Todesrunen. Corina C. Klengel

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Название Todesrunen
Автор произведения Corina C. Klengel
Жанр Ужасы и Мистика
Серия
Издательство Ужасы и Мистика
Год выпуска 0
isbn 9783947167081



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Weise in seinem Handwerk blies er die Glut, hielt inne, blies wieder und hielt wieder inne. Nach einer Weile prüfte er die Temperatur und betrachtete dazu die Glut. Alle sahen ihm interessiert zu. Er erklärte den Seinen, dass ihm die Farbe der Flammen verriet, wann jene Hitze erreicht sei, an dem das Eisen aus dem Erze zu rinnen beginne. Lächelnd wies er auf eine Grube unterhalb des Lehmschlotes. Unter großem Jubel der Dörfler begann sie sich mit einer feurigen Masse zu füllen, die sich einer Schlange gleich aus dem Rennofen wand. Die Fließfähigkeit des heißen Metalls behagte Thurizan wohl und er wusste, dies würde auch ohne Magie eine starke Waffe werden. Thurizan hatte weitere Erze mit anderen Mineralanteilen gesammelt, die, in wohl bemessenen Mengen dazugegeben, dem späteren Schwert genau die richtige Dichte zwischen spröde und biegsam geben würden. Keine andere Klinge würde dieses Schwert zum Bersten bringen, wohl aber vermochte diese Klinge ein anderes Schwert mit einem beherzten Streich zu entzweien.

       So schmiedete der Druide die mächtige Waffe aus den Schätzen des Harces, welche ihm durch den Herrn der Elemente gegeben. Und Crodo war großzügig in seinen Gaben gewesen. Immer wieder hatte Thurizan das Schwert dem heiligen Feuer anheimgegeben und seine machtvollen Worte in den Rauch geraunt. Als letzten Schritt schmiedete er am Ende des Griffstückes eine eiserne Klaue aus kunstvollen Ranken, die den Sonnenstein sicher an seinem Platze hielt und doch genug des Lichtes hindurch ließ, auf dass das Zeichen des Feuers zu sehen sein würde. Nun war es vollbracht. Ein Kleinod von unvergleichlicher Schönheit und von großer Macht war entstanden. Ein Schwert nach Manier der Celtae, länger als das Gladium der Römer, schwerer als derer viere, glänzend, als habe der Sonnengott Belenus höchstselbst es berührt, der Griff verziert mit dem Metall des Mondes, endend in dem magischen Stein, der Feuer spie, wurde das Schwert in großem Zorn geführt.

      Zwischen den Zeilen erkannte Tilla eine kleine Bleistiftskizze. Sie wusste, es handelte sich um die Skizze zu einem Ölbild, das ihre Mutter mal gemalt hatte. Es zeigte ein Schwert, das sich aus einer Flüssigkeit zu erheben schien. Früher hatte Tilla immer gedacht, ihre Mutter habe Excalibur, das Schwert König Artus, gemalt. Doch nun verstand sie dieses Bild im Zusammenhang mit der Geschichte. Um ein Schwert entstehen zu lassen, braucht es alle Elemente; Feuer, Wasser, Erde, Luft, hörte sie ihre Mutter wispern.

      Seufzend ließ Tilla die Blätter mit der Harcylugh-Geschichte sinken. Überall im Haus nahm sie ihre Mutter wahr. Hier eine schwache Spur ihres Maiglöckchenparfums, dort ein Schatten, als husche Hedera gerade um die Ecke. Ihre Mutter war allgegenwärtig. Nur sie selbst existierte in diesem Haus nicht mehr.

      Diese Feststellung hatte Tilla mehr als alles andere erschüttert, und sie verstand es nicht. Ihre Mutter hatte jede Spur von ihr getilgt. Kein einziges Foto von ihr hing an den Wänden, die früher unter der Last von Hederas Fotos und Zeichnungen von Tilla fast zusammenzubrechen drohten. Selbst Tillas Jungmädchenzimmer war zu einem unpersönlichen Gästezimmer umfunktioniert worden. Kraftlos saß Tilla auf dem Boden des Wohnzimmers und starrte in den Garten. Sie hatte zuletzt nicht gerade ein harmonisches Verhältnis zu ihrer Mutter gehabt, aber dass Hedera ihre Existenz geradezu aus diesem Haus herausradiert hatte, schmerzte unendlich.

      Es hatte aufgehört zu regnen. Tilla stand auf, öffnete erst den einen, dann einen weiteren ihrer noch immer unausgepackten Koffer im Flur, bis sie ihre Laufschuhe gefunden hatte. Sie streifte sie über, schnappte sich ihre Jacke und verließ das Haus.

      Nach einer viel zu kurzen Aufwärmphase lief Tilla in hohem Tempo den Waldweg entlang Richtung Stapelburg. Mit bösartiger Befriedigung registrierte sie die Warnzeichen ihres Körpers. Sie wusste sehr wohl, dass sie mal wieder die Grenzen überschritt. Es war, als wolle sie ihren Körper für das bestrafen, was geschehen war.

      Ich bin schuld, ich bin schuld, ich bin schuld … hämmerte es bei jedem Schritt in ihrem Kopf und sie gab sich den Wellen des Schmerzes bewusst hin. Irgendwann kam jedoch der Punkt, den sie für sich immer mit ›Abheben‹ beschrieb. Die Seitenstiche hörten auf, der Atem fand seinen Rhythmus und die Muskeln spannten und entspannten nahezu ohne ihr Zutun. Rhythmisch und federnd lief sie Kilometer um Kilometer, bis sie die Ecker erreichte, wo sie sich nicht etwa eine Pause gönnte. In unvermindertem Tempo lief sie zurück Richtung Bad Harzburg. Doch nach einer Weile hatte sie das Gefühl, dass ihr die Lungenflügel zu zerspringen drohten, und verringerte die Geschwindigkeit. Im gleichen Maße, wie ihre Beine ruhiger wurden, verstärkte sich das Wirbeln ihrer Gedanken, was mehr schmerzte als ihre malträtierte Oberschenkelmuskulatur.

      Sie hatte ihre Mutter verloren, sie hatte Nina verloren, sie war bestraft und als Hexe beschimpft worden. Und sie hatte jegliche Möglichkeit verloren, doch noch etwas über ihren Vater zu erfahren.

      Fast war es, als hörte sie ihre Mutter flüstern: Deine Aura schwankt zwischen aggressivem Rot und unruhigem Orange …

      »Ich weiß«, fauchte Tilla ins Nichts. »Dazu hab ich ja wohl auch allen Grund! Wie immer ist es dir auch diesmal gelungen, meinen Fragen elegant aus dem Wege zu gehen!«

      Sie gab ein Geräusch von sich, das entfernt an den Kampfschrei orientalischer Frauen erinnerte, und trampelte auf dem Waldweg herum, als gelte es, ihn zum Einsturz zu bringen. Erst als sie sich etwas beruhigt hatte, merkte Tilla, dass ihr eisiger Wind entgegenpfiff. Mit einem ungnädigen Ruck zog sie den Reißverschluss ihrer Jacke hoch. In diesem Moment hüllte sie ein Sonnenstrahl ein, der dem kahlen Novemberwald ein kleines Stückchen Freundlichkeit gab. Tilla ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Sofort spürte sie, wie sich die dunklen Schatten ihrer Gedanken leichter zurückdrängen ließen.

       So ist es recht, mein Kind, du musst dich erden, damit sich deine Energien mit denen der Natur verbinden. Die Kraft der Erde wird deine schlechten Energien verdünnen und damit umgestalten …

      »Mutsch, lass mich in Ruhe! Meine Energien sind so explosiv, die reichen, um den halben Harz wegzusprengen.«

       Es sind ungesunde Energien, die sich immer stärker mit deinem Selbst verbinden. Du kannst sie nur ableiten, indem du sie durch dich durchlässt und durchlebst. Nur dann kann die Wunde heilen ...

      »Ich will aber nicht!« Tilla und zuckte vor der Heftigkeit ihrer eigenen Worte zusammen. Verstohlen sah sie sich um. »Heilige Göttin! Jetzt streite ich mich schon mit meiner toten Mutter auf einem Waldweg herum.« Es wurde Zeit, dass sie zurück nach Hause und zurück ins Leben kam. Es dämmerte bereits.

      Die Tortur hatte sich gelohnt, denn es ging Tilla viel besser, gerade so, als habe man ihr einen viel zu engen Mantel vom Körper gestreift. Tief sog sie die erdige Herbstluft ein. Als sie aus dem Wald auf die Schotterstraße trat, die zu ihrem Haus führte, kam ihr ein dunkler Wagen entgegen. Erst dachte sie, er wolle vor ihrem Haus parken, doch dann fuhr der Wagen ruckartig wieder an und so dicht an ihr vorbei, dass Tilla in den Matsch gedrängt wurde. Verärgert starrte sie in die getönte Autoscheibe, durch die rein gar nichts zu sehen war. Sie blieb am Wegesrand stehen und staunte dem Wagen nach, der unberechtigt den Waldweg entlangfuhr.

      Den Mann im Fond des Wagens traf der Anblick der jungen Frau am Wegrand wie ein Schlag. Die Emotionen, die ihn so unvermutet überkamen, erreichten erstaunlicherweise die Grenze dessen, was er kontrollieren konnte. Dennoch hätte nur ein Beobachter, der ihn sehr gut kannte, das Zucken der kleinen Narbe bemerkt, die seine rechte Augenbraue teilte. Aber da es niemanden gab, der ihn gut genug kannte, blieb sein Gefühlssturm unbemerkt. Starr blickte er die junge Frau an und wurde geradezu durchgeschüttelt von Erinnerungen, die viele Jahre zurücklagen. Die schlanke Gestalt, das flammend rote Haar, dieses Gesicht … unfassbar! Diese Ähnlichkeit erschien ihm unmöglich und doch ... Sie stand dort am Wegrand.

      Die wortreiche Rede seines Sitznachbarn schroff ignorierend befahl er: »Nicht halten! Fahr weiter!«

      Kapitel 11

      Als Eisenschmiede und Bergleute gingen die Kelten in die germanische Mythologie ein. Wenn in Sagen von den hilfreichen Kleinen im Kapuzenmantel die Rede ist,so sind damit Kelten gemeint. So sind die Namen der Zwerge in der Germanischen Edda ausschließlich keltischen Ursprungs.

      – Alexander Demandt, Die Kelten –