Todesrunen. Corina C. Klengel

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Название Todesrunen
Автор произведения Corina C. Klengel
Жанр Ужасы и Мистика
Серия
Издательство Ужасы и Мистика
Год выпуска 0
isbn 9783947167081



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wenn man von seinem dominanten Auftreten absah. Obwohl sein Blick sie eindringlicher fixierte, als es die Regeln der Höflichkeit vorsahen. Dadurch hatte Tilla ständig das unangenehme Gefühl, dass er ihr zu nahe kam, obwohl er sich keinen Millimeter auf sie zu bewegt hatte. Dennoch trat sie nun einen Schritt zurück.

      »Tja, Herr Borderfeld, Ihr Auftrag hört sich ja wirklich verlockend an. Wie würde unsere Geschäftsbeziehung denn ablaufen?«

      »Sie haben mit der Visitenkarte eine E-Mail-Adresse erhalten, bei der Sie sich melden werden, sobald Sie zu Hause sind. Dann habe ich Ihre Daten. Sie werden bereits in den nächsten Tagen die ersten Texte erhalten, die Sie übersetzen. Ihre Übersetzung senden Sie per Mail an mich zurück. Ihre Bezahlung werden Sie in bar erhalten.«

      Es gesellten sich weitere Alarmglocken hinzu. »In bar? Herr Borderfeld, das ist etwas ungewöhnlich …«

      Er unterbrach sie. »Sehen Sie, Frau Leinwig, Deutschland ist ein völlig überbürokratisierter Staat, der es schwer macht, effizient zu arbeiten. Wir haben daher Ersatzmechanismen entwickelt, die nicht nur bestens funktionieren, sie bieten auch viele Vorteile.«

      »Vorteile?«

      »Ich sagte ja bereits, ich erwarte ein hohes Maß an Flexibilität von Ihnen. Dafür erhalten Sie das Vierfache dessen, was Sie normalerweise für diese Arbeit bekommen würden. Noch dazu erhalten sie die Summe vorab und in bar. Ob Sie Vater Staat daran teilhaben lassen, ist allein Ihre Sache.«

      Tilla wusste noch immer nicht, ob er als Fee oder als Mephisto vor ihr stand.

      Glattzüngig sprach er weiter. »Auf diese Flexibilität und auch auf Loyalität meiner Mitarbeiter, dazu gehört selbstredend auch Verschwiegenheit, lege ich großen Wert und bezahle auch gern dafür. Auch gebe ich langfristigen Engagements den Vorzug, viele meiner Leute arbeiten seit langen Jahren für mich und sind sehr zufrieden mit den Bedingungen. Für Sie wird die Tätigkeit der Übersetzerin eine Art Testphase werden. Ihre Sprachgewandtheit, Ihr Wissen und Ihre Präsenz, die Sie soeben in Ihrem Vortrag eindrucksvoll bewiesen haben, prädestinieren Sie durchaus auch für weitere Posten in meinem Unternehmen, das Sie nach der Probezeit besser kennenlernen werden.« Er fixierte sie einen Augenblick, bevor er weitersprach. »Da ich diesen Posten sehr kurzfristig besetzen muss, Sie springen quasi für jemand anderen ein, brauche ich eine verbindliche Zusage von Ihnen. Hier und jetzt. Also?«

      Angesichts eines so verlockenden Angebotes gebot Tilla sämtlichen Alarmglocken augenblicklich zu schweigen. »Nun ja … äh … ja!« Sie rang sich ein Lächeln ab.

      Borderfeld nickte zufrieden, drehte sich um und verschwand in der Dunkelheit. Tilla starrte dem schwarzen Rücken nach. Arbeiten, ohne zu fragen? War das klug? Unsinn. Jeder Arbeitgeber war anfangs vorsichtig. Testphase hatte er es genannt, das war in Ordnung. Und Übersetzerin, das klang doch seriös. Sie müsste verrückt sein, diese Chance nicht zu ergreifen.

      Kapitel 12

      Schwerter, weiß ich, liegen in Sigarsholm. Viere weniger als fünf mal zehn.

      Eins ist von allen das Beste, der Schilde Verderben, beschlagen mit Gold.

      – Edda, Das Lied von Helgi, 8 –

      »Meister Hermann?«, fragte Arthur devot und blieb vor dem großen Schreibtisch stehen. Hinter dem unterwürfigen Sekretär betrat Magnus mit fast unhörbaren Schritten das lichtdurchflutete Arbeitszimmer von Hermann Bordfeld. Der wandte sich jedoch zunächst an seinen ältlichen Sekretär und übergab diesem eine der Visitenkarten, die er Tilla überreicht hatte.

      »Sie kennt mich unter dem Namen ›Janus Borderfeld‹. Das auf der Karte angegebene E-Mail Postfach werde ich ausschließlich persönlich verwalten.«

      Arthur blickte etwas indigniert drein, nickte aber beflissen und entfernte sich.

      Abschätzend betrachtete Hermann das gefällige Äußere seines Adlatus Magnus. Es konnte für seine Zwecke hilfreich sein. Das hellblonde Haar war zwar eine Spur zu kurz geschnitten, um ihm das Aussehen eines Herzensbrechers zu geben, doch Hermann wusste genau, wie Magnus auf andere Menschen wirkte. Vor allem seine Augen waren von einem so intensiven Blau, dass er ohne großen Aufwand alle gewünschten Informationen bekam, die er haben wollte. Entweder durch seine Augen oder durch seine Fähigkeiten, anderen Schmerzen zuzufügen. Doch meist reichten seine Augen. Merkwürdig, dachte Bordfeld bei sich, dass die Menschen blauen Augen stets so viel Vertrauen entgegenbrachten.

      Der junge Mann war der beste Kämpfer seiner Division und wusste seine Fähigkeiten hervorragend einzusetzen. Er war clever und ehrgeizig. Letzteres machte ihn für Hermann immer ein wenig gefährlich. War Magnus es wert, dass er ihn in seinen neusten Plan einweihte? Hermann musterte ihn überlegend. Magnus nahm diese Musterung gelassen hin.

      »Was hast du für mich?«, fragte Hermann.

      »Der Kauf des Häuserkomplexes in Salzgitter ist dingfest. Soll ich das übliche Konzept zusammenstellen?«

      »Eine gute Gegend für uns«, antwortete Hermann. »Wir werden dort die ganze Palette anbieten.«

      »Auch den Schwertkampf?«

      »Ja. Es gibt dort mehrere Standorte, wo Mittelalterfeste stattfinden. Unsere Braunschweiger Gruppe ist zu dünn besetzt. Vielleicht lässt sich das verbinden.«

      Magnus ließ nicht erkennen, ob er die Entscheidung seines Chefs positiv oder negativ bewertete. Er nickte und sagte dann: »Ich habe übrigens diesen Harald Schakenbeck gefunden. Er arbeitet für das Sozialamt in Goslar. Hier ist seine Adresse.«

      Hermann nahm den Zettel mit der Adresse entgegen und legte ihn zur Seite. Er hatte keine Lust, Magnus zu erklären, was es damit auf sich hatte, aber er wusste auch, dass er sich bald entscheiden musste, ob er ihm vertraute. Vielleicht war es doch besser, jemand anderes mit heranzuziehen. Wenn er Magnus‘ Aufgaben anderweitig verteilte, war sein Adlatus quasi degradiert und würde keine Fragen mehr stellen. Aber würde er dann noch bleiben?

      Hermann hatte sich seine heutige hohe Position nach seiner Genesung hart erarbeitet. Es hatte lange gedauert, bis man ihn an der Aufstiegshierarchie des Ordens wieder teilhaben ließ. In der Zeit davor hatte er so manches Mal mit dem Gedanken gespielt, sich abzusetzen und zur Fremdenlegion zu gehen. Magnus war genauso ungeduldig wie er selbst. Die Organisation brauchte Männer wie ihn.

      »Hast du sie beobachtet? Wohnt sie allein?«

      »Hin und wieder bekommt sie Besuch von einem Nachbarn«, erklärte Magnus. »Neulich war mal ein Bundeswehrsoldat bei ihr. Er und sein Bruder waren Mitbewohner von ihr aus Braunschweig.«

      Hermann nahm die Information wortlos hin und wollte sich schon seinen Unterlagen widmen, als er merkte, dass sich Magnus nicht entfernte. Er sah auf.

      »Wer ist sie?«, fragte Magnus. Sein Blick wich keinen Deut.

      Hermann betrachtete Magnus kühl. Allein die Frage war ein Affront. Beide wussten das. Hermann wartete, bis das linke Lid seines Gegenübers leicht zu zucken begann. Zufrieden beendete er das Duell. Er beugte sich leicht nach vorn und sah Magnus eindringlich an. »Magnus, wie viel weißt du über den Sonderauftrag H unseres allseits geschätzten Heinrich Himmler?«

      Kapitel 13

      Die Kelten bewiesen eine leichte Fassungsgabe, vor allem für Sprachen.Sie beherrschten das Griechische ebenso wie Latein.

      – Georg Grupp –

      Tilla saß an ihrem Computer und tippte fast ohne abzusetzen. Sie hätte nie gedacht, dass ihr das Übersetzen so leicht fallen würde. Mit Borderfelds regelmäßig eintreffenden Aufträgen und dessen Honorar hatte sich für Tilla einiges verändert. Nicht nur, dass die meisten ihrer Rechnungen beglichen waren, sie hatte damit auch den Anfang für grundlegende Veränderungen in ihrem Leben gefunden. Es läutete an der Tür. Energiegeladen sprang Tilla