Название | Eine Spur von Glück |
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Автор произведения | Monika Hinterberger |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783835345393 |
Frauen wie Sappho oder Kleobouline waren keineswegs Ausnahmen.
Der Schule des Pythagoras aus Samos ( um 570-510 v. Chr.) haben zahlreiche Philosophinnen angehört, etwa die vielgerühmte Theano aus Kroton oder auch Periktyone, deren philosophische Abhandlungen fragmentarisch überliefert sind. In Briefform blieben Schriften der Pythagoreerinnen erhalten, die zu einem großen Teil an Frauen gerichtet waren. Und wiederum durch Diogenes Laertios ist die Nachricht überliefert, dass Pythagoras einen großen Teil seiner Arbeiten zur Ethik einer Frau, der Priesterin Themistokleia zu verdanken habe. So sind immerhin einige Namen gebildeter Frauen überliefert, die ihren Einfluss innerhalb der antiken Gesellschaft geltend machten und Anteil am kulturellen und politischen Geschehen ihrer Zeit hatten. Und als in klassischer Zeit die schriftliche Aufzeichnung literarischer sowie wissenschaftlicher Werke immer breiteren Raum einnahm, als wissenschaftliche Abhandlungen, epische Dichtungen und lyrische Werke auf Papyrus niedergeschrieben und schließlich, durch Abschriften vervielfältigt, einem lesenden Publikum zugänglich wurden, da gehörten selbstverständlich auch Frauen zum Adressatenkreis der entstehenden Literatur, Frauen wie die Lesende auf der kleinen Lekythos.
Eine Welt der Bücher
Wie kam sie in den Besitz der kostbaren Papyrusrolle?
Die Wertschätzung von Wissen und Bildung und der Wunsch, selbst zu lesen, hatten eine steigende Nachfrage nach Büchern zur Folge. Das Buch, gemeint sind in dieser Zeit stets Rollen aus Papyrus, war bald aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Und so entstand bereits im Athen des 5. Jahrhunderts v. Chr. ein reger Buchhandel. Die vervielfältigten Dramen, Tragödien und Komödien, lyrische Texte sowie philosophische und geschichtliche Werke konnten auf dem Markt erworben werden, wo sie wie andere Waren angeboten wurden. Und wer in der athenischen Bürgerschaft es sich leisten konnte, legte sich eine mehr oder weniger umfangreiche private Sammlung von Texten zu. Diese Entwicklung einer Lesekultur blieb nicht auf die Grenzen Athens beschränkt. Die Herstellung und das Lesen von Büchern verbreiteten sich über Athen hinaus bis in entfernte Gebiete der hellenistischen Welt.
Jede Buchrolle war ein handschriftliches Unikat, zeitaufwendig in der Herstellung, kostspielig in der Anschaffung und durchaus eine Frage hohen sozialen Ansehens. Da es eine öffentliche Buchausleihe noch nicht gab, war, wer auf Bildung Wert legte, wer für seine wissenschaftliche Arbeit Bücher benötigte oder wer zum Vergnügen lesen wollte, auf die Einrichtung einer privaten Büchersammlung angewiesen. Der Kauf einer Schriftrolle stellte dabei eine Möglichkeit dar. Eine andere war, selbst für Abschriften vorhandener Texte zu sorgen. Nicht immer war ein gewünschtes Werk auf dem Buchmarkt vorhanden, manchmal war es einfach unerschwinglich. So war das Anfertigen einer Abschrift in Eigenregie eine willkommene Alternative. Und da es ein Urheberrecht in unserem Sinne nicht gab, waren der Vervielfältigung von Texten keine Grenzen gesetzt. Wer über genügend Papyrus und Schreibgeräte verfügte, lieh sich ein Buch etwa im Freundeskreis aus und kopierte den Text eigenhändig. Wer es wünschte und finanzieren konnte, mochte auch einen Schreiber – vielleicht eine Schreiberin – oder ein Skriptorium mit der Abschrift eines Werkes beauftragen. Diese Art der Vervielfältigung von Texten blieb bis zur Erfindung des Buchdruckes in der Mitte des 15. Jahrhunderts die einzige Möglichkeit zur Verbreitung von Literatur – zweitausend Jahre lang.
Ihren Platz fanden die empfindlichen Buchrollen in der Regel in eigens dafür vorgesehenen Büchertruhen innerhalb des Wohnraums der Familie. Ein schönes Beispiel einer solchen Truhe steht zu Füßen der lesenden Athenerin auf der kleinen Vase. Diese Vasenbilder des 5. vorchristlichen Jahrhunderts sind früheste Zeugnisse für das Vorhandensein und den Umgang mit Büchern im Alltag der Athenerinnen und Athener. Und es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass antike Dichterinnen und Dichter in großem Umfang Bücher sammelten. Von Euripides ( 480-406 v. Chr.) oder Aristophanes ( 450-380 v. Chr.) beispielsweise wird dies berichtet. Ohne ihre eigenen Büchersammlungen hätten auch die Philosophen und Philosophinnen, etwa die in Athen lehrende Philosophin und Verfasserin vieler Schriften Arete von Kyrene ( um 400-330 v. Chr.), ihre Arbeit schwerlich bewältigen können. Platon ( um 427-347 v. Chr.) nannte eine große Bibliothek sein eigen, und die legendäre Bibliothek seines Schülers Aristoteles galt später als eine der bedeutendsten ihrer Zeit. All dies hatte zu einer enormen Belebung des Buchmarktes beigetragen. Und Platons Akademie ( gegr. 388 v. Chr.) sollte zum Vorbild für spätere Forschungsstätten mit angrenzender wissenschaftlicher Bibliothek werden. Seinem Schülerkreis ( !) hatten auch Frauen angehört. Die Namen von zwei Teilnehmerinnen, Axiothea von Phleius und Lastheneia, finden sich in einem Bericht des Diogenes Laertios, ebenso der Hinweis, dass Axiothea als Mann gekleidet die Akademie besucht habe. Zwei zufällig überlieferte Namen? Namen jedenfalls, die der Frage Nahrung geben, wie groß die Zahl gelehrter Frauen, die Zahl der Teilnehmerinnen philosophischer Akademien tatsächlich gewesen sein mag.
Und die lesende Athenerin?
Hatte sie die Papyrusrolle auf dem Markt erworben? Hatte sie eigenhändig eine Abschrift angefertigt, vielleicht aber auch eine solche in Auftrag geben? Die geöffnete Büchertruhe vor ihr lässt darauf schließen, dass sie über eine eigene Sammlung von Texten verfügte. Der Besitz von Büchern war für athenische Frauen keineswegs ungewöhnlich. Literarische und bildliche Quellen bezeugen dies. Und da Papyrusrollen auf attischen Vasenbildern stets einen literarischen Text enthalten, sind die Büchertruhe wie die Schriftrolle in den Händen der Lesenden auch Ausdruck ihrer literarischen Bildung. Ruhig und konzentriert tritt sie in Erscheinung. Als eine an Literatur und Kultur ihrer Zeit interessierte, gebildete Frau im Athen der klassischen Zeit.
In Frauenräumen
Und was liest sie?
Einen lyrischen Text? Bereitet sie eine Rezitation möglicherweise im Kreise von Freundinnen vor? Unterschiedliche Frauengemachszenen, bei denen zwei oder mehrere Frauen miteinander musizieren und aus geöffneten Schriftrollen rezitieren, sind auf Vasen abgebildet: Frauen beim Spielen verschiedener Musikinstrumente, der Lyra, der Kithara, des Barbitons oder des Aulos. Sie singen oder verbinden gelegentlich die Musik mit dem Vortrag eines lyrischen Textes.
Gründe, sich zu treffen, gab es viele. Das Barbiton, ein mit der Liebeslyrik eng verbundenes Saiteninstrument – besonders wenn auf Darstellungen ein kleiner Eros mit im Spiel ist –, deutet auf ein Treffen von Freundinnen im heiratsfähigen Alter hin, die von der Liebe singen. Oder die anlässlich von Hochzeitsfeierlichkeiten Abschied nehmen von ihrer Gefährtin, die als junge Braut an der Schwelle zu ihrem Leben als Ehefrau, als Gyne steht. Trugen sie vielleicht bei dieser Gelegenheit sapphische Hochzeitslieder vor?
Aber nicht nur die Vorbereitung von Hochzeitsfeiern nahmen Frauen zum Anlass, gemeinsam Zeit zu verbringen. Vasenbilder zeigen Szenen, in denen das Musizieren in Frauenräumen und die Beschäftigung mit Literatur keine Seltenheit waren. Und es scheint, als seien diese Zusammenkünfte nicht allein den Mußestunden der Frauen vorbehalten gewesen, sondern konnten gelegentlich auch im Rahmen eines häuslichen Wettbewerbs unter Frauen stattfinden, bei dem neben der Musik auch Dichtung vorgetragen wurde.
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