich könnte das nicht, es macht mir Angst. Deshalb nehme ich einen Roman von Nina Berberowa in die Hand, nur um nicht mehr an Virginia Woolf denken zu müssen. Ich blättere darin und versuche mir vorzustellen, wie ich meinen eigenen Roman in Händen halte, noch druckfrisch, gerade in einem prestigeträchtigen, französischen Verlag erschienen.
Darauf steht: »UN FORMIDABLE ENDROIT POUR LE MALHEUR.«
Ich stehe auf und gehe zurück zu Maud, die fest schläft. Dort, wo bis vor Kurzem ich gelegen habe, liegt nun Samson. Ich will nicht zurück ins Bett, weiß nicht, wohin mit mir, will in drei Richtungen auf einmal gehen.
Schließlich gehe ich auf die Toilette.
Da sitze ich nun auf dem Klodeckel und warte darauf, dass Maud aufwacht. Ich frage mich, ob ich hier leben könnte, in Gesellschaft all dieser Tiere, aber besser hier als in der Wohnung von Hristo, in der es kein Klo gibt und in der wir in Plastiktüten scheißen müssen: Wir werfen sie heimlich in die Mülleimer auf der Straße.
Ich erinnere mich an die unangenehmen Tage, nachdem ich mich von Morana getrennt und sie mich aus ihrer Wohnung geschmissen hatte; ich hatte keinen Ort, an dem ich schlafen konnte, aber es ging irgendwie, da der Winter noch nicht eingesetzt hatte.
Hristo hat mir erzählt, dass jedes Jahr in den Wintermonaten Tausende von Obdachlosen auf den Pariser Straßen sterben. Er hat mir von den Gitterrosten über der Metro erzählt, durch die warme Luft nach oben strömt und wo sich Obdachlose in Scharen versammeln. Es sei schwierig, dort einen freien Platz zu finden.
Ich bin auf dem Klodeckel eingenickt. Ich wache wieder auf, pisse in die Kloschüssel und verfehle sie ein wenig. Ich finde einen Putzlappen, hocke mich hin und beginne zu wischen.
Dann höre ich Maud, sie lacht. Ich wische den Boden sauber und höre durch die Wände, wie sie lacht.
Vielleicht sieht sie mich und lacht, vielleicht ist sie eine Hexe, vielleicht kann sie durch Wände sehen.
Ich spitze die Ohren, jetzt höre ich etwas besser.
Dann stehe ich auf, gehe mit leisen Schritten zur Tür und verlasse die Toilette.
Ja … Das ist kein Lachen mehr – sie weint, ich habe mich nicht geirrt. Sie schluchzt laut.
Nachdem ich Samson vorsichtig zur Seite geschoben habe, setze ich mich verwirrt neben Maud.
Ich frage leise: »Was ist passiert? Maud … Was ist mit dir?«
»Ich werde verrückt«, schluchzt sie. »Ich werde verrückt.«
Sie legt die Hände vors Gesicht, heult heftig los.
»Ich bin verrückt«, weint sie und schreit: »Ich bin verrückt!«
»Maud«, sage ich, umarme sie und schlucke meine zähe Spucke herunter.
Ich flüstere: »Beruhige dich doch, alles wird gut. Beruhige dich.«
Nach einiger Zeit beruhigt sie sich endlich.
Sie schaut mich an, ihr Gesicht wirkt zerknittert und ist nass.
»Entschuldige«, sagt sie. »Gestern habe ich mich den ganzen Tag schlecht gefühlt.«
»Das kommt vom Wetter«, sage ich. »Mir geht es genauso. Wenn es regnet, geht es mir auch schlecht.«
Dann fällt mir ein, dass es gestern sonnig war.
Ich schaue nach draußen. Die Sonne scheint wie noch nie.
»Beruhige dich, alles ist in Ordnung«, flüstere ich.
Sie umarmt mich fester.
Wir liegen umarmt in der Stille – wortlos.
Neugierig beobachten uns von allen Seiten die Tiere.
»Sollen wir etwas frühstücken?«, frage ich. »Möchtest du, dass ich Croissants hole?«
»Gerne«, sagt sie kaum hörbar. »Merci.«
Ich entziehe mich ihrer Umarmung, schlüpfe in die Schuhe und gehe zur Bäckerei.
Ich