Geisterfahrten. Theres Roth-Hunkeler

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Название Geisterfahrten
Автор произведения Theres Roth-Hunkeler
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783906907451



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Medikamentenbox überreicht und mich gebeten, den daraus hervorgehenden Verabreichungsplan genau einzuhalten, was ich bis jetzt befolgt habe. Ich drücke ein Novalgin aus dem Blister, hole in der Küche ein Glas mit etwas Wasser und gehe nochmals zu Stern ins Wohnzimmer.

      Das hier hilft gegen die Schmerzen, sage ich und zeige ihm die Tablette. Er macht den Mund auf, ich lege ihm das Medikament auf die Zunge, reiche ihm das Glas und er führt es unter heftigem Zittern zum Mund, verschüttet einen Teil des Inhalts, es gelingt ihm aber, in seiner halbliegenden Position die Tablette zu schlucken, man merkt, darin ist er geübt.

      Schlaf ein wenig, sage ich.

      Mache ich.

      Ich gehe nun.

      Ist in Ordnung.

      Ich verlasse das Haus und eile die paar Minuten zum Albergo, inständig hoffend, Sanders dort nicht anzutreffen. Ich betrete die Lobby, beim Empfang sind zwei ältere Damen im Gespräch mit einer freundlichen Rezeptionistin. Mir bleibt Zeit, sie zu betrachten. Sie ist dezent geschminkt, das dunkle Haar hat sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, sie trägt einen schwarzen Rock, eine weiße Bluse, den Blazer hat sie über den Stuhl gehängt, Strümpfe und Schuhe kann ich erst sehen, als ich an den Desk trete, nachdem die beiden Damen sich verabschiedet haben. Schuhe und Strümpfe sind dunkel und elegant und machen den Auftritt der jungen Frau perfekt oder fast perfekt. Im Hotel, in dem ich bis vor Kurzem gearbeitet habe, wäre es für eine Rezeptionistin undenkbar, ihren Blazer nicht zu tragen.

      Wie kann ich Ihnen helfen?, fragt Anna Moretti, so heißt sie, das entnehme ich dem Namensschild auf dem Desk. Sie spricht Italienisch mit mir, wechselt dann aber zu Deutsch und versteht mein Anliegen sofort. Sie reicht mir die Weinkarte und sagt: Herr Sanders bewohnt Zimmer 17.

      Die Wahl fällt mir leicht: Eine Flasche Le Volte, ein Rotwein, den nicht nur ich, sondern auch viele unserer Hotelgäste stets geschätzt haben. Eine Karte, um Sanders einen Gruß zu hinterlassen, habe ich nicht. Anna Moretti löst auch dieses Problem und reicht mir eine Ansichtskarte des Hotels im Sommerflor und einen Stift. Schnell schreibe ich auf die Rückseite: Lieber Erik Sanders, danke nochmals sehr herzlich für Ihre Hilfe. Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt und schicke Ihnen viele freundliche Grüße, Lisa Hauser. Einen Moment lang überlege ich, meine Handynummer auf der Karte zu hinterlassen, aber tue es dann doch nicht. Anna Moretti reicht mir sogar einen Briefumschlag, und während ich die Karte hineinstecke und auf die Vorderseite in Großbuchstaben Für Erik Sanders, Zimmer 17 schreibe, klingelte sie bereits nach einem Zimmermädchen.

      Wieder im Haus, schleiche ich mich auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer. Stern scheint nun tief zu schlafen, jedenfalls erwacht er nicht, obwohl die Bodendielen knarren. Endlich habe ich Zeit, zu überlegen, was nun geschehen soll. Aus der Küche hole ich einen Kaffee, gehe damit nach unten in den Portico, wo die Mittagswärme noch immer angenehm einfällt. Nur erscheint anstelle eines konkreten Plans für die nächsten Tage unvermittelt Sanders Gesicht vor meinem inneren Auge. Ob er mittlerweile zurück ist im Hotel? Ob er Rotwein, alkoholische Getränke überhaupt mag? Ich glaube, dank meiner jahrzehntelangen Tätigkeit in der Hotellerie ein Gefühl für Menschen, für ihr Trinkverhalten und ihre Vorlieben entwickelt zu haben, aber möglicherweise liege ich bei Sanders vollkommen falsch. Egal, dann kann er ja den Wein stehen lassen oder ihn verschenken, an die junge Rezeptionistin Anna zum Beispiel, aber ich vermute, dass er nicht der Typ ist für solche Aktionen, die sehr oft anders motiviert sind. Wie viele einsame Männer sind mir begegnet während meiner Zeit hinter den Empfangsdesks, wie viele haben mich auf einen späten Drink einladen wollen, haben gewartet und gewartet, bis die Kollegen in der Bar, diskret zwar, aber unmissverständlich, mit dem Aufräumen begonnen haben? Ich bin nie mitgegangen auf ein Zimmer, kein einziges Mal, und es ist mir nie schwergefallen, professionell zu bleiben und solche Angebote freundlich und bestimmt zugleich abzulehnen.

      Auf einem verschwommenen Schwarzweißbild im Kleinformat und mit gezackten Rändern steht Filomena unter einem Nussbaum auf dem Vorplatz des Wirtshauses mit einem Säugling im Arm. Ob mit Ernst oder mit Walter weiß niemand mehr. Auf einem Familienbild sitzen Filomena und Franz auf zwei Stühlen im Freien, in ihrem Rücken eine kräftige, stark belaubte Hecke, über ihren Köpfen die Drähte einer fix montierten Vorrichtung zum Wäsche aufhängen. Franz hält ein blondes Bübchen auf den Knien. Ernst. Es ist ein Sonntag im Sommer 1938. Ernst ist hell gekleidet, trägt eine kurze Hose, ein Kurzarmleibchen und ist barfuß. Er blickt ganz heiter in die Welt. Franz trägt ein weißes Hemd, eine dunkle Krawatte, ein schwarzes Gilet zu einer dunklen Hose, seine Schuhe sieht man nicht, weil sich seine und auch Filomenas Füße im Schatten befinden. Sein dichtes, dunkles Haar etwas wild, die großen Ohren gut sichtbar. Er lächelt. Neben ihm sitzt Filomena, den Säugling Walter im Arm. Sein Kopf ruht auf ihrer rechten Schulter und ist zur Hecke hin gedreht. Er trägt ein helles Mützchen, ein wollenes Babyjäckchen und ist in ein Umtuch gehüllt. Vielleicht schläft er, das Bild ist nicht sehr deutlich. Filomena trägt ein Blümchenkleid, darüber eine gestreifte Halbschürze. Ihr gekräuseltes Haar hat sie zu bändigen versucht, man erkennt die Andeutung eines Seitenscheitels. Sie lächelt nicht, sie schaut nicht auf den Säugling, ihr Blick ist in die Ferne gerichtet, sie ist noch keine neunundzwanzig Jahre alt, wirkt aber früh gealtert.

      Auf dem zweiten Familienbild ist Herbst, man sieht es an den wärmeren Kleidern der Kinder. Die Familie steht mitten auf einer nicht geteerten Straße, im Rücken ein großes Wohnhaus mit einer Scheune. Filomena hat Walter auf dem Arm. Er ist gewachsen, sein Kopf muss nicht mehr gestützt werden. Gekleidet in warme, gestrickte Babysachen und Wollsöckchen schaut er direkt in die Kamera. Filomena trägt ein wadenlanges, dunkles Kleid, hochgeschlossen mit langen Ärmeln, dazu dunkle Strümpfe und dunkle Schuhe. Wieder ihr ernster Blick. Hinter ihr ragt der Holzmast einer Stromleitung in die Höhe. Franz steht links von ihr, er trägt dieselben Kleider wie auf dem ersten Bild, nur eine andere Krawatte. Auf seinem Arm hält er Ernst, und zwar so hoch, dass sich ihre Köpfe ganz nahe sind. Beide lächeln. Filomena ist rundlich und wirkt neben dem hageren Mann kleiner, als sie wohl war.

      Zweimal Bilder einer Familie, deren Zeit schon bald abgelaufen sein wird.

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