Lob der Aphrodite. Marina Zwetajewa

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Название Lob der Aphrodite
Автор произведения Marina Zwetajewa
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783835346673



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      5

      Zerflogen zu silbernen Scherben

      Der Spiegel und in ihm – der Blick.

      Schwäne, o meine Schwäne

      Sie fliegen nach Hause zurück!

      Aus wolkiger Höhe eine Feder

      Die still auf mich niederfällt.

      Ich streute im Traum, alles gebend

      Feines Silbergeld.

      Ein silberner Ruf – sacht verklungen.

      Befiehlt, dass ich silbern – sing!

      Mein Nestling! Mein Schwanenjunges!

      Fliegst du, wo fliegst du hin?

      Ich gehe und sag es keinem

      Nicht Mutter, nicht allen Verwandten.

      Ich gehe und bet zu den heiligen

      Knechten Gottes und seinen Gesandten

      Um einen jungen Schwan.

      1. März 1916

      6

      Unheil kommt von einer Frau. In der Hand

      Steht dir, Jüngling, das Zeichen.

      Die Augen gesenkt! Bete! Nie gebannt

      In der Nacht wachen Feinde.

      Das Himmelsgeschenk Lied – keine Frist,

      Keine Rettung dir, deinen hochmütigsten Lippen.

      Darum muss ich dich lieben

      Weil du himmlisch bist.

      Ach, dein zurückgeworfener Kopf,

      Halboffene Augen – was? – verbergend,

      Ach, zurückgeworfen einst dein Kopf

      Von ganz anderen Schergen.

      Mit nackten Händen packen sie dich – Starrkopf! Gehetzt!

      Von deinem Schreien wird die Nacht weithin hallen!

      Die Flügel in alle vier Winde – zerfetzt,

      Lichtengel! Junger Adler!

      17. März 1916

      7

      Es geschah, er war sonderbar krank

      Und fiel in den süßesten Schrecken.

      Steht da und schaut nur hinauf

      Und sieht nicht Sterne noch Morgenröten

      Der Knabe mit seinem scharfen Aug.

      Er fällt in Schlaf – mit reißendem Schrei

      Fliegen her zu ihm schwirrende Adler

      Und führen herrlich um ihn Streit.

      Der eine – Felsengebieter – zerzaust

      Ihm die Locken mit seinem Schnabel.

      Die dunklen Augen zu – er schläft

      Den Mund noch halb geöffnet …

      Und hört nicht die nächtlichen Gäste

      Und sieht nicht: den goldäugigen Vogel

      Seinen sehenden Schnabel schärfend.

      20. März 1916

      8

      Seltsamer Bruder, nimm aus meiner Hand

      Die Stadt, die nicht von Menschenhand entstand.

      Vierzig mal vierzig Kirchen schenk ich dir

      Und über jeder: Tauben, flatternd, wirr.

      Nimm das Erlöser-Tor – mit Blumen – wo

      Der Gläubige den Hut zieht seelenfroh.

      Die Sternkapelle soll vor Asche schützen,

      Ihr Boden abgewetzt – von all den Küssen!

      Fünf Kathedralen – wundervoller Kreis –

      Nimm an, uralter Freund du, göttlich-heiß.

      Zur Unverhofften Freude ohne Hast

      Führe ich meinen fremden, fremden Gast.

      Die rötlichgoldnen Kuppeln geben Glanz,

      Schlafloser Glocken lauter heller Tanz.

      Von Purpurwolken lässt herab auf dich

      Die Muttergottes ihren Schutz, ihr Licht,

      Und du stehst auf voll Wunderkraft von neuem …

      Dass du mich liebtest, wirst du nie bereuen.

      31. März 1916

      9

      Vorbei an Türmen den stillen

      Haben die Plätze uns gejagt.

      Ach, dieses schreckliche Brüllen

      Junger Soldaten bei Nacht!

      Du Herz, schlag schon, lauter!

      Küss heiß, wie die Liebe es tut!

      Ach, dieses Tierbrüllen, schaudernd

      Das freche – ach! – das Blut.

      Mein Mund brennt lodernd,

      Mag die Miene – heilig sein.

      Es glüht, ein Kästchen, golden

      Die Iwerskaja-Kapelle mein.

      Lass den Übermut, entzünde

      Eine Kerze für uns still,

      Damit uns beiden in der blinden

      Nacht nicht werde, was ich will.

      31. März 1916

       Verse an Blok

      Dein Name – ein Vogel in der Hand: verwundet,

      Dein Name – Stückchen Eis auf der Zunge,

      Eine einzige Bewegung der Lippen nur.

      Dein Name – vier Buchstaben als Spur.

      Ein Ball, gefangen rasch im Flug, so rund,

      Eine silberne Schelle in meinem Mund,

      Ein Stein, geworfen in einen stillen Teich,

      Schluchzt so, wie nur dein Name heißt.

      Im leichten Klappern der Hufe nachts

      Dein dröhnender Name – Donner-Ersatz.

      Genannt uns an der Schläfe, im Genick,

      Wenn der Hahn am Gewehr leise klickt.

      Dein Name – unmöglich zu glauben! –