Название | Bildung, Erziehung und Wissen der Frauenbewegungen |
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Автор произведения | Barbara Rendtorff |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783170363243 |
Bildung und Emanzipation
Für beide Frauenbewegungen waren Bildung und Erziehung in ihren theoretischen Konzeptionen, ihrer Institutionalisierung und ihren Praktiken zentrale Bereiche – in diese zu investieren erschien als notwendige Voraussetzung für den politischen Kampf um Gleichberechtigung. Für die erste Frauenbewegung stand der »Kampf um Bildung« für bürgerliche Mädchen und junge Frauen im Zentrum, mit dem Ziel, angesehene Berufsmöglichkeiten für eigenständige Lebensentwürfe und gesellschaftliche Teilhabe zu eröffnen. Der Blick der zweiten Frauenbewegung auf Bildung war stärker auf die Unterstützung von Emanzipationsprozessen, auf Empowerment durch Bildung und mit einer feministischen Wissenschaftskritik auch auf andere Formen der Wissensproduktion sowie auf die Hervorbringung von eigenen Bildungsmedien gerichtet. Während es der ersten Frauenbewegung mit dem Fokus auf frühkindliche Erziehung und Bildung im Kontext der Fröbelbewegung zunächst vor allem um Möglichkeiten der Berufstätigkeit von bürgerlichen Frauen im sozialen Bereich ging (später auch um den Zugang zu höherer Bildung, Abitur und Studium), interessierte sich die zweite Frauenbewegung vor dem Hintergrund der Vereinbarkeit von Familie, Berufstätigkeit und auch von politischem Engagement für Einrichtungen der öffentlichen frühkindlichen Bildung wie die Kinderläden. Sie fragte dabei kritisch nach geschlechterdifferenzierenden Praktiken von Erziehung, Sozialisation und Bildung, in die auch geschlechtstypische Formen von Sorgeverhalten sowie Vorstellungen von Eignung und Passung zum Sozialen eingelassen sind. Die kritische Revision von Wissensbeständen und von Erziehung- und Bildungspraktiken mit ihren In- und Exklusionen stand im Zentrum der Bildungsinitiativen der zweiten Frauenbewegung. Der Begriff der Sozialisation, der um 1970 in Deutschland aufkam und auf die Rezeption US-amerikanischer Sozialwissenschaften zurückging, wurde beispielsweise in Verbindung mit der Frage nach »geschlechtsspezifischer Sozialisation« populär (
Beide Frauenbewegungen waren jedoch, bei aller Unterschiedlichkeit, mit ihrem Bildungsoptimismus insofern erfolgreich, als sie ein grundlegendes, die Erziehungs- und Bildungsvorstellungen nachgerade revolutionierendes Umdenken in Bezug auf Eignungen und Fähigkeiten von weiblichen und männlichen Kindern und Erwachsenen in Gang setzten. Allerdings fokussierten die beiden Frauenbewegungen unterschiedliche Institutionen und Organisationen sowie unterschiedliche Themen und Strategien bezüglich ihrer Bildungsbemühungen.
Seit den 1970er/1980er Jahren hat sich die historische Frauen- und Geschlechterforschung intensiv mit dem Verhältnis von privat und öffentlich auseinandergesetzt und dabei die Annahme einer strikten Dichotomie zunehmend infrage gestellt (Opitz-Belakhal 2010: 97ff.). Gleichwohl ist die Verhältnisbestimmung von privat und öffentlich bedeutsam für Geschlechterordnungen und Geschlechterverhältnisse. Der Slogan »Das Private ist politisch« kann als zentral für die zweite Frauenbewegung betrachtet werden. Nicht als Motto, aber als Denkfigur ist diese Perspektive jedoch auch in der ersten Frauenbewegung schon präsent. In der Geschichtsschreibung der Frauenbewegung wird dieser Slogan der zweiten Frauenbewegung mit der Thematisierung »innerfamiliärer Gewalt- und Ausbeutungsverhältnisse« sowie mit der Entscheidung über die »Gebärfähigkeit« in Verbindung gebracht (ebd.: 97). Für die zweite Frauenbewegung in der Bundesrepublik standen allerdings 1967/68 zunächst kritische Anfragen an die familiäre Arbeitsteilung und die Zuständigkeit für die Kindererziehung und damit auch Erziehungsfragen im Vordergrund, was jedoch in der Geschichtsschreibung der Frauenbewegung gerne übersehen wird (Baader 2008; Lenz 2008; Rendtorff 2009). Die zweite Frauenbewegung nahm also ihren Auftakt mit einem Erziehungsthema. Auch international war die Frage nach der Kindererziehung für die Anfänge der zweiten Frauenbewegung durchaus bedeutsam, so etwa bei der US-amerikanischen Feministin Shulamith Firestone (vgl. Firestone 1970).
Zentral für die zweite Frauenbewegung waren zudem die Universitäten als Orte der Bildung, der Wissenstradierung und Wissensproduktion. Dies zeigt sich etwa in Fragen nach der Repräsentanz von Frauen auf allen Ebenen der Universität und in den Auseinandersetzungen um Frauen als Subjekt und Objekt der Wissenschaft, so etwa im Zusammenhang mit den »Sommeruniversitäten« in Westberlin (Gruppe Berliner Dozentinnen 1977;