Bildung, Erziehung und Wissen der Frauenbewegungen. Barbara Rendtorff

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Название Bildung, Erziehung und Wissen der Frauenbewegungen
Автор произведения Barbara Rendtorff
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783170363243



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»doing gender« und durch Ansätze, die das System der Zweigeschlechtlichkeit insgesamt in Frage stellen, wie in den Queer Studies (image Kap. 12). Gegen die Schablonen und festgefahrenen Mainstreamnarrationen wollen wir diese Aspekte vor allem mit dem Fokus auf Erziehung, Bildung, Sozialisation und Sorge diskutieren. Darüber hinaus ist auch zu fragen, ob die insbesondere in der französischen und italienischen Theoriebildung verwendeten Begriffe der »sexuellen Differenz« oder »differenzia sessuale« nicht noch andere Bedeutungshorizonte einschließen. Catrin Dingler hat in ihrer Auseinandersetzung mit dieser Theorietradition auf den »Schnitt« bezüglich des Subjektverständnisses hingewiesen (ebd.: 9ff.). Diese Debatten machen darüber hinaus deutlich, dass in einer reflektierten Perspektive »der« Feminismus aus vielen Feminismen besteht. Der Begriff »Feminismus« wurde im späten 19. Jahrhundert von französischen Frauenrechtlerinnen aufgebracht, er wird Hubertine Auclert zugeschrieben und bezeichnet Positionen, die sich für die Emanzipation, Frauenrechte und rechtliche Gleichstellung von Frauen stark machten. Er wurde in den 1890er Jahren auf verschiedenen internationalen Frauenkongressen diskutiert und teilweise synonym mit dem Begriff der Frauenbewegung verwendet.

      »Im Deutschen aber haftet dem Begriff bis heute der Geruch besonderer Radikalität an. Tatsächlich wurde er an der Wende zum 20. Jahrhundert von den Akteurinnen kaum zur Selbstbezeichnung, dagegen abwertend und denunzierend von den Gegnern der Frauenemanzipation gebraucht und hat erst mit der Frauenbewegung der 1970er Eingang in unsere Alltagssprache gefunden« (Gerhard 2018: 8).

      Die Geschichte des Feminismus ist also von seinen Anfängen an auch mit seiner Abwertung verbunden. Dabei ist die Geschichte des Antifeminismus historisch zudem immer wieder mit dem Antisemitismus verbunden. Karin Stögner etwa argumentiert, dass beides »in Form von Ideologemen, verfestigten Diskursformen, eingeschliffenen Stereotypen und tiefsitzenden Verhaltensmustern als verdinglichte soziale Tatbestände« auftreten und sich auf Natur und Ontologie berufen würde (2014: 15). Diese Konstellation erfährt auch aktuell Revitalisierungen und digitale Neukonfigurationen.

      Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den Frauenbewegungen

      Ebenso vielschichtig und uneinheitlich wie der Begriff »Feminismus« ist die Bezeichnung »Frauenbewegung«. Eine Kategorisierung als »Bewegung« kann stets nur im Nachhinein als Etikett vergeben werden, wenn sich bereits Personen in größerer Menge für ein bestimmtes Ziel oder gegen bestimmte politische Bedingungen zusammengefunden haben, sich zumindest rudimentär auch organisiert und ihre Aktivitäten über einen längeren Zeitraum hinweg artikuliert haben und so sichtbar werden. Damit dies funktioniert, brauchen Bewegungen auch so etwas wie eine »kognitive Konstitution« (Gilcher-Holtey 2005: 11), das heißt identitätsstiftende Themen und Praktiken, »ein symbolisches System der Selbstverständigung und Selbstgewissheit« (ebd.), die für den Mobilisierungsprozess bedeutsam sind. Diese bedürfen, neben den kognitiven Rahmungen, auch immer wieder besonderer Gelegenheitsstrukturen, innerhalb derer die Forderungen der Bewegung öffentlichkeitswirksam vorgetragen werden und ihren Ausdruck finden. Diese Merkmale treffen auf beide Frauenbewegungen zu. Beide haben sich organisiert, haben spezifische Protestformen entwickelt, Treffpunkte, Räume und Publikationsorgane geschaffen, agierten transnational und haben Theoriebildung und Akademisierung in Gang gesetzt und ihre Themen und Forderungen so mittel- bis langfristig eingebracht. Beide Frauenbewegungen haben dabei in ihren Themen unterschiedliche Akzentuierungen gehabt, aber es gibt auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten und Berührungspunkten. Diese arbeiten wir in den einzelnen Kapiteln zu den zentralen Themen heraus. Die erste Frauenbewegung setzte ihre Akzente auf Bildung, Erwerbstätigkeit und Rechte (Bock 2005: 169), die zweite auf Formen der Wissensproduktion, Hausarbeit, Sprache, Körper, Gewalt, Sexualität und Formen der Selbstbestimmung in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen. Sie fokussierte sich stark auf »Individualisierung, Subjektwerdung, Subjektivität und Raum zur Selbstentfaltung« (ebd.: 323). Sie erfreute sich auch provokativer Protestformen, sie forderte Autonomie und brach »zuweilen unter Mühen – mit der Neuen Linken« (ebd.: 321).

      Diese, wie auch die männlichen Politiker und Wissenschaftler, taten sich schwer, die Frauenbewegung überhaupt als eine »Bewegung« anzuerkennen (vgl. Kontos 1986), und es dauerte, bis sie nicht mehr nur als bürgerlich-reformistische Strömung eingeschätzt, sondern ihre »Patriarchatskritik« als zentraler und die politisch unterschiedlich positionierten Gruppen verbindender politischer Topos erkannt wurde (ebd.: 36).

      Die erste Frauenbewegung in Deutschland verfügte über eine übergreifende zentrale Organisation, den Bund deutscher Frauenvereine (BDF; gegründet 1894). Damit stand die Vereinsstruktur als Organisationsform im Mittelpunkt. In den Vereinen waren die Frauen Mitglieder, so dass ihre Mitgliedschaft, auch für die historische Erforschung, zuordenbar war. Die zweite Frauenbewegung hingegen hing eng mit den internationalen sozialen Bewegungen der 1960er und 1970er Jahre zusammen und war stark projektförmig organisiert, auch wenn vielfältige Vereine, wie etwa vereinsförmig organisierte Frauenzentren, Frauenbuchläden und Frauenbildungsstätten, dabei eine Rolle spielten (siehe die folgenden Kapitel). Ihre Bewegungs- und Projektförmigkeit äußerte sich in fluiden Organisationsformen und in zahlreichen damit verbundenen Konflikten. Insgesamt kann für die zweite Frauenbewegung an die Forschungen zu sozialen Bewegungen mit ihren spezifischen Dynamiken und Auseinandersetzungen angeknüpft werden (vgl. Gerhard 2008). Auch die Konflikte sollen Gegenstand dieses Buches sein, denn sie machen deutlich, welches die wichtigen Themen waren, welche unterschiedlichen Positionen damit verbunden waren und wo die Konfliktlinien und Kampffelder lagen und liegen. Konflikte sind Ausdruck von Dynamiken, umstrittenen Themen und Kämpfen um Hegemonie und zeigen, wie um Durchsetzung von Themen, Sichtweisen und Positionen gerungen wird. International agiert und sich an international geführten Debatten beteiligt haben sich beide Bewegungen.

      Die zweite Frauenbewegung war auch inhaltlich sehr heterogen. Vieles geschah zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten. Die theoretische Analyse tendiert dazu, eine inhaltliche, aber auch eine zeitliche und örtliche Ordnung zu schaffen, die Ereignisse nachträglich zu ordnen und damit zu glätten und zu vereinheitlichen (beispielsweise orientierte sie sich an den Geschehnissen in den Großstädten, vor allem Berlin, die Entwicklung in der »Provinz« folgte mit einer gewissen Verzögerung und oft auf andere Art). Die Ziele der Bewegungen waren oft ebenso unklar und unbestimmt wie die Wege zu den unbekannten Zielen (vgl. Rendtorff 2009). Klar war für die Frauen der Frauenbewegung, dass sich sowohl die Verhältnisse als auch die Personen grundlegend verändern müssten und dass es Frauen gelingen würde, diese Veränderungen herbeizuführen. Auch hier kann die Analyse dazu tendieren, das Unbestimmte nachträglich zu konkretisieren. Diese Tendenz einer nachträglichen Systematisierung betrifft ebenfalls die Verbindungen und Verknüpfungen zwischen Frauenbewegung, feministischer Forschung, Geschlechterforschung und pädagogischer Theorie.

      Fragen wir nach den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen der ersten und der zweiten Frauenbewegung, so kann, auch wenn dies mit gewissen Vereinfachungen verbunden ist, zunächst gesagt werden, dass beide für die gesellschaftliche Teilhabe von Frauen kämpften. Dabei haben die meisten Gruppen der ersten Frauenbewegung und ihres bürgerlichen Flügels stark an der Idee der spezifischen »Kulturaufgabe« der Frau festgehalten, was zu differenten Konzepten von Bildung für die Geschlechter führte (image Kap. 2 und image Kap. 4). Dass die weibliche »Kulturaufgabe« aufs engste mit Mutterschaft und Mütterlichkeit verbunden war, führte bei manchen Protagonistinnen zu einer Distanzierung gegenüber Wissenschaft und Intellektualität, außerdem ließ die Behauptung einer Struktur- und Wesensähnlichkeit von Frauen und Kindern die Zuordnung von Frauen zum Elementarbereich und ihre Beschränkung auf die Mädchenbildung plausibel erscheinen (image Kap. 2). Für die Berufsbildung bedeutete dies etwa, dass Gertrud Bäumer