Название | Fritz und Alfred Rotter |
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Автор произведения | Peter Kamber |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783894878313 |
Fritz Rotter
Alfred Rotter
Gertrud Rotter
DIE ROTTERBÜHNEN
Von den beiden Brüdern bespielt werden im Frühjahr 1932 folgende Bühnen: Metropol-Theater, Theater des Westens, Lessing-Theater, Admiralspalast, Lustspielhaus, Zentraltheater Berlin, Zentraltheater Dresden, Albertheater Dresden, Mellini-Theater Hannover.16 1931 haben sie in Breslau für kurze Zeit auch das Stadttheater gemietet.
Doch man muss ein Theater wie etwa das Metropol nicht besitzen, um darin zu spielen. Mitten in der Wirtschaftskrise ist es nicht schwer, Pachtverträge zu bekommen. Und nach den großen Theaterpleiten 1930 und 1931 geht kaum noch jemand dieses Risiko ein – viele Bühnen stehen leer.
Mit Grundstück und Gebäude gehören ihnen das Lessing-Theater auf dem Boden des heutigen Ministeriums für Bildung und Forschung am Kapelle-Ufer in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs, zweitens das öfter mal leerstehende Lustspielhaus am unteren Ende der Friedrichstraße sowie drittens das Zentraltheater an der Alten Jakobstraße in Berlin, beide in Kreuzberg. Jede einzelne Liegenschaft ist mit Hypotheken schwer belastet.
Für Dramen und Komödien nehmen die Rotters noch das Deutsche Künstlertheater und das Theater in der Stresemannstraße (heutiges Hebbel am Ufer) hinzu.
Seit 1931 bespielen sie von Fall zu Fall auch das Theater im Admiralspalast schräg gegenüber des Bahnhofs Friedrichstraße und teilen sich mit dem Verpächter die Kasseneinnahmen – das Risiko tragen die Brüder Rotter selbst.
In Dauerpacht halten sie hingegen seit Frühjahr 1931 die Plaza, das Varieté-Theater in der alten umgebauten Halle des verlegten Ostbahnhofs in Friedrichshain mit 3000 Plätzen, wo im vierzehntägigen Wechsel „Billigversionen jener im Westen der Stadt erfolgreich inszenierten Rotter-Operetten“ gezeigt werden.17
Eine Anekdote über die Rotters in der Plaza erzählt der Direktor des Theaters am Schiffbauerdamm, Ernst Josef Aufricht, in seinen Erinnerungen18: Als er selbst nach dem großen künstlerischen Erfolg des Revolutionsstücks von Ernst Toller über den Matrosenaufstand in Kiel 1918, Feuer aus den Kesseln (31.8.1930), zu seiner Enttäuschung am Schiffbauerdamm auf den Eintrittskarten sitzenbleibt, genauso wie schon mit Bertolt Brechts Happy End (2.9.1929) – bezahlt gemacht hat sich nur die Dreigroschenoper (31.8.1928) –, verschickt er „tausende von Freikarten an Gewerkschaften und Arbeiterorganisationen, um das Theater wenigstens einen Monat zu füllen“. Aber die Leute sind nicht in das Toller-Stück zu bringen. Aufricht:
„Die Freikarten wurden nicht angenommen. ‚Wollen Sie wissen, was die Arbeiter und die Arbeitslosen sich ansehen?‘, fragte mich jemand. ‚Gehen Sie in die Plaza!‘ Eine als Theater umgebaute ehemalige Bahnhofshalle war am Nachmittag ausverkauft. Man spielte drei Vorstellungen am Tag. Ein billiger Platz kostete 30 Pfennig. Die Brüder Rotter brachten ihre abgespielten Operetten in die Plaza und hatten im Vertrag mit der Direktion des Hauses, nur drittrangige Kräfte zu engagieren, um das Publikum nicht zu verwöhnen und anspruchslos zu halten. Als der Graf von Luxemburg [Operette von Franz Lehár] sich seine Zigarette mit einem Hundertmarkschein anzündete, vergaßen die Zuschauer ihre graue Misere und applaudierten begeistert.“
Hubert Marischka und Adele Sandrock in Der Graf von Luxemburg, 1928
Im Mai 1932 schon haben die Rotters kurz geglaubt, alle ihre Theater schließen zu müssen. Die nationalsozialistische Zeitung Der Angriff höhnt: „[…] aber es wird sicher allgemein interessieren, dass die Theaterdirektoren Rotter (mit jüdischem Namen Scheye) am 2. Mai den Offenbarungseid geleistet haben.“19 Das ist in mehrerer Hinsicht falsch: Erstens heißen sie richtig Schaie mit ai (der Name leitet sich vom hebräischen Namen des Propheten Jesaja ab), zweitens haben sie, wie es der Theaterkritiker der Vossischen Zeitung Monty Jacobs richtigstellt, „das Recht, auf dem Theater einen falschen Namen anzulegen“20, und drittens: Es geht weiter! Der Dresdner Bank allein schulden die Rotters zwar über eine Million, sie bieten aber auch Sicherheiten, und die Bank hält still. Andere Gläubiger stimmen einer Umschuldung und Teilzahlungen aus der täglichen Theaterkasse zu.
Den Gerichtsvollzieher im Nacken, beginnen sie Ende August und Anfang September 1932 die neue Saison wieder mit drei Produktionen. Ihr Überleben hängt von Fritzi Massary ab, dem Star von Eine Frau, die weiß, was sie will.21
Am Abend des 1. September 1932 steht alles auf dem Spiel – im Metropol-Theater. Seit Ende 1927 haben die Rotters es für 15 000 Reichsmark monatlich gepachtet, zuzüglich Nebenabgaben. Mit wie viel sie im Rückstand sind, darf jetzt nicht das Thema sein. Den Antrag auf Konkurseröffnung haben sie gerade noch abwenden können, indem sie für das Metropol tägliche Ratenzahlungen leisten.
Der Montag Morgen berichtet, Alfred sei derjenige, der an den Rotterbühnen die Stücke „auswählt, umdichtet und inszeniert“.22 Doch das trifft nur bedingt zu. Bis zuletzt hat auch Fritz die Neufassung der Stücke besorgt und ist als Autor wichtiger als Alfred. Heinz Hentschke von der Gesellschaft der Funkfreunde sagt später: „Im übrigen hatte Alfred die Zahlen in groben Zügen ohnehin immer im Kopf.“ Ihr Vetter dagegen, Werner Guthmann, der seit 1918 bei ihnen Bühnenleiter ist, hält ihnen vor, dass „die Bücher nicht in Ordnung“ seien: „Seit Jahren haben wir eine Unmenge Zahlungsbefehle gehabt und ebenso viele Prozesse geführt. Freiwillig wurden überhaupt fast keine Rechnungen bezahlt“ – so wird er es 1933 dem Staatsanwalt schildern.
Die Brüder beschäftigen zudem ihren Schwager Ludwig Apel als Verwaltungsdirektor, der ihnen trotz der familiären Bindung nicht gewogen ist. Er ist der Ehemann von Marianne Leers, der Schwester von Alfred Rotters Ehefrau Gertrud. Apel bedauert, dass er wegen seiner jüdischen Frau die Mitgliedschaft in der NSDAP verloren hat. Aus deutlicher Missgunst gegen die Rotter-Brüder wird er 1933 ein hartes Bild von ihnen zeichnen und eine Chronologie ihrer Verschuldung den Behörden übergeben – die beiden hätten sich 1927/28 „über den Winter hin durchgewurstelt“, dann in Friederike die „Hauptrollen Tauber und Käthe Dorsch zu bisher noch nicht gekannten Rekordgagen herausgestellt“: „Man spielte eben va banque, und das mit vollem Bewusstsein.“
Aber ist diese behauptete größte Schwäche der Rotters – ihr spielerischer, zu jedem Risiko bereiter Wagemut – nicht insgeheim ihre größte Stärke?
Apel sieht das anders: „Hätte Friederike versagt, so wären die Rotters schon damals erledigt gewesen“, meint er, „denn die Hauptdarsteller hatten ihre langfristigen Verträge, die erfüllt werden mussten, in der Tasche“. Apel in missmutigem Ton weiter: „Im nächsten Winter 29/30 gab es im Metro[pol] Lehárs Land des Lächelns, eine Operette, die vor Jahren unter der Bezeichnung Die gelbe Jacke in Wien nicht angesprochen hatte. Lehár hatte alles zur Restaurierung dieses Werkes getan und besonders für Tauber den großen Schlager