Fritz und Alfred Rotter. Peter Kamber

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Название Fritz und Alfred Rotter
Автор произведения Peter Kamber
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783894878313



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und dunkler Halsbinde, wirkt leicht verunsichert – möglicherweise aufgrund seiner Körpergröße: Er misst einen Meter sechsundsechzig. Doch stolz legt er seinem älteren Bruder, der ein moderneres Hemd mit heller Krawatte trägt, die linke Hand auf die Schulter. Er muss Alfred bewundert haben, dessen Blick völlig gelöst, beinahe meditativ wirkt. Damals werden Porträtierte angehalten, nicht in das Objektiv der Kamera zu blicken. Alfred ist besser aussehend, Fritz, der Jüngere, erscheint etwas kindlich-überdreht, als wolle er über die Foto-Inszenierung gleich loslachen; später beweist er unbestreitbar ein komödiantisches Gespür.

      Im Winter 1908/1909 pochen sie als „blutjunge Studenten der Berliner Universität an der Tür des gefürchteten Lessingtheater-Direktors Otto Brahm“, wird später im Neuen Wiener Journal berichtet. „Der Große hört sie an […]. Hört, dass für das große Drama von den Berliner Bühnen noch zu wenig geschehe. Dass deshalb ein neuer Verein Akademische Bühne gegründet worden sei, der dem Berliner Publikum diejenigen theatralischen Erlebnisse schenken wolle, die ihnen die Impotenz der Direktoren bisher vorenthalten habe. Ob er dafür das Lessing-Theater zu gelegentlichen Sonderaufführungen zu Verfügung stellen wolle? Otto Brahm sagt Ja.“10

      Dass der berühmte Otto Brahm überhaupt zuhört, haben die Brüder dem Germanistikprofessor und Goethe-Kenner Erich Schmidt zu verdanken, der sogar literarischer Beirat der Akademischen Bühne wird11 und mit Brahm befreundet ist. Weitere Gönner finden sich. Ihr wohlhabender Vater indes, der ihre Theaterleidenschaft „milde belächelt“, unterstützt sie zunächst nicht.12

      Bei der allerersten Aufführung der Akademischen Bühne am 8. Januar 1909 im Lessing-Theater führen sie auch noch nicht selbst Regie. Gegeben wird Der letzte Streich der Königin von Navarra, ein Trauerspiel von Johannes Raff von 1907. Das Urteil ist vernichtend: Von einem „literarischen Durchfall mit Donnerhall“ ist die Rede, und davon, dass das „hoffentlich auch der letzte Streich der neuen Unternehmer“ ist.13 Doch Brahm nimmt ihnen den „Durchfall“ nicht übel. Im Gegenteil: Er bedauert, dass der „zweite Abend [mit Die junge Welt von Wedekind] nicht in seinem Hause, sondern im Hebbel-Theater stattfinden soll“. Er möchte, dass der dritte Abend wieder in seinem Theater gespielt wird – und die Brüder „genießen in der Folge sein dauerndes Wohlwollen.“14

      Schauspieler und Regisseur Rudolf Frank erzählt später in seiner Autobiografie15, eine Agentur habe ihn „zu einem Brüderpaar“ geschickt, „das unweit der Börse wohnte und das Lessing-Theater für eine Nacht gepachtet hatte“. „Bei der Aufführung des letzten und ersten Streiches stand ich als Hofherr in einer Höflingsgruppe, sprach, wie es in meiner Rolle stand: ‚Man lacht wohl über uns –‘, und aus dem bereits unruhigen Zuschauerraum scholl ein lautes: ‚Hahahaah! Und ob man lacht!!‘“

      Danach wenden sie sich den Stücken von August Strindberg zu. Wenn Otto Brahm „die Gebrüder Rotter gemeldet werden, sagt er mit dem Augenzwinkern, das alles oder nichts bedeuten kann: ‚Aha, da kommen die Herren in Sachen Strindbergs.‘“16 Auch Herbert Jhering, fast gleich alt wie Fritz, sitzt einmal im Publikum. Trotz seiner Kritik an ihrem späteren Theaterstil erinnert er sich 1933 in der Weltbühne: „So begannen sie [die Rotter-Brüder] mit einem Autor, den Otto Brahm nicht gespielt hatte, mit Strindberg, aber sie spielten ihn in der Weise Otto Brahms, ohne Aufwand, menschlich, taktvoll […]. Es war eine gute Vorstellung, auffallend durch die Begabung Helene Ritschers, die damals zum ersten Male mit einer Rolle in Berlin durchschlug.“17

      Regie führt Fritz, der Agilere; er übernimmt auch den Vorsitz der Literarischen Gesellschaft, die sich aus der Akademischen Bühne heraus entwickelt. Die General-Intendantur der Königlichen Schauspiele wird auf ihn aufmerksam und überlässt ihm 1910, da ist er gerade 22 Jahre alt, die Leitung des Neuen Königlichen Opern-Theaters, der sogenannten Kroll-Oper. Theaterdirektor Adolf Lantz bestätigt, dass Fritz und Alfred „bei Kroll ein gemeinsames gutgehendes Unternehmen“ haben. Für die Pacht der Kroll-Oper ist Direktor Fritz Helmer verantwortlich. Fritz Rotter erzählt acht Jahre später, dass „dieses Institut, welches für die General-Intendantur stets ein Sorgenkind gewesen war“, unter seiner Leitung „ausgezeichnet reüssierte“: unter anderem mit den von ihm eingeführten und stets ausverkauften Klassiker-Vorstellungen zu „volkstümlichen Preisen“ sowie Gastspielen des russischen Balletts mit „Nijinsky, der Karsawina und der Pawlowa“. Sogar der Kaiser kommt.

      In einer späteren biografischen Notiz heißt es: „Bis zum Kriege veranstalteten sie in verschiedenen Städten Deutschlands, hauptsächlich in Hannover, Düsseldorf, Köln und Nürnberg, Gastspiele, in denen Opern- und Operettenabende gegeben oder Stücke von Ibsen oder Strindberg aufgeführt wurden. Auf einer Gastspielreise lernte Alfred Rotter 1909 in [Bad] Pyrmont seine jetzige Frau Trude [Gertrud] geb. Leers kennen.“18

      Erfolg und jäher Absturz sind nur durch einen Wimpernschlag getrennt. Das erleben die beiden Brüder schon in der Frühzeit ihrer Karriere. Zu Beginn der Theaterspielzeit 1912 lassen sie sich, zusätzlich zum Engagement in der Kroll-Oper, auf ein neues Wagnis ein: Sie übernehmen wichtige Funktionen in der Komischen Oper – damals an der Friedrichstraße 104 gelegen, direkt an der Weidendammer-Brücke über der Spree. Direktor Adolf Lantz ist der Pächter, er sowie Fritz und Alfred benennen das Theater – durchaus programmatisch – in Deutsches Schauspielhaus um.

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      Die Kroll-Oper um 1924

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      Das zerstörte Gebäude, 1946

      Sie kennen Lantz gut: An der Akademischen Bühne wie im Neuen Königlichen Operntheater – eben der Kroll-Oper – hat er als Regisseur gearbeitet. An einmal gefestigten, engen persönlichen Arbeitsbeziehungen halten Fritz und Alfred nach Möglichkeit fest – dieser Zug kennzeichnet ihre ganze Theaterlaufbahn.

      Nun, von September 1912 bis Ende August 1913 im Deutschen Schauspielhaus, arbeiten beide für Adolf Lantz. An dem 1905 erbauten Theater, das 1150 Personen Platz bietet, wird Fritz Erster Regisseur und Alfred Chefdramaturg. Erstmals hilft ihr Vater mit einer nicht unbedeutenden Summe. Alfred entscheidet sich für den Künstlernamen Alfred Hansemann und verpflichtet sich per Vertrag, drei Jahre lang jährlich 60 000 Mark in vierteljährlichen Raten an Lantz als Darlehen zu zahlen. Fritz wählt den Vornamen des Vaters Hermann – was auf eine tiefere Identifikation mit ihm hinweist – und dazu erstmals den Namen Rotter: Im Neuen Bühnen-Almanach des Jahres 1913 erscheint er unter Hermann Rotter.

      Ein halbes Jahr lang geht am Deutschen Schauspielhaus alles gut. Lantz nimmt später die Brüder ausdrücklich in Schutz: „Wie ich das Unternehmen des Deutschen Schauspielhauses ins Werk setzte, habe ich mich der Beihilfe der beiden Herren versichert. Ich würde ohne sie […] das Unternehmen überhaupt nicht begonnen haben. […] Mit den Gebrüdern Schaie war ich vollständig einig über die künstlerische Auffassung, insbesondere auch über die Auswahl der zu spielenden Stücke, und hatte an ihnen […] eine wertvolle Unterstützung und Hilfe.“19

      Fritz inszeniert Goethes Egmont, von Strindberg die Stücke Gläubiger, Mit dem Feuer spielen und Ostern sowie vom aus Ungarn stammenden Schriftsteller Gabriel [ungarisch: Gábor] Drégely die Lustspiele Der König und Der gutsitzende Frack. Im Januar 1913 besorgen sie Hermann Sudermanns Schauspiel Der gute Ruf. Die Rotters haben sich auch die Rechte an den Stücken Strindbergs gesichert und sind mit Lantz überzeugt, „dass die Strindberg’schen Stücke neben ihrer künstlerischen Wirkung auch große Einnahmen bringen müssten“.20

      Doch nach hoffnungsvollen ersten Monaten kommt es im Deutschen Schauspielhaus zu einer Intrige: Oskar Groteck, Schauspieler und Stellvertreter des Direktors, sowie ein später hinzugekommener Regisseur fühlen sich durch die Brüder