Название | Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman |
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Автор произведения | Tessa Hofreiter |
Жанр | Языкознание |
Серия | Der neue Landdoktor |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740980672 |
»Ja, allerdings. Ich hoffe, du hast dich bei diesem Missgeschick nicht doch verletzt.«
»Nein, mir geht es gut, was das betrifft«, sagte sie und setzte sich neben ihn auf die Bank.
»Wir können hier draußen reden, wenn du möchtest. Mein Vater ist nach Salzburg zu einem Kongress gefahren, und Traudel ist mit Emilia zum Einkaufen in der Stadt, es wird niemand etwas von unserem Gespräch mitbekommen.«
»Also gut.« Ines gab sich einen innerlichen Ruck und erzählte Sebastian, worüber sie sich so viele Gedanken machte. »Was ist?«, fragte sie, als sie ihm alles gesagt hatte und er sie nachdenklich betrachtete, ohne einen einzigen Kommentar abzugeben.
»Ich würde gern etwas ausprobieren. Das setzt allerdings voraus, dass du mir vertraust, und zwar absolut, sonst wird es nicht funktionieren.«
»Ich vertraue dir, Sebastian.«
»Gut, dann fahren wir zum See.«
»Aber ich muss nicht ins Wasser springen oder so etwas?«
»Nein, das musst du nicht«, sagte Sebastian und hielt ihr die Beifahrertür seines Geländewagens auf. Er war sicher, dass ein bestimmtes Ereignis diese Angst bei Ines ausgelöst hatte, an das sie sich aber nicht mehr erinnern konnte oder wollte. Sie musste sich aber daran erinnern, wenn sie die Angst loswerden wollte.
Am See angekommen parkte er den Wagen am Uferweg und führte Ines zu einer kleinen Bucht, in der sie durch die Bäume und das hohe Schilf vor neugierigen Blicken geschützt waren.
»Zieh deine Schuhe aus, schließe die Augen und gehe ein paar Schritte ins Wasser hinein«, forderte Sebastian sie auf, als sie nebeneinander am Ufer standen.
»Mit geschlossenen Augen ins Wasser?«
»Du hast gesagt, du vertraust mir.«
»Ja, ich weiß.« Auch wenn es ihr widerstrebte, tat sie, was er von ihr verlangte.
»Und jetzt achte nur auf das Wasser, wie es dich umspült, wie es dich wärmt, alles ist gut, du musst nicht mehr nachdenken.« Er ließ ihr Zeit und sprach weiter beruhigend auf sie ein, bis er sah, dass sie sich entspannte. »Wie fühlst du dich?«, fragte Sebastian, der ganz dicht hinter ihr stand und sie beobachtete.
»Ich habe Angst.«
»Wovor?«
»Ich weiß nicht.«
»Geh noch einen Schritt weiter.«
»Nein.«
»Ich bin bei dir, es kann dir nichts passieren.«
»Das hat Miri auch gesagt.«
»Was hat Miri gesagt?«
»Das mir nichts passieren kann, aber dann….«
»Dann was?«
»Sie legt sich neben mich auf die Luftmatratze, die Matratze kippt um, ich schlucke Wasser, ich habe Angst, Miri zieht mich wieder hoch, schreit mich an, dass ich niemandem etwas sagen darf. Aber ich habe Angst, so große Angst.«
»Es ist alle gut, Ines. Öffne die Augen«, forderte Sebastian sie auf, als sie plötzlich nach Luft rang. »Du bist in Sicherheit«, sagte er und legte seine Hände auf ihre Schultern, bis sie sich wieder gefangen hatte. »Woran erinnerst du dich noch?«, fragte er, als sie sich noch immer ein wenig verstört auf einen umgestürzten Baumstamm setzte, der am Ufer im Gras lag.
»Wir waren mit Tante Carola am See. Sie musste kurz ins Sägewerk, Miri sollte auf mich aufpassen. Die Luftmatratze war für mich tabu, weil ich noch nicht schwimmen konnte. Aber ich wollte sie unbedingt ausprobieren, und Miri hat sich überreden lassen. Sie hat mich ein Stück hinaus auf den See geschoben, sie konnte ja schon gut schwimmen, und dann wollte sie sich neben mich legen, dabei sind wir wohl umgekippt. Sie hat mich angeschrien, niemandem etwas davon zu sagen, weil sie keinen Ärger bekommen wollte, und ich habe geschwiegen, weil ich wusste, dass ich etwas getan hatte, was mir eigentlich verboten war.«
»Wie alt wart ihr damals?«
»Ich war noch im a, und Miri war vielleicht zehn oder elf. Ich weiß es nicht mehr. Ich hatte das Alles doch komplett vergessen. Aber wie kann das sein, Sebastian, und wieso weiß ich es jetzt wieder?«
»Du hattest damals Todesangst und konntest mit niemandem darüber reden, weil du Miri schützen wolltest, und mit dem Vergessen hast du dich dann selbst geschützt. Manchmal hilft es, sich einfach zu entspannen und sich einer ähnlichen Situation auszusetzen. Düfte, Geräusche, Berührungen, das sind mächtige Verbündete, wenn es darum geht, sich an etwas erinnern zu wollen.«
»Gestern, als Marc mich aus dem Wasser zog, glaubte ich, ich hätte so etwas schon mal erlebt, aber der Gedanke verschwand schnell wieder.«
»Gestern hattest du erst einmal mit deinem aktuellen Schockzustand zu tun. Aber natürlich hat dieses Erlebnis dazu beigetragen, dass du dich wieder erinnern kannst.«
»Danke, Sebastian.«
»Ich bin froh, dass es funktioniert hat. Und jetzt solltest du so schnell wie möglich schwimmen lernen, damit du deiner Angst etwas entgegenzusetzen hast. Sie ist noch immer da, weißt du, aber da du nun ihre Ursache kennst, kannst du sie besiegen. Vielleicht sprichst du mit Hannes Körner.«
»Du meinst den jungen Mann, der im Schwimmbad in der Nachbargemeinde den Kindern Schwimmunterricht gibt?«
»Er unterrichtet auch Erwachsene, sprich mit ihm, aber sage ihm genau, worum es geht. Du bist nicht die erste, die ich wegen dieses Problems zu ihm schicke.«
»Echt? Es gibt noch andere, die sich vor dem Wasser fürchten?«
»Ja, die gibt es«, antwortete Sebastian lächelnd.
»Gut, ich rufe ihn noch heute an. Aber bitte, erzähle Marc nichts davon. Sobald ich die ersten Schwimmzüge beherrsche, werde ich es ihm selbst gestehen.«
»Du hast mein Wort. Musst du heute noch ins Büro.«
»Unbedingt, ich habe noch einiges wegen der Ausstellung zu regeln.«
»Gut, dann fahre ich dich.«
»Wie kann ich dir für diese Therapiestunde danken, Sebastian?«
»Werde glücklich mit Marc.«
»Dafür werde ich alles tun«, versicherte sie ihm.
*
Als Ines wieder im Büro war, rief sie Hannes Körner an. Nachdem sie ihm ihr Problem geschildert hatte, schlug er vor, den Schwimmunterricht in den See zu verlegen, um ihr die Angst vor offenen Gewässern zu nehmen. Sie stimmte ihm auch sofort zu, und als er ihr anbot, noch am selben Abend mit dem Unterricht zu beginnen, war sie einverstanden. Danach rief sie noch einmal Sebastian an und erzählte ihm, dass sie die Sache umgehend angehen würde.
Da Hannes bis sieben Uhr im Schwimmbad beschäftigt war, hatten sie ausgemacht, sich um halb acht am See zu treffen. Als sie aus dem Büro nach Hause kam, machte sie sich auf die Suche nach dem Badeanzug, den sie sich vor einigen Jahren gekauft hatte, für alle Fälle, falls es ihr doch einmal einfiel, schwimmen zu lernen. Kurz vor sieben gab sie die Suche auf. Der Badeanzug war nicht mehr aufzufinden. Sie bildete sich ein, dass sie ihn im Keller in einem Regal neben der Waschmaschine abgelegt hatte. Vermutlich war er irgendwann aus Versehen in den Sack für die Altkleidersammlung geraten. Ihren Großvater konnte sie auch nicht danach fragen, er hatte ihr am Morgen verkündet, dass er für ein paar Tage zu Agnes nach München fahren würde und war auch gleich aufgebrochen, und außerdem würde er sich kaum an ihren Badeanzug erinnern. Jetzt konnte nur noch Miri helfen. Während sie aus dem hübsch bemalten Bauernschrank unten in der Diele, in dem sie und Korbinian Handtücher und Bettwäsche aufbewahrten, ein Badehandtuch heraussuchte, rief sie Miriam auf ihrem Handy an.
»Cousinchen, was kann ich für dich tun?«, meldete sie sich auch gleich.
»Könntest du mir einen Badeanzug leihen?«
»Tut