Название | Mudlake - Willkommen in der Hölle |
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Автор произведения | M.H. Steinmetz |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783961881437 |
Zeigt ihm wohl den Weg zur Tankstelle der Carlin-Brüder, dachte Vivian und schnaufte schwer. Die lag ein Stück weiter die Straße runter, gleich neben der Kirche. Während der Laden den Anfang des Zentrums bildete, symbolisierte die Tankstelle das Ende. Dort, wo man besser nicht hinging.
Vivians Muttermal juckte. Das tat es immer, wenn sie nervös war. Wie ein Fremdkörper hockte es auf ihrem Nacken, war groß, schwarz und hässlich.
Abgestempelt von einem bösen Geist …
Wenn man sie darauf ansprach, nannte Vivian es ihr Sklavenzeichen. Es hatte die Form einer Acht und war wulstig wie eine Narbe. Darunter prangte ein Kleeblatt aus schwarzen Knollen, die ein Kreuz ergaben und aussahen wie die Arbeit eines stümperhaften Tätowierers.
Es wäre leicht, die Tasche zu packen und sich im Bus zu verstecken, wenn er morgen abfährt … aber ich befürchte, dass seine nächste Fahrt die auf Carlins Schrottplatz sein wird, wo das Unkraut sein ausgeschlachtetes Gerippe überwuchert.
Vivian wusste, dass der Bus am nächsten Tag nicht abfahren würde. Und am Tag darauf auch nicht. Nicht dorthin, wo sie hinwollten, sondern hinter die Werkstatt auf das weitläufige Gelände der Carlins, wo sich unter dem Gestrüpp ein kleiner, mit Efeu überwucherter Autofriedhof versteckte.
Ein Truck kam die Straße herauf, fuhr in die Tankstelle und parkte neben dem kastenförmigen Gebäude. Es war der von Buck Carlin. Sie kniff die Augen zusammen und konnte Conor sehen, wie er auf der Beifahrerseite ausstieg, sich zwischen die Beine griff, um sein Gemächt in eine angenehmere Position zu ziehen, und im Gebäude verschwand. Auf der Fahrerseite stieg Buck aus, blickte die Straße zu dem Bus herunter, schien sie im Licht der Straßenlaternen zu entdecken und nickte knapp, wie es eben seine Art war. Vivian tat es ihm gleich. Sie mochte die Carlins nicht.
Allesamt degenerierte Hinterwäldler …
Buck war der Einzige, mit dem man wenigstens halbwegs vernünftig reden konnte. Aber die anderen – Gott bewahre! Conor stellte ihr schon länger nach und sie hatte Mühe, seine aufdringlichen Annäherungsversuche abzuwehren. Es würde der Tag kommen, an dem sie es nicht mehr konnte, und er würde sich holen, wonach er verlangte. Und Jet, nun, da war diese Sache vor einem Jahr mit dem kleinen Jungen, der bei Mrs. Iversson zu Gast gewesen war. Jet hatte große, starke Hände und die Motorik eines Schaufelbaggers. Der Zwischenfall hatte den Bezirkssheriff auf den Plan gerufen, doch der Prediger konnte alles regeln und Jet kam mit einer Verwarnung davon. Vivian hatte erfolgreich verdrängt, was aus dem Jungen und seinen Eltern geworden war.
Buck lief zur Kirche, betrat sie durch den der Tankstelle zugewandten Seiteneingang und verschwand aus Vivians Sichtfeld. Sie rieb sich fröstelnd die Arme, obgleich es selbst nach Einbruch der Nacht drückend heiß war.
Jetzt steckt er dem Prediger, dass der Bus angekommen ist.
Sie lachte bitter.
Als wenn er das nicht längst wüsste!
Der Prediger hatte das alles von langer Hand geplant. Selbst der Tag der Ankunft des Busses stand bereits Wochen zuvor fest. Das wusste sie, weil sie ein Gespräch zwischen ihrem Dad und dem Prediger im Laden belauscht hatte. Er hatte davon gesprochen, dass die große Suche endlich ein Ende nehmen würde. Die Männer hatten gelacht und eine Menge Whiskey getrunken.
Vivian erschrak, als sie ein leises »Hey!« von der anderen Straßenseite hörte. Es war der Junge, der sein Motorrad zur Werkstatt schob. Sie blickte unsicher auf, verschränkte die Arme, nickte scheu. »’n Abend!«
Der Junge blieb stehen, wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sein Shirt war verschwitzt und sah nach einer langen Reise auf den staubigen Straßen Iowas aus. Aber anders als die Hinterwäldler, die sie kannte, wirkte er deswegen nicht weniger anziehend. Verschmitzt lächelte er sie an. »Sorry, wenn ich dich erschreckt habe.« Er nickte in Richtung der von Neonlampen beleuchteten Tankstelle. »Ist das dort vorne Carlin’s Werkstatt?«
Vivian sah zu dem Bau mit den Zapfsäulen und wunderte sich über die Frage, denn das Schild darüber war selbst bei Dunkelheit nicht zu übersehen.
Könnte ihn einfach woanders hinschicken, weg aus der Stadt. Schließlich gehört er nicht zu denen aus dem Bus, hat nichts mit den Machenschaften hier zu tun.
Sie wusste nicht, warum, aber es kamen ihr die Worte des Predigers vom letzten Sonntag in den Sinn.
Gott hat uns den schwarzen Boden geschenkt, mit dem Blut derer von außerhalb fruchtbar gemacht, auf dass wir eine reiche Ernte einfahren, Jahr für Jahr.
Das waren seine Worte gewesen. Er hatte sie damit zutiefst verunsichert.
Das Blut derer von außerhalb …
Vivian sah den harten Mann mit dem wettergegerbten Gesicht direkt vor sich, wie er mit seinen kalten, grauen Augen auf sie herabstarrte.
Was der eine als Gott bezeichnet, ist des anderen Teufel …
Sie hatte nicht verstanden, was er damit meinte. Nur die Alten hatten wissend genickt und gemurmelt, dass die Auserwählten in die Stadt kommen würden und die Suche bald ein Ende hätte.
Immer wieder diese Suche …
Das Quäntchen Wahrheit …
Ich sollte Ruth in ihrer Hütte besuchen. Sie wird es wissen … Sie weiß einfach alles …
Vivian wusste in diesem Moment nur, dass es mit dem Bus zu tun hatte. Dass es die eine große Sache war, um die sich in Purgatory alles drehte.
Vivian räusperte sich verlegen. »Sorry. Das sind die Carlins, ja. Conor sollte in der Werkstatt sein, ist eben heimgekommen«, beantwortete sie seine Frage.
Der Junge nickte. »Uff, prima. Hoffe, die können den Fehler finden. Das Bike bei der Hitze zu schieben, macht echt keinen Spaß.« Er blickte die Straße zurück zum Bus. »Die haben mich auf der Interstate aufgelesen. Hatte bereits befürchtet, dass ich im Freien übernachten muss – und glaub mir, ich bin verdammt froh, dass es nicht so ist.«
»Ist echt nicht ratsam, in den Maisfeldern zu pennen«, gab Vivian zurück, sah mit einem schnellen Blick zur Ladentür. Drinnen war alles ruhig. Ihr Vater war im Kühlhaus beschäftigt und ihre Mutter tat das, was sie eben so tat. »Da gibt’s ’ne Menge schräger Geschichten drüber …«
Sie beschloss, sich dem Jungen vorzustellen. So konnte sie mehr über den Bus und der offensichtlich wertvollen Fracht herausfinden. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und überquerte die Straße, bis sie vor dem Motorrad stand. Mit einem gezwungenen Lächeln streckte sie ihm die Hand entgegen. »Ich heiße übrigens Vivian.«
Der Junge wischte sich die Hand an seiner Jeans ab und reichte sie ihr. »Jason … Jason Bullock.« Sein Händedruck war angenehm fest. Nicht gierig und grob wie Conors oder schwammig wie der seines Bruders Jet, der sie an weiche Butter denken ließ. Sie dachte an Buck und dass der niemandem die Hand gab.
Komischer Kauz. Wie unterschiedlich Geschwister doch sein können …
Oder auch nicht …
»Und du wohnst die Nacht über im White House?« Kaum ausgesprochen, kam Vivian ihre Frage unangebracht vor. Sie stöhnte entschuldigend auf. »Sorry, das war jetzt aufdringlich.«
Jason sah erneut zurück und zuckte mit den Schultern. »Ist ja kein Geheimnis. Mrs. Iversson war so nett, mir ein Zimmer anzubieten. Aber was ist mit dir? Arbeitest du in dem Laden?«
Vivian war nicht besonders gut in dieser Art von Gesprächen. Die Konversation in Purgatory beschränkte sich normalerweise auf das Wetter, den Mais, die Schweinezucht und Fleischproduktion.