Eine wie wir. Dana Mele

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Название Eine wie wir
Автор произведения Dana Mele
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783038801214



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der Mensa hinüber. »Ich werde mit Tai reden.«

      Ich folge ihrem Blick und sehe Nola mit einem offenen Laptop auf dem Bauch auf einer Bank an der Seite des Raums liegen. Sie hebt ihren Fuß zu einem merkwürdigen Winken. Dabei kommen Strümpfe mit einem schwarzen Paisleymuster unter ihrem Rock zum Vorschein. Brie schaut mich fragend an.

      Ich winke Nola mit der Gabel zu und vermeide Bries Blick. »Sie hilft mir bei den Hausaufgaben.«

      »Warum hast du mich nicht gefragt?«

      »Du bist nicht kompetent genug.« Ich grinse flirtend.

      »Ist das so?« Sie wirft einen weiteren Blick auf Nola. »Interessant.«

      »So schräg ist sie gar nicht.«

      »Seit wann?«

      »Du warst doch diejenige, die gesagt hat, dass wir netter zu unseren Mitschülerinnen sein sollen.«

      »Aber ausgerechnet Nekro?«, flüstert Brie.

      Ich sehe mich schnell um, um sicherzugehen, dass Nola immer noch außer Hörweite ist. »Tai hat sich den Spitznamen ausgedacht.«

      »Du hast ihn oft benutzt.«

      »Du hast gelacht.«

      Sie senkt den Blick. »War nicht lustig.«

      »Außerdem ist es ewig her und niemand sagt das noch. Außer dir anscheinend. Also, hast du ein Problem damit, dass ich mit Nola lerne?«

      Brie lacht plötzlich auf und ich fühle mich gleich besser. Ich schaffe es einfach nicht, sie lächeln zu sehen, ohne zurückzulächeln. Reine Biochemie.

      »Gott, nein. Ich fühle mich nur schlecht. Wie kann man nur so eigennützig sein«, sagt sie.

      »Nicht ganz«, erwidere ich. »Wir haben einen Deal. Ich –« Brie hätte bestimmt etwas dagegen, dass ich den Trainer davon überzeugen will, jemanden aus dem Team zu werfen, nur damit Nola mitmachen kann. »Ich gebe ihr Fußballstunden.«

      Sie wirkt ganz und gar nicht überzeugt, hebt aber trotzdem ihr Milchglas, um mit mir anzustoßen. »Gut gespielt, Kay.« Sie nimmt einen Schluck und schaut mich dabei nachdenklich an. »Aber wenn du dem Hacker in die Quere kommst, kannst du dir dein Grab schaufeln.«

      Am Nachbartisch hört Abigail Hartford auf zu reden und funkelt Brie für ihre ungeschickte Wortwahl böse an, dann senkt sie rasch den Blick und wird rot. Niemand funkelt Brie böse an. Sie ist viel zu nett. Doch Brie wirkt beschämt.

      »Du weißt, was ich meine«, flüstert sie und steht auf. »Okay, ich gehe wieder zu den anderen rüber.«

      »Ja, gut. Übrigens, kommt Justine morgen zur Trauerfeier?«

      Brie schüttelt den Kopf. »Das tue ich ihr nicht an. Es war schon schlimm genug, heute Vormittag über den Campus zu gehen. Und jetzt stell dir das Gedränge der Trauernden in der Irving-Kapelle vor.«

      »Sollte lustig werden.«

      »Wieso?«

      »Ich wollte sie nach einem Typ von der Easterly fragen. Er ist auch in der Theatergruppe. Du wirst ihn nicht kennen, aber sie ganz bestimmt.«

      »Sag schon.«

      »Okay, sein Name ist Greg. Er ist groß, hat tätowierte Arme und ist von der genervten Sorte. Ich glaube, dass er Jessica kannte.«

      Sie grinst. »Du hast so was von keine Ahnung, das ist echt bezaubernd. Creepy Greg war Jessicas Freund. Das weiß sogar ich.«

      »Also hast du Jessica doch gekannt.« Ich bin sauer über ihren Ton. »Du hast nicht nur gewusst, dass sie Mathe belegt hat.«

      Bries Wangen erröten leicht. »Nur durch Justine. Möchtest du noch etwas fragen?«

      »Glaub nicht.«

      Sie beugt sich über den Tisch und spielt mit dem Freundschaftsarmband, das ich am Handgelenk trage. Eins der wenigen Relikte von früher, die ich immer bei mir habe, ein schlichtes Wildlederband mit einem Herzen, das auf der Innenseite angekokelt ist. Megan hat es in einem Sommercamp für mich gebastelt.

      »Mach dir keine Gedanken wegen Tai«, sagt Brie. »Wir waren alle da.«

      Ich bekomme jedes Mal einen emotionalen Peitschenhieb, wenn sie erst von Justine redet und dann mich berührt. »Was?«

      »Tai ist manchmal nicht sehr nett. Ich meine, im Herzen ist sie es. Aber die Dinge, die sie sagt, sind es nicht. Man kann nicht allem ein Comedy-Etikett aufdrücken und erwarten, dass das jeder okay findet. Ich habe wegen ein paar Bemerkungen von ihr sogar schon geweint.«

      »Was für welche?«

      Sie schüttelt den Kopf. »Das wiederhole ich nicht. Niemals.«

      »Warum nicht?«

      Sie schaut mir direkt in die Augen. »Weil du dann bei einem Streit genau wüsstest, was du sagen musst, um mich fertigzumachen. Und wenn du diese Dinge sagst, wäre unsere Freundschaft am Ende, ohne eine Chance auf Versöhnung.«

      »Ich kann nicht glauben, dass sie dich so schlimm verletzt haben soll und du nie etwas erwähnt hast.«

      Sie schluckt, als wäre ihr Mund plötzlich völlig ausgetrocknet. »Du bist dieser Grenze auch schon gefährlich nah gekommen, Kay.«

      Ich breche den Blickkontakt ab. Ich kann das einfach nicht. »Aber du bist immer noch mit Tai befreundet.«

      Sie legt ihre Serviette an den Rand des Tisches und beginnt, sie systematisch glatt zu streichen und in immer kleinere Dreiecke zusammenzufalten. »So ist das eben mit Tai. Wir machen da alle irgendwie mit. Keiner von uns ist besser. Jeder hat eine dunkle Seite.«

      Ich schiebe meinen Teller weg, mein Magen dreht sich um und Panik macht sich breit, als ich mich frage, ob mein Name vielleicht auch im Racheblog auftauchen wird. Wie Tais. Letztendlich gehören wir alle zur selben Clique. Ich habe auch über andere gelästert und sie schikaniert, besonders zu Beginn des Schuljahres und während der Probetrainingszeit. Aber ich war nie einfach nur gemein.

      Fast nie.

      An diesem Abend gehe ich in der Halle laufen. Ich laufe eigentlich lieber am See im einladenden Duft der Pinien, aber heute bin ich zu aufgewühlt, um draußen allein zu joggen. Auf dem Weg zurück zu meinem Wohnheim greife ich im Dunkeln nach meinem Handy und wähle Justines Nummer. Sie nimmt ab, im Hintergrund läuft laut ein Song von Sia.

      »Warte!«, ruft sie ins Telefon. Die Musik wird leiser. »Hey, Kay.«

      »Hi, ich muss dich um einen Gefallen bitten.«

      »Alles in Ordnung bei dir?« Ihre sanfte Stimme klingt leicht besorgt.

      »Bin nur ausgepowert. Hast du Gregs Nummer?«

      »Newman? Weiss? Vanderhorn?«

      »Creepy Greg?« Bei den Worten zucke ich zusammen.

      »’ne Menge Tattoos, Lippenring, Dr. Finsterblick?«

      »Ja, das ist er!«

      Sie lacht. »Du hättest ihn äußerlich beschreiben sollen, anstatt mir einen beliebigen Spitznamen an den Kopf zu werfen.«

      »Sorry. Brie hat ihn so genannt und ich dachte, damit wäre es klar. Kannst du mir seine Nummer geben?«

      »Bleib dran, ich schaue nach.« Ich höre Papier rascheln. »Was willst du von Judgy McJudgerson?«

      »Ich will ihm nur ein paar Fragen über Ms Lane stellen.«

      Ihre Stimme wird wieder sanfter. »Oh, Süße, möchtest du reden?«

      »Nein, mir geht’s gut. Ich möchte nur, dass alles schnell wieder normal wird. Und die Ermittlungen vorangehen.«

      »Ich hab sie.« Sie liest mir die Nummer vor.

      »Muchas.« Ich beende das Gespräch und wähle gleich Gregs Nummer. Es klingelt fünf- oder sechsmal, dann geht die Mailbox ran. Ich lege