Название | Mudlake - Willkommen in der Hölle |
---|---|
Автор произведения | M.H. Steinmetz |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783961881437 |
»Ich weiß, was in dir vorgeht«, sprach Ruth unbeeindruckt weiter. »Hör auf meine Worte, behalt’s für dich, und wenn dir das Glück hold ist, zieh’s durch.« Vivian schluckte. Ihr war die Frau unbehaglich. In ihren Erinnerungen war sie schon immer alt gewesen. Selbst Dad wusste nicht, wie alt sie wirklich war. Dazu der penetrante Gestank nach Mottenkugeln und etwas Süßlichem, eben so, wie alte Leute manchmal rochen. Fröstelnd rieb sie sich die Arme. »Keine Ahnung, was du mir damit sagen willst, Ruth …«
Die Alte kam ihr nah, unterschritt deutlich Vivians Wohlfühldistanz, was ihr unangenehm vorkam. Ihr Ärmchen kam nach oben, ihr dürrer Finger tippte gegen Vivians Brust. »Die Hitze der Jugend, Kindchen, die Hitze der Jugend …« Sie räusperte sich, fing an zu würgen und schluckte einen Brocken hinunter. Um was es sich handelte, wollte sich Vivian auf keinen Fall vorstellen. Ihr Finger drückte weiterhin in Vivians Oberkörper. Sie war erstaunt darüber, wie hart und lang ihre Fingernägel waren. Und spitz genug, um sie an Krallen zu erinnern. »Ich war ein blutjunges und naives Ding wie du, als sie nach dem Krieg zu uns kamen …« Ruth lachte krächzend. »Hab meine Unschuld an die Dämonen des Südens verloren …«
Vivian dachte an ihren Vater und Vietnam. Diesen Krieg konnte sie unmöglich meinen, denn nach Vietnam waren kaum Leute hierher gekommen. Ruth sprach oft von den Dämonen des Südens, die Purgatory heimgesucht und alles ins Schlechte verkehrt hatten. Sie behauptete sogar, dass der Boden nur deswegen schwarz sei, weil er vom Bösen verdorben sei. Was sollte man sagen, Ruth war eben verrückt.
»Sie haben ihre Verderbtheit in uns eingepflanzt wie missgestaltete Föten … und wir sind dumm genug gewesen, sie auszutragen.« Die alte Ruth berührte Vivians Wange. »Du bist anders, Kindchen, erinnerst mich an deine Mutter … Lass dich nicht von ihnen benutzen, wie sie es mit uns taten …« Ruth ließ von ihr ab und schlurfte weiter ihres Weges, drehte sich aber nach einigen Schritte noch einmal zu ihr um. »Wenn du reden willst, sprich nur mit mir und niemandem sonst … nur mit mir, hörst du, Kindchen?«
Damit ließ die alte Frau Vivian stehen, die ihr entgeistert nachstarrte. Sie war froh, dass Ruth weiterging. Dennoch hätte sie gerne gewusst, was diese Anspielung zu bedeuten hatte. Ruth Dickson war eine Außenseiterin, die am Stadtrand in einem Wäldchen eine heruntergekommene Hütte bewohnte. Sie hatte niemanden, der sich um sie kümmerte, und kam nur selten in die Stadt.
Ist sie wegen mir gekommen? Um mir das zu sagen?
Vivian dachte mit Schaudern an den letzten Sonntag zurück. Der Prediger hatte die alte Frau während der Messe vor der versammelten Gemeinde gedemütigt. »Ungläubige Hexe« hatte er sie genannt und dafür eine Menge Zustimmung geerntet. Es war wirklich besser, sich von ihr fernzuhalten, um nicht in ihr schlechtes Licht gerückt zu werden.
Trotz der Sommerhitze war ihr plötzlich kalt. »Verrückte Alte«, murmelte sie und ging in den Laden zurück, um ihrer Arbeit nachzugehen.
52 Knoten
30. Oktober – Irgendwo in Iowa
Ein eisiger Wind heulte über die endlosen Weiten der Plains, trocknete den flockigen Schweiß auf den Flanken der gehetzten Pferde. Über den Himmel zogen düstere, regenschwere Wolken. Ein Unwetter kündigte sich an. Al Swearengen lief der Schweiß in den Nacken, brannte auf seiner wunden, aufgeschürften Haut. Gehetzt zügelte der Mann mit dem eisigen Blick sein Pferd und blickte sich um, suchte den Horizont hinter ihnen nach Staubwolken oder Bewegungen ab, die ihre Verfolger verraten würden. Er konnte nichts dergleichen entdecken, er wusste lediglich, dass sie da waren. Dass die Jäger nun die Gejagten waren.
Das Blatt hatte sich gewendet, nachdem sich Cole Younger und die James-Brüder an der Stompers Lodge von ihnen getrennt hatten, um in Kansas ihr eigenes Ding zu drehen. Die Bushwhackers gerieten in Ray County, Missouri in einen Hinterhalt. Eine hastig zusammengestellte Miliz unter Oberst Samuel P. Cox hatte ihnen in einem Talkessel zwischen Büschen kauernd und auf Bäumen sitzend aufgelauert und ohne Warnung das Feuer eröffnet. Endlich konnten sich die Bürger an den Schlächtern von Lawrence und Centralia rächen. Und sie hatten nicht vor, Gefangene machen. Sie wollten töten.
Die Dämonen des Massakers wurden selbst massakriert …
Es ging alles furchtbar schnell. Die Bushwhackers kämpften mit den Zügeln zwischen den Zähnen, einen Revolver in jeder Hand, und schossen wild um sich. Waren die Waffen leer, warfen sie diese weg und zogen neue. Dennoch hatten sie nicht den Hauch einer Chance. Sie fielen reihenweise den Kugeln des wütenden Mobs zum Opfer. In einem Inferno aus panisch schreienden Pferden, aufgewirbeltem Staub und Pulverdampf lagen bald dreihundert Reiter blutend und sich vor Schmerzen windend im kackbraunen Missouri-Dreck. Swearengen hatte sie von den Hügeln steigen sehen, um den Verletzten mit Knüppeln und Steinen die Schädel einzuschlagen, meist auch alle anderen Knochen im Leib. Der Hass steigerte sich zu einem Rausch, der menschlichen Matsch gebar. Endlich konnten sie den Bushwhackers das heimzahlen, was die ihren Familien angetan hatten.
Viel später, sie hatten das vom Pulverdampf geschwängerte Schlachtfeld längst hinter sich gelassen, dachte Swearengen oft darüber nach, was letztendlich den Unterschied zwischen den Grausamkeiten der Bürger und denen der Bushwhackers ausmachte. Er fand darauf keine Antwort, weil es keinen Unterschied gab. Die Kriegsmaschine hatte ihre Menschlichkeit zu feinem Staub zermahlen, den der Wind in alle Himmelsrichtungen verwehte.
Im Getümmel des Gefechts hatte er gesehen, wie Bloody Bill Anderson getroffen wurde und stürzte. Kurz entschlossen sprang er vom Pferd und nutzte den staubigen Nebel, der Freund mit Feind verschmelzen ließ, um ihn auf ein anderes Pferd zu ziehen. Im Dunst verwandelten sie sich in geisterhafte Schemen. Nur eine Handvoll Männer entkamen dem Zorn Gottes, der in apokalyptischer Form auf sie niedergegangen war.
Was aus dem Staub ersteht, zerfällt zu Staub …
Jetzt ritt er zusammen mit Jack McCall und dem schwer verletzten Bloody Bill Anderson nach Norden, tief hinein ins verhasste Land der Yankees. Ein anderer Ausweg hatte sich ihnen nie geboten.
Eins war jedenfalls sicher: Bloody Bill würde sterben. Das Blei steckte wie ein abgebrochener Stachel in seinem harten Schädel. Es grenzte an ein Wunder, dass die Kugel den Knochen nicht gänzlich durchschlagen hatte. Anderson spuckte Blut und redete eine Menge wirres Zeug. Dennoch hielt er sich im Sattel. Für den harten Mann war die Wunde kaum mehr als ein lästiger Kratzer.
Die Cox-Miliz folgte ihnen dicht auf den Fersen. Swearengen schlug vor, nach Norden zu reiten. Dort gab es weite, gesetzlose Landstriche, in denen man nicht nach ihnen suchen würde. In den Black Hills hatte man Gold gefunden. Swearengen fand, dass es keinen besseren Platz gab, um unterzutauchen und nebenbei eine Menge Geld zu machen. Das brauchten sie dringend, um ihren Standard zu halten, wie er meinte. Nicht wie die im Dreck wühlenden Goldsucher, die tagein, tagaus bis zu den Hüften im Schlamm standen. Al Swearengen hatte vor, das erbeutete Geld aus dem Centralia-Zug in einen Saloon zu investieren. Alkohol, Nutten und Spiele liefen immer, ganz gleich, wie dreckig es den Menschen ging. Was er vorhatte, sollte größer werden. Er wollte seinen Traum von einem Varieté Theater verwirklichen.
Bloody Bill hob die Hand und stoppte sein Pferd. Er schwankte im Sattel, drohte zu stürzen, fing sich aber, bevor er gänzlich das Gleichgewicht verlor. Anderson spuckte einen Klumpen geronnenes Blut in den Staub und sah sich zu seinen beiden Begleitern um. »Ab hier trennen sich unsere Wege.«
Swearengens Pferd schnaubte, schüttelte sich unter dem kalten Wind. Er strich sich über seinen buschigen Schnauzbart, warf McCall einen fragenden Blick zu und sah zu Bloody Bill. »Dachte, wir reiten zusammen in die Black Hills, bauen uns was auf …«
McCall nickte. »Ja, Mann. Oder wir jagen Indianer. Die verdammten Skalps an unseren Sätteln sind trocken. Zudem zahlen ’ne Menge Leute harte Dollars für Rothautschöpfe.« Was er meinte, waren die Skalps der Unionssoldaten, die sie