Название | Gottes Menschenfreundlichkeit und das Fest des Lebens |
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Автор произведения | Helmut Schwier |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783374063826 |
Die Auferweckung Jesu durch den einen Gott, den Gott Israels, ist das Grunddatum des christlichen Glaubens. Das Neue Testament zeigt in seinen auch literarisch frühen Texten, den Bekenntnisformeln und Gottesprädikationen, dass der eine Gott grundlegend bestimmt ist durch sein Auferweckungshandeln (1Thess 1,10; 1Kor 6,14; 15,3b–5.6–8.14 f.; 2Kor 4,14; Gal 1,1; Röm 4,17.24 f.; 10,9), das zu Erscheinungen geführt hat. Die Zeugen, die teils namentlich benannt werden, sind Erscheinungszeugen, keine Auferstehungszeugen; unter ihnen ist Paulus der einzige, von dem Texte überliefert wurden, und er ist derjenige, der zu Lebzeiten Jesu nicht zu dessen Anhängern gehörte.
Die ausgestalteten Ostererzählungen der Evangelien sind nur auf den ersten Blick naive Narrationen; tatsächlich bieten sie immer wieder Lesesignale, die einfache Wirklichkeitsannahmen stören, z. B. in der eigentümlichen und bleibenden Spannung zwischen realistisch direkten Beschreibungen und der Wirksamkeit der himmlischen Welt:2 Die beiden Wanderer sind unterwegs nach Emmaus, begegnen einem Dritten, reden mit ihm, laden ihn ein zum Mahl und plötzlich entzieht er sich (Lk 24,13–31); der Auferstandene spricht mit den Jüngern und bietet Thomas an, seine Wunden handgreiflich zu berühren, und kommt gleichzeitig durch verschlossene Türen (Joh 20,24–29); die Frauen sind auf dem Weg zum Grab, kaufen Salböl und sinnieren über den zu schweren Stein vor dem Eingang und begegnen plötzlich einem jungen Mann als himmlischen Boten mit einer in Schrecken versetzenden Botschaft (Mk 16,1–8). Die Leiblichkeit des Auferweckten ist also eine neue Leiblichkeit, der sinnfälligen Anschaulichkeit steht stets die ungreifbare Erscheinungswirklichkeit gegenüber.
Diese literarischen Spannungsmotive verweisen auf die prinzipielle Spannung, die Ingolf Dalferth in die einfachen Sätze »Jesus ist tot« und »Jesus lebt« kleidet.3 Er verdeutlicht weiter, dass es ein grundlegendes theologisches Fehlverständnis wäre, die Wahrheit jeweils eines Satzes auf Kosten des anderen sichern zu wollen, um auf diese Weise das Konsistenzproblem, also: die Einheit des Erfahrungszusammenhangs, zu bearbeiten – im Ergebnis: Jesus war wirklich tot und nicht etwa scheintot und: Er lebt und ist kein Gespenst.
Die von Dalferth als kreative Abduktion4 bezeichnete Folgerung, also eine Folgerung, die im Unterschied zu Induktion und Deduktion aus der Kenntnis des Resultats und der Regel auf den konkreten Fall schließt, führt zum Bekenntnis, dass Gott Jesus auferweckt hat. Dies ist eine umfassende, risikoreiche und gleichzeitig erfahrungswidrige Folgerung, die nun eine neue und umfassende Weltsicht und Weltgestaltung bei den an den auferweckenden Gott Glaubenden hervorruft – samt allen kulturellen und gesellschaftlichen Umformungen und Prägungen durch das Wirken der Kirche.
Schauen wir auf die Grenzziehungen und elementaren Inhalte dieses Bekenntnisses, ergibt sich Folgendes:
–Jesus ist nicht wiedererweckt worden und so zum Leben gebracht, dass er erneut sterben müsste – theologisch ausgedrückt: Er ist in Gottes Leben hinein auferweckt und erhöht worden;5
–weiter ist nicht irgendein Mensch erweckt worden, sondern dieser Jesus, also genau der, der das Reich Gottes als Heil für die Verlorenen ankündigte und in Heilungen wie Mahlgemeinschaften zeichenhaft realisierte und den brutalen und schmachvollen Kreuzestod starb; die Auferweckung durch Gott ist und bleibt die Auferweckung dieses Gekreuzigten,6 sie bleibt Gottes Deutung dieses Todes7 und seine Selbstkundgabe als Liebe;8
–und schließlich bedeutet solches Auferweckungshandeln Gottes etwas prinzipiell Neues, das nun im Prinzip, also umfassend und grundsätzlich, für die Menschen, für den Kosmos, gilt: Dieses Handeln ist ein Sieg über den Tod, der als letzte Grenze nun keinen Bestand mehr haben kann – diese Einsicht hat Paulus z.B. mit dem Begriff »Erstling der Entschlafenen« (1Kor 15,20) verdeutlicht und Paul Gerhardt mit den Bildworten von Christus, der uns als seine Glieder und Gesellen stets hindurch reißt, hindurch zieht durch Tod, Welt, Sünde, Not und Hölle (EG 112). Hier geht es eben nicht um historische Zufälligkeit, sondern um Gottes Handeln als eschatisches (letztgültiges) Geschehen.9
Dieses »Grund-datum« ist uns gegeben, aber es steht uns nicht als vermeintlich objektive Heilstatsache zur Verfügung. Das zeigt schon das NT: Noch in der überwältigenden matthäischen Schlussvision samt Proskynese zweifeln einige (Mt 28,16 f.). Die Qualifizierung als »Bekenntnis« impliziert systematisch, dass hier etwas zur Sprache gelangt, das gleichzeitig die Beziehung zu Gott, die Beziehung zum Menschen und die zur Welt unverlierbar umfasst und hier also nicht quasi-neutral von einem historischen Beobachterstandpunkt aus geredet und geurteilt werden könnte. Ich kann im Glauben bekennen und bin damit sofort zutiefst beteiligt, in Frage gestellt und in Anspruch genommen; und ich bekenne angesichts der vielen individuellen und gesellschaftlichen Leidens- und Todeswirklichkeiten, wage in diesem Kontext eine Aussage über Gott. So vollzieht sich Kommunikation des Evangeliums, zwischen Karfreitag und Ostern, Anfechtung und Hoffnung.
2. Die Liturgie der Osternacht: Exemplarische Wahrnehmungen und Beschreibungen
Die Liturgie der Osternacht gibt es eigentlich nur im Plural; jedoch hat sich auf der Ebene der Struktur und Abfolge eine vier- bis sechsphasige Liturgie10 entwickelt mit einer insgesamt überschaubaren Anzahl von Varianten, die hier nur exemplarisch betrachtet werden kann.
Die Liturgiegeschichte, die als Entdeckungszusammenhang,11 nicht als Reservoir normativer Modelle betrachtet und benutzt werden soll, zeigt, dass der Kern aus einer sehr früh mit Fasten, Lesungen, Predigt und Gebet gefüllten Nachtwache und einer Eucharistiefeier besteht.12 Beide hatten ihren theologischen Fokus in der Erwartung der Parusie des erhöhten Herrn, wobei die Mahlgemeinschaft wohl als kultische Antizipation der Parusie13 verstanden werden kann. Vieles bleibt hier jedoch aufgrund der Quellenlage unsicher. An der Wende vom 4. zum 5. Jh. wird die Ausgestaltung der wirkungsstarken Jerusalemer Ostervigil erkennbar: Sie beginnt mit einer Lichtfeier (,,Luzernar«), daran schließt sich die Nachtwache mit zwölf alttestamentlichen Lesungen an; währenddessen wird, getrennt von der Gemeinde, im Baptisterium getauft; der Messe aus Wortgottesdienst (Lesungen: 1Kor 15,1–11; Mt 28) und Eucharistie geht der Einzug der Neugetauften um Mitternacht voran; daran schließt sich sogleich eine zweite Eucharistiefeier in der Anastasis-Rotunde an; der theologische Fokus hat sich hier erkennbar auf die Feier der Auferstehung verschoben.
Übergehen wir die Jahrhunderte des Verlustes der Ostervigil14 und der zunächst unabhängig voneinander sich vollziehenden Wiederentdeckung in der evangelischen und der katholischen Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg15 und fahren mit der Gegenwart fort. Neben einigen landeskirchlichen Agenden,16 kirchenleitenden Handreichungen17 und Ordnungen von Kommunitäten18 liegt seit einem Jahr die entsprechende Agende der VELKD vor.19 Sie bündelt die bisherigen liturgietheologischen und -praktischen Einsichten.
Die Feier der Osternacht besteht hier aus folgenden Teilen oder Phasen: einem fakultativen Lesungsteil mit Passionstexten, der Lichtfeier, dem Lesungsteil, der Tauffeier oder dem Taufgedächtnis, dem Verkündigungsteil, der Abendmahls feier und als Abschluss Sendung und Segen.20 Schon der Blick auf die agendarischen Abläufe lässt erkennen, dass die vorausgehende Passionslesung auffällig ist.21 Sie soll hier dazu dienen, die enge Verbindung von Kreuz und Auferstehung zum Ausdruck zu bringen. Wirklich gelungen scheint mir das nicht zu sein. Den einzelnen Teilen sind dann musikalische und textliche Ausführungen zugeordnet, die stark an der Tradition orientiert sind (z. B. beim Exsultet und den Abendmahlsgebeten),22 aber bei Akklamationen und Liedversen auch auf verschiedene Taizé-Vertonungen verweist.23
Erweitert man nun den Blick von der Agende und ihren Texten und Konzepten auf die Feier und Ritualgestalt (und damit auch auf die Mitfeiernden), so ist deutlich, dass die Osternacht heute in zwei Feiergestalten begangen wird – in einer Langform oder in einer kürzeren Form: Sie beginnt entweder vor Mitternacht und stellt eine über mehrere Stunden dauernde Nachtwache der Lichtfeier und den folgenden Teilen voran oder sie beginnt in den frühen Morgenstunden, seltener am Abend, mit der Lichtfeier, wobei dann der folgende Lesungsteil das Wachen und Warten noch erkennen lässt, aber meist auf etwa vier Lesungen beschränkt wird, denen sich ja dann noch eine Epistellesung zur Taufe (Röm 6) und die Lesung des Osterevangeliums