Arche Noah. Anna Croissant-Rust

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Название Arche Noah
Автор произведения Anna Croissant-Rust
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788711466681



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kleines selbständiges Freudentänzlein aufführte.

      Niemals schlief der Pinkepeter auf den Resten seiner Mahlzeit, wie es der Hasepeter tat. Freilich der Pinkepeter konnte gut lachen! Mit der Nase! Wo in aller Welt hatte er denn die Nase her? Er roch alles auf Stunden im Umkreis. Wo es etwas Gesottenes, Gebratenes oder Gebackenes gab, war er in der Nähe und wanderte schnuppernd auf und ab. Stets war er über den Küchenzettel des Städtchens orientiert und behauptete, „riechend“ fast ebenso geniessen zu können, wie essend; ja er behauptete, sich vortreffliche Menüs mit der Nase herstellen zu können, die er seine „Nasenmenüs“ nannte. Hatte er einmal einen Tag nichts zu essen, so sagte er geheimnisvoll und mit zwinkrigen Augen zum Hasepeter: „Heut han ich aber e foines Nasemenü gehatt, meenschde!“ Auch machte es ihm „Pläsier“, herauszubringen, wer nur Rindfleisch sott, bei wem ein Schweinebrätche im „Backöfche“ schmorte, wer eine Gans oder eine Ente schön knusprig briet, oder wer die goldigsten Pfannenkuchen buck.

      Alle guten Köchinnen kannte er, auch alle schwatzhaften, die ihre Küche und ihren Herd verliessen, um ihrer Schwatzlust zu fröhnen, alle trägen Hausfrauen wusste er zu nennen, die ihr Mittagbrot allein weiter brotzeln liessen, während sie mit aufgestemmten Armen unter dem Fenster lagen und auf die Strasse glotzten, auch alle guten Bürgerinnen, die sich mit dem Hasepeter, den er geschickt, am Haustor auseinandersetzten und dabei ihre Küche preisgaben.

      „Schweinebrätcher“ briet niemand so fein, wie die Madame Herrlein, die Wirtin zum grauen Bären, und „Pannekuche“ verstand niemand so delikat zu backen, wie die Eisenhut’n, die Hebamme. Diese letztere nützliche Dame hatte nebenbei noch die angenehme Eigenschaft am Leibe, sehr oft mitten in der häuslichen Betätigung geschäftlich abberufen zu werden. Deshalb weihte ihr der Pinkepeter sein ganz besonderes Interesse, ohne ihr vorgestellt zu sein, oder ihre Hilfe für irgend ein ihm Nahestehendes in Anspruch genommen zu haben.

      Sehr oft erwähnte er diese Dame dem Hasepeter gegenüber.

      „Die Eisenhut’n is e Staatsfraa! Die kann Pannekuche backe! Sie hot mich schunn als ingelad’“ „Pannekuche“ war das Höchste, was der Hasepeter kannte, aber sonderbar! ihn lud die Witib nicht ein, von ihr kriegte er keinen zu schmecken. Im Gegenteil, sie schimpfte gottsträflich, wenn er demütig darum bat.

      „Was? Pannekuche? Guck emol do! Du Tagdieb, du. Sei froh, wann d’ e trocke Stickl Brot hoscht! Pannekuche! So e Unverschämtheit!“

      Wehmütig trollte er sich. Er hatte doch seit seiner Firmelung keinen mehr gekriegt, und das war eine beträchtlich lange Zeit, wo ihm doch an allen Ecken und Enden seines umfangreichen Gesichtes die Stoppeln grau zu spriessen begannen!

      Das Stoppelgesicht war dem Pinkepeter ein Dorn im Auge, denn er selbst hielt etwas darauf, dass sein Gesicht blank und rein und täglich rasiert war. So präsentierte es sich halb wie das eines grossen Schauspielers, halb wie das eines grossen Verbrechers. Sein kostbarster Besitz war ein Rasiermesser, das er sorgfältig mit Anwendung immer neuer Finten vor dem Hasepeter versteckte. Aber der lachte nur gutmütig dazu.

      Ein Rasiermesser! Was hätte er denn mit einem Rasiermesser getan? Ja, wenn es ein „Pannekuche“ gewesen wäre! Für seine Zwecke besass er ja eine Schere und wenn er die Backen recht aufblies, fuhr sie liebevoll säubernd darüber. Sie schnitt nicht viel — er hatte sie in „der Bach“ gefunden — und war ganz ein Instrument des Friedens, was man dem Rasiermesser gar nicht nachsagen konnte. Das Rasiermesser schnitt wirklich, schnitt scharf und unerbittlich, das Rasiermesser war der Krieg, und so schnitt es — wenn auch nicht allein — auch den Faden durch, nein quasi die Nabelschnur, die ihn mit dem Pinkepeter verband. Anders die Schere, die sich von Anfang an alle Mühe gegeben, zu verbinden; sie wanderte durch Türen und Mauern, betätigte sich im Salon Pinkepeter wie im Salon Hasepeter und begleitete ihre friedliche Tätigkeit hüben und drüben mit einem lieblichen und eifrigen Gequietsche.

      Waren die beiden einmal „bös“, so war gewiss sie es, die sie versöhnte, und nie sang sie so laut und melodisch, wie an den Tagen, wo sie dem Pinkepeter helfen musste, trotzdem er „bös“ war, weil seine Schuhe allzu phantastisch um seine Füsse stunden, oder weil seine Locken zu heftig geworden waren. Der Hasepeter hörte ihr mit Innigkeit zu; das „Bössein“ konnte er durchaus nicht vertragen, und mit einem grossen Glücksgefühl genoss er dann wieder die allabendlichen Reden des versöhnten Meisters, die durch die Mauern tönten.

      „Gu’ Nacht, Kollesch.“

      Hasepeter antwortete: „Gu’ Nacht, werter Meischder.“

      Der Meischder: „Schlof orntlich.“

      Er: „Ich schunn. Ehr aa.“

      Der Meischder: „Was ich halt kann.“

      In der Früh hiess es dann: — der Pinkepeter war immer zuerst wach — „Gude Morje, Kollesch.“

      „Scheene gude Morje, Meischder.“

      „Hoscht ausgeschlof’?“

      „Henn Ehr ausgeschlof’?“

      „Ich schunn. Du aa?“

      „Wann’s sein muss —“

      „Alla uff! zu Gott und der Welt!“

      Mit einem Satz war der „Meischder“ auf und trommelte auf des Hasepeters grössten und weichsten Flächen herum, denn sonst blieb der unfehlbar liegen bis zum Mittag. Diese Tage inniger Kameradschaftlichkeit besassen etwas Rührendes für den Hasepeter, aber sie waren wie eine Kurve, die verheissend ansteigt, um plötzlich jäh abzubrechen. Der Anfang des Sinkens der Freundschaftskurve war so:

      An einem wundervollen Spätherbsttag (ein Tag, wie er lind-melancholischer nicht leicht wo anders gedacht werden kann, als in den sandigen, umbuschten Hohlwegen, den Heidestrecken der Hinterpfalz), befand sich der Hasepeter auf der Wanderung. Das milde, einschmeichelnde und dabei doch tückische Wetter brachte ihm eine grosse seelische Depression, indem es ihm mit aller Klarheit zeigte, dass er ganz und gar ungeeignet zu seinem Berufe sei. Resultat: ein wüstes planloses Sich-hin-und-her-wälzen auf der Heide, ein Stieren mit tränenden, verglasten Augen nach dem verschwimmenden Himmel, ein grollender Bauch, der nicht einen Augenblick seine Klagen einstellen wollte. O dieses erbärmliche Schicksal, das ihm nicht einmal ein bisschen Kaffee in seinen grossen Hohlraum vergönnte!

      Wie ein verprügelter Hund schlich sich der Hasepeter von der Heide fort, während sein Hungergefühl immer stärker wurde.

      Plötzlich blieb er stehen, wie angenagelt; seine Nase, die sich sonst nicht durch besondere Feinfühligkeit auszeichnete, hob sich und schnupperte: Herrgott, wenn das nicht „Pannekuche“ waren! Ausgerechnet heute, wo sein Wanst leer war wie ein alter Schlauch, musste er diesen Duft in die Nase kriegen!

      Mit dicken Tränen in den Augen, voller Sehnsucht schnuppernd, folgte er dem Dufte. Um die Ecke biegend, sah er auf einmal den Pinkepeter vor sich, der neben einem Strauch, im Sand des Hohlwegs lag und auf seinen Knien eine grosse Eisenpfanne hielt. Und dieser mächtigen Eisenpfanne entquollen, von einem hohen Stoss „Pannekuche“, die himmlischen Düfte. Den Hasepeter trug es wie auf einer Wunderrosenwolke hin zu „der Pann“; er ging nicht, er trottete nicht, er schwebte.

      „Ach Gott! Pannekuche!“ stammelte er, und seine Nüstern erweiterten sich zu unheimlicher Grösse.

      „Ja, Pannekuche,“ konstatierte trocken der Pinkepeter, und wühlte weiter mit den zehn Fingern in dem goldbraunen Berg, dass dem Hasepeter fast das Wasser aus dem Munde lief.

      „Die Eisenhut’n hot se m’r gewe, sie is leider abberufe worre. Wann norre die Pann nit so schwer wär! Horch emol, — wann du die Pann zu der Eisenhut’n tragscht, no kannscht hawwe davun,“ und mit einer grossen Gebärde schob er den Rest dem Hasepeter zu, der in die Knie sank und sich förmlich in die grosse Pfanne legte.

      „Alla adieh!“ sagte der Pinkepeter, „sag aach mei’ Kumpliment an die Madamm Eisenhut, und do wär die Pann, und die Pannekuche wären foin gewes’.“

      Doch davon hörte der Hasepeter nichts mehr. Er war eben dabei, mit seinem dicken Zeigefinger heftig in der Pfanne herumzufahren,