Lob der Aphrodite. Marina Zwetajewa

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Название Lob der Aphrodite
Автор произведения Marina Zwetajewa
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783835346673



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Namen gibt’s – wie Blumen, stickig-heiß,

      Und Blicke gibt’s – so tanzend wie die Flammen …

      Und dunkle Münder gibt’s, gekrümmt ihr Kreis,

      Mit tiefen, feuchten Lippenwinkeln fangend.

      Und Frauen gibt’s: Die Haare – wie ein Helm,

      Ihr Fächer duftet fein und unheilbringend.

      Sind dreißig Jahre alt. Wozu brauchst denn

      Du meine Seele des Spartaner-Kindes?

      Himmelfahrt 1915

      15

      Ich will den Spiegel fragen, wo

      Die Trübe ist und Traum, benebelnd,

      Erforschen – wo dein Zufluchtsort

      Liegt, wo dein Weg hinführt im Leben.

      Ich seh die Masten eines Schiffs,

      Und dich an Deck – aufragend …

      Du stehst im Rauch des Zugs … Es trifft

      Ein Feld dich abends, klagend …

      Ja Abendfelder, taubenetzt,

      Darüber kreischen Raben …

      Alle vier Winde sollen dich jetzt

      Samt meinem Segen haben!

      3. Mai 1915

      16

      An der ersten liebtest du

      Erstlingsschönheit, noch dazu

      Locken mit dem Henna-Hauch,

      Klageruf der Surna auch,

      Unterm Huf den Kiesel-Klang,

      Schön wie sie vom Pferd absprang,

      Und – in körnigen Edelsteinen –

      Die zwei Schiffchen eingezeichnet.

      An der zweiten, andern meinen:

      Brauen-Bögen, hohe, feine,

      Seidenteppiche sodann

      Aus Buchara – Rosenland,

      Fingerringe überall,

      Wange mit dem Muttermal,

      Durch die Spitzen: Braun von Sonnen,

      Mitternächtlich dunkles London.

      Und die dritte dann: Sie war

      Noch viel lieber dir, so nah …

      Was wird von mir einst bleiben

      In deinem Herzen, du Reisende?

      14. Juli 1915

      17

      Und erinnert euch: so viel lieber

      Als alle Köpfe – von meinem Kopf ein Haar.

      So geht weiter, geht jetzt wieder –

      Du und auch du, was immer auch war.

      Liebt mich nicht mehr, aus – geliebt alle!

      Und erwartet nicht mich morgen früh!

      Dass ich ruhig weggehen kann, kahler

      Im Wind stehen kann wie noch nie.

      6. Mai 1915

      Wahnsinn und Vernünftigsein,

      Schande sowie Ehrgefühl,

      Alles, was sich nachdenklich reimt,

      Von allem hab ich viel zu viel

      In mir – alle Zwangslager-Leidenschaften

      Zur einen geballt!

      So wie in meinem Haar, Krieg führend, haften

      Alle Farben, ein ganzer Wald.

      Alles Liebesgeflüster kenn ich seit Jahren

      Auswendig für allezeit!

      Meine zweiundzwanzigjährige Erfahrung –

      Nichts als Traurigkeit.

      Mein Gesicht ist unschuldig-rosig

      – Das ist doch wohl klar! –

      Ich bin die virtuoseste Virtuosin

      In der Kunst der Lüge – so wahr!

      In ihr – wie ein Ball geworfen

      Und aufgefangen erneut! –

      Meiner polnischen Urgroßmütter

      Blut – wie es sich freut.

      Ich lüge, weil in Friedhöfen Gras

      So üppig wächst,

      Ich lüge, weil in Friedhöfen – was?

      Der Schneesturm nie nachlässt …

      Von der Geige – und Automobilen –

      Von Seide – Feuerschein …

      Von der Folter, dass all die vielen

      Nicht mich liebten ganz allein!

      Vom Schmerz, dass nicht ich die Braut bin

      Dem Bräutigam …

      Von Geste und Vers – weil ich laut bin

      Und nicht anders kann!

      Von der zarten Boa, den Hals umschmiegend …

      Und wie sollte ich unbedingt

      Nicht lügen – wenn meine Stimme im Lügen

      Soviel zärtlicher klingt …

      3. Januar 1915

      Mein Leichtsinn! Meine Sünde, mir lieb,

      Mein Gefährte, mein Feind du, mein zarter!

      Der das Lachen in meine Augen mir trieb,

      Spritzt die Mazurka mir in die Adern.

      Lehrtest, sie nicht zu behalten, die Ringe –

      Mit wem auch das Leben mich band!

      Auf gut Glück mit dem Schluss zu beginnen

      Und zu schließen, bevor es begann.

      Wie ein Halm sein und sein wie der Stahl

      In dem Leben, wo wir so wenig vermögen …

      Mit Schokolade zu heilen alle traurige Qual,

      Dem Passanten nur lachend begegnen!

      3. März 1915

      Mir gefällt, dass Sie krank sind – nicht nach mir,

      Mir gefällt, dass ich krank bin – nicht nach Ihnen,

      Dass der Erdball uns nie wegschwimmt, dass wir

      Nie den Boden unter den Füßen verlieren.

      Mir gefällt,