Lob der Aphrodite. Marina Zwetajewa

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Название Lob der Aphrodite
Автор произведения Marina Zwetajewa
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783835346673



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      Der Schnee wärmt den Blick mir auf,

      Auf dem Hügel das Kloster – hell dampfend

      Vom Schnee: sein heiliger Hauch.

      Sie küssen mir, Freund, diese Flocken

      Von der Brust, aus dem Zobelfell.

      Ich schau auf den Baum – in die Felder,

      Auf den Kreis des Mondes – hell.

      Hinterm breitesten Kutscherrücken

      Zwei Köpfe – sich zu treffen: wie schwer!

      Ich beginne vom Herrgott zu träumen,

      Von Ihnen – träum ich nicht mehr.

      27. November 1915

      Sie fliegen weg – nur hastig hingeschrieben,

      Noch heiß von beiden: Lust und Bitterkeit.

      Gekreuzigt zwischen Liebe und Liebe –

      Mein Jetzt, mein Tag, mein Jahr und meine Zeit.

      Ich hör, dass auf der Welt Gewitter toben,

      Und Amazonen-Speere glänzen neu jetzt auf …

      Ich – halt die Feder nicht zurück! Zwei Rosen

      Betranken sich, saugten mein Herzblut aus.

      Moskau, 20. Dezember 1915

       Gedichte an Ossip Mandelstam

      1

      Keiner hat es je überwunden!

      Wie schön sind wir zwei uns – fremd.

      Ich küsse dich – über Hunderte

      Wersten von dir getrennt.

      Ungleich sind, ich weiß, unsere Gaben,

      Meine Stimme zum ersten Mal – still.

      Ist dir, du mein junger Derschawin,

      Mein Vers nicht zu ruppig, zu schrill?

      Für den schrecklichen Flug gesegnet:

      Junger Adler, zum Himmel gekehrt!

      Die Sonne ertrugst du, ohne Regung –

      Mein Blick ist dir plötzlich zu schwer?

      So zärtlich und unwiderrufen

      Hat dir noch keiner nachgeblickt …

      Nimm diesen Kuss – über Hunderte

      Trennender Jahre geschickt.

      12. Februar 1916

      Gawrila Derschawin (1743 bis 1816): bedeutendster russischer Lyriker des 18. Jahrhunderts, Klassizist, Erneuerer der Ode.

      2

      Die ich liebe führ ich zum Weg,

      Singe Lieder für ihr Gedenken –

      Sollen sie’s nehmen, leicht gewebt:

      Was sie selber mir einmal schenkten.

      Über grünende Pfade hin

      Sie zum Wegkreuz hinaus begleitend –

      Unermüdlich nun sing, du Wind,

      Werde, Weg, ihnen immerzu leichter!

      Blaue Wolke, du wein jetzt nicht,

      Denn sie gehen in ihren schönsten Schuhen!

      Du Schlange, verkneif dein Gift –

      Räuberchen, lass dein Messer ruhen!

      Vorbeigehende Schönheit, sei

      Ihre Braut, die stets fröhliche-frohe.

      Du beweg meine Lippen – frei,

      Unser Himmlischer Herr wird’s dir lohnen!

      Lodert, Feuer, jetzt auf im Wald

      Und verscheucht alle wilden Gestalten,

      Muttergottes im Himmelsgewand –

      Beschütz meine lieben Passanten!

      17. Februar 1916

      3

      Du wirfst den Kopf zurück beim Reden –

      Du Stolzkopf, immer lügenschwer.

      Welch einen lustigen Gefährten

      Hat mir der Februar beschert!

      Gefolgt von abgerissenen Hemden

      Den blauen hellen Dunst verpafft,

      Gleich feierlichen Fremden, Fremden

      Gehn wir dahin durch unsre Stadt.

      Und wessen sanfte Hände rührten

      Die Wimpern dir, du Schönheit – und

      Seit wann, schon oft? und wer wohl küsste

      Dir deine Lippen, deinen Mund?

      Ich frage nicht. Mein Geist wie gierig

      Hat diesen Traum besiegt in sich.

      Den zehnjährigen Jungen lieb ich

      In dir, den göttlichen! verehre ich.

      Den Fluss entlang, dem bunten wirren

      Glasperlenspiel der Lichter nah,

      Will ich dich nun zum Platz hinführen

      Der schon die Knabenzaren sah …

      Den jungenhaften Schmerz – für immer

      Hinaus, das Herz zur Hand, nun geh

      Mein Kaltblut du, mein Ungestümer,

      Mein Freigelassener – ade!

      18. Februar 1916

      4

      Woher nur solche Zärtlichkeit?

      Die ersten sind’s nicht, die Locken

      Die ich dir streichle, auch Lippen

      Hab ich schon dunklere gekannt.

      Gehen auf und verlöschen Sterne,

      Woher nur solche Zärtlichkeit?

      Gehen auf und verlöschen Augen

      Ganz nah mir an den meinen.

      Hab so viele andere Hymnen schon

      Gehört in den dunklen Nächten,

      Getraut – vor Zärtlichkeit! –

      An ihn, an den Sänger geschmiegt.

      Woher nur solche Zärtlichkeit?

      Und was mit ihr tun, du Junge

      Und Schelm, hergereister Sänger

      Mit Wimpern die’s länger nicht gibt.