Название | Wie zerplatzte Seifenblasen ... |
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Автор произведения | Aylin Duran |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783960743477 |
Ben fuhr herum und schien mich zum ersten Mal wirklich zu sehen. Mich anzusehen. Auf seinem Gesicht machte sich ein verwirrter Ausdruck breit, dann öffnete er den Mund, schloss ihn jedoch wieder, ohne meine Frage beantwortet zu haben. Schnell schüttelte ich den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben.
„Stell’ dich nicht hilfloser dar, als du es bist“, schalt ich mich leise. Er war ein Fremder. Es reichte, dass ich mich die ganze Nacht mit ihm am Bahnhof herumgetrieben hatte. „Blöde Idee“, sagte ich. „Vergiss sie.“ Ich stand so hastig auf, dass ich stolperte. Ich spürte seine Blicke im Rücken, als ich begann, meine Taschen zusammenzusuchen. Ich vermied es, ihn anzusehen.
„Klar kannst du mitkommen“, hörte ich Ben sagen. „Ich meine … ich kann es dir nicht verbieten, die Bürgersteige zu benutzen, oder?“
Ich wusste, dass er grinste, obwohl ich ihm den Rücken zukehrte. „Bist du dir sicher?“, fragte ich, doch im selben Moment ärgerte ich mich bereits über die Unsicherheit in meiner Stimme und bereute es, gefragt zu haben.
Ben schulterte seine Gitarrentasche und seufzte. „Du kannst mitkommen oder hierbleiben. Es ist mir egal, was du machst, verstehst du?“
*
Cagney
Mai
„Ich hätte gerne eine Pizza Peperoni.“ Durch das Fenster des Straßenverkaufsstandes starrte mich ein pubertierendes Mädchen an, dessen Gesicht ausschließlich aus Pickeln in verschiedenen Reifestadien zu bestehen schien. Ich starrte zurück und war beeindruckt von einem besonders großen, gelben Pickel, der sich direkt auf ihrer Nase befand. Es dauerte eine Weile, bis sie mir einen zerknitterten Fünfer entgegenstreckte und wiederholte: „Pizza Peperoni.“
Ich nahm den Geldschein entgegen und wollte ihn schon in das passende Fach der Kasse einsortieren, als mir auffiel, dass wir keine Pizza Peperoni verkauften. „Eh.“ Ich wollte ihr den Schein zurückgeben. „Peperoni gibt’s nicht.“
Allerdings machte das Mädchen keine Anstalten, das blöde Geld zurückzunehmen, ganz im Gegenteil: Trotzig hob sie ihr verpickeltes Kinn. „Warum nicht?“
„Keine Ahnung, vielleicht, weil Peperoni eklig ist?“, antwortete ich genervt. Eigentlich wollte ich sie nicht mehr anschauen, aber ihre Pickel hypnotisierten mich irgendwie.
Mit dem Zeigefinger tippte sie an die Außenfassade. „Da steht aber, dass Pizza Peperoni neu im Sortiment ist.“
Da fiel es mir wieder ein. Sie hatte recht – und das, obwohl sie eklig und hässlich war. Was sollte ich dazu sagen? Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn, schätzte ich. „Sorry, du hast recht.“
„Ich weiß, dass ich recht habe. Und weißt du was? Deinen Service fand ich ziemlich scheiße.“
„Wenn dir hier der Service nicht passt, warum bewegst du deinen Arsch dann nicht in ein schickes Restaurant und lässt dir dein Pickelgesicht da bedienen?“, giftete ich sie an.
Nach meiner letzten Aussage klappte ihr empört der Mund auf, es dauerte einen Moment, bis sie wieder fähig war, ihn zu schließen. Das freute mich. Ich mochte keine verwöhnten, reichen Mädchen, die grundsätzlich alles in den Arsch geschoben bekamen, ohne zu arbeiten.
„Weißt du nicht, wer ich bin?“ Sie machte einen weiteren Schritt auf mich zu und mittlerweile sah sie so wütend aus, dass ich froh war, dass ich für den Straßenverkauf arbeitete und mir niemand zu nah auf die Pelle rücken konnte, weil es ein Fenster zwischen mir und den Kunden gab.
„Klar weiß ich, wer du bist. Grace Kelly. Hab’ dich sofort erkannt.“
Sie stützte von außen die Ellenbogen auf die Verkaufsfläche und senkte ihre Stimme zu einem bedrohlichen Flüstern. Neben dem Geruch nach erkaltetem Fett roch ich nun den angenehmeren Geruch ihres Parfüms. „Weißt du überhaupt, für wen du arbeitest?“ Je näher sie mir kam, desto flächendeckender sahen die Pickel in ihrem Gesicht aus.
„Jetzt komm ich nicht mehr ganz mit, Quasimodo.“
„Mein Onkel schmeißt den Laden und bezahlt Vollidioten wie dich. Aber ich glaube nicht, dass du noch Geld von ihm kassieren kannst, wenn er erfährt, wie du deine Kunden behandelst.“ Mit diesen Worten und einem letzten empörten Schnauben kehrte sie mir den Rücken und rauschte davon.
Vor lauter Aufregung vergaß das Pickelgesicht sogar, dass sie die Pizza Peperoni schon bezahlt hatte.
*
Ben
Mai
Ich hatte so viel Zeit allein verbracht, dass es komisch war, Lina plötzlich bei mir zu haben. Lange, einsame Nächte mit keiner anderen Gesellschaft als meiner verbeulten Gitarre, frühe Morgenstunden mit kalten Füßen – wir Menschen sind stärker, als wir denken, wir können uns an alles gewöhnen, wenn wir den Zustand nur lang genug ertragen müssen. Wenn wir erkannt haben, dass es ohnehin kein Entkommen gibt. Auf dem schmalen Fußweg plapperte Lina vor sich hin, ich war mir sicher, dass es nur belangloses Zeug war, aber ich hätte ohnehin keine Kraft gehabt, ihr zuzuhören.
Es dauerte nicht lange, bis auch Lina das erkannte. „Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?“, fragte sie und stemmte die Hände in die Hüften. Sie war schmal gebaut, wenn sie allerdings die Hände so in die Hüften stemmte, war der Fußweg zu schmal für uns beide. Und natürlich hatte ich ihr nicht zugehört.
„Oh“, sagte ich gleichgültig. Lina runzelte ihre Stirn, konnte sich dann jedoch dazu durchringen, normal weiterzulaufen. „Ich bin ein ziemlicher Morgenmuffel, weißt du?“, log ich und bemühte mich, ihren schmalen Ellenbogen beim Laufen nicht mit meinem zu berühren. Ich hasste Körperkontakt.
„Das würde ich verstehen, wenn du geschlafen hättest. Aber wir waren die ganze Nacht wach, deshalb macht es absolut keinen Sinn, was du da sagst“, meinte sie.
Schon da war der Punkt erreicht, an dem sie mir auf die Nerven ging. Und das, obwohl ich sie zuvor konstant ignoriert hatte. Ich knurrte, bevor ich ihr antwortete: „Sag’ mir bitte nicht, was Sinn macht und was nicht. Deine Einstellung über Möwen hat mir nämlich schon gezeigt, dass du absolut keine Ahnung hast. Nicht über das Leben, aber noch weniger über die Sinnhaftigkeit unseres Lebens. Also: Sei bitte einfach ruhig.“ Ich suchte ihren Blick, aber sie starrte wütend auf die Pflastersteine. Als sie nichts erwiderte, seufzte ich zufrieden. „Danke.“
Es dauerte nur wenige Sekunden, und eigentlich war es mir klar gewesen, dass Lina das letzte Wort haben musste. Frauen. „Ben, du bist ein richtiger Kotzbrocken.“
Nachdem wir uns ein billiges Hostel genommen hatten, in dem wir die heruntergekommenen Zimmer nebeneinander bezogen, hatte ich keinen sehnlicheren Wunsch, als zu schlafen. Die Einrichtung war minimalistisch, auf unserer Etage gab es nur Gemeinschaftswaschräume, die Teppiche waren verdreckt und es roch nicht gerade appetitanregend. Ich war allerdings so übermüdet, dass mich solche Kleinigkeiten nicht störten. Außerdem war ich froh über die billigen Preise. Ich war so unglaublich gerädert, so müde. Ich spürte diese Müdigkeit in jeder einzelnen Zelle, und ich konnte nur noch die Kraft aufbringen, mir die schmutzigen, nassen Schuhe von den Füßen zu streifen, bevor ich zum Bett krabbelte, mich auf dem weißen Laken zusammenrollte und einschlief.
Mein Schlaf war traumlos und endete abrupt durch ein Klopfen an der Zimmertür. Sogar in diesem komischen Dämmerzustand zwischen Traumwelt und realer Welt wusste ich sofort, wer vor der Tür stand. Es musste Lina sein.
„Gut geschlafen, Partner?“, hörte ich ihre zaghafte Stimme auf der anderen Seite der Tür.
Ich stöhnte erschöpft. Wann würde sie es endlich kapieren? „Wir sind keine Partner!“, rief ich und machte keine Anstalten, ihr die Tür zu