Название | Meine blauäugige Pantherin |
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Автор произведения | Kingsley Stevens |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783956093210 |
Zur Not würde sie der Frau eben ihr eigenes Honorar geben, wenn das auch nicht besonders hoch sein dürfte für diesen Artikel. Ein paar Cent pro Zeile, mehr zahlte die Zeitung nicht. Sie hätte dann zwar wochenlang umsonst gearbeitet, aber irgendetwas trieb sie dazu, ausnahmsweise einmal nicht an die Miete zu denken, die bezahlt werden musste.
»Was unsere Leser sicherlich interessiert«, begann Sascha, »ist Ihr Lebenslauf. Wo sind Sie aufgewachsen? Was machen Ihre Eltern?«
»Meine Eltern?« Tyra fuhr wie von der Tarantel gestochen herum. »Was gehen Sie meine Eltern an?«
»Gar nichts. Ich wollte nur –« Sascha brach ab. »Meine Eltern waren sehr gut zu mir«, fuhr sie dann leise fort. »Sie haben immer alles für mich getan. Ich bin ihnen sehr dankbar dafür. Ich telefoniere jeden Tag mit meiner Mutter. Mein Vater ist seit zwei Jahren tot.«
»Das hat er mit meinem gemeinsam«, erwiderte Tyra. Sie hatte es nicht sagen wollen. Nun hatte diese kleine Göre doch noch eine Information aus ihr herausgelockt.
»Vermissen Sie ihn sehr?« Sascha schob das Diktiergerät ein wenig in Tyras Richtung.
»Vermissen.« Tyra lehnte sich in eine Ecke des Zimmers. Es war sehr dunkel dort, und Sascha konnte nur die Umrisse ihres Gesichts erkennen. »Kann man etwas vermissen, was man nie gehabt hat?«
»Sie kannten Ihren Vater nicht?«
»Oh doch, ich kannte ihn!« Tyras Stimme klang hart.
»Sie wollen nicht über ihn reden?«
»Irgendwann einmal – vielleicht«, sagte Tyra. Sie stieß sich von der Wand ab und kam zu Sascha an den Tisch, setzte sich jedoch nicht, sondern blieb vor ihr stehen und blickte auf sie hinunter. »Meine Mutter spricht nicht mehr mit mir, seit er tot ist. Das nur zum ›täglichen Telefonieren‹.«
»Das . . . Das tut mir leid.« Sascha war ganz betroffen. »Ich wusste ja nicht –«
Tyra lachte verächtlich. »Was wissen Sie schon? Was können Sie schon wissen? Sie sind doch noch ein Baby!«
Genau wie andere Leute, die älter waren als sie, benutzte auch Tyra ihr Alter als Waffe, um sie mundtot zu machen. Aber das würde ihr nicht gelingen. So leicht war Saschas Selbstbewusstsein nicht zu erschüttern. »Ich war im Gerichtssaal, als Ihr Geburtsdatum verlesen wurde«, sagte sie lächelnd. »Sie sind nur ein paar Jahre älter als ich, sechs, um genau zu sein.«
»Das Geburtsdatum sagt gar nichts aus. Sie haben nichts erlebt. Ich bin –« Tyra stockte und sah Sascha an, dann setzte sie ein süffisantes Lächeln auf. »Ich bin durch die Hölle gegangen. Das können Sie sich nicht einmal vorstellen.« Sie schlenderte zur Wand und lehnte sich dagegen. »Wenn Sie etwas aus mir herausholen wollen, müssen Sie schon geschickter vorgehen.«
»Erzählen Sie doch einfach, was Sie erzählen wollen. Dann stelle ich nicht die falschen Fragen«, schlug Sascha vor.
»Weißt du –«, Tyra grinste sie an, »ich bin nicht gerade der Typ, der mit Worten kommuniziert. Ich musste schon früh meine Fäuste einsetzen.«
Sascha hatte das Gefühl, dass Tyra sich ihr öffnete, weil sie das steife ›Sie‹ verlassen hatte. Also ging sie darauf ein. »Schon in der Schule?«, fragte sie. »Was war in der ersten Klasse? Da warst du doch noch viel zu klein, um –«
»Ich war immer schon groß für mein Alter«, unterbrach Tyra sie. »Die Jungs wollten sich mit mir messen – haben aber meistens verloren –, und die Mädchen hatten Angst vor mir.«
Das kann ich mir vorstellen, dachte Sascha. Dieser wilde Blick, diese schwarzen Haare, diese blauen Augen, die kalt und gefühllos schienen, zumindest was den positiven Teil von Gefühlen anging, und andere durchbohrten bis auf den Grund ihrer Seele – das machte nicht gerade sympathisch.
»Wie war es mit deiner besten Freundin?«, fragte Sascha. »Hatte die auch Angst vor dir?«
»Welche beste Freundin?« Tyra blickte irritiert. »Du hattest bestimmt eine«, grinste sie dann. »Habt ihr Nagellack getauscht und über Jungs gekichert?«
»So ungefähr«, sagte Sascha. »Machen das nicht alle?«
»Alle außer mir«, sagte Tyra. Sie setzte sich an den Tisch zu Sascha. »Meine beste Freundin war ein Messer, das ich immer bei mir trug – für den Notfall.«
»In der Grundschule?«, fragte Sascha entsetzt.
»So lange, bis ich gut genug im Training war, um mich auch ohne Waffen verteidigen zu können«, sagte Tyra. »In der Nähe der Schule war ein Karate-Dojo. Ich kam jeden Tag daran vorbei. Da ich mir den Unterricht nicht leisten konnte, beobachtete ich alles durchs Fenster und brachte es mir selbst bei.«
»Du kannst Karate?« Sascha war beeindruckt.
»Mittlerweile ist es wohl mehr eine Mischform aus allem Möglichen, was ich mir beigebracht habe.« Gleichgültig zuckte Tyra die Schultern. »Was man halt so braucht.«
»Ich habe so was noch nie gebraucht«, sagte Sascha. »Ich bin der Meinung, man kann Auseinandersetzungen auch aus dem Weg gehen. Am besten, indem man miteinander spricht.«
»Klar!« Tyra lachte laut. »Wenn mich jemand angreift, spreche ich erst mal mit ihm!« Sie beugte sich vor. »Wenn ich mich so verhalten hätte, wäre ich längst tot.«
Sascha betrachtete Tyras Gesicht, das ihr plötzlich so nah war. Sie sah kleine Narben, vor allem an den Augenbrauen. Tyra tat ihr so leid. Sie konnte sich nicht zurückhalten und strich mit einem Finger über die Braue, die eine Narbe bedeckte.
Tyra fuhr in ihrem Stuhl zurück. Einen Moment sah sie so aus, als ob sie Sascha schlagen wollte. »Tu das nie wieder!«, fauchte sie. »Ich könnte dich umbringen!«
Sascha blickte sie lange an. »Ich glaube nicht«, sagte sie. »Das glaube ich nie und nimmer.«
»Oh Mann!« Tyra sprang auf und tigerte durch den Raum. »Wo bist du eigentlich aufgewachsen? In einem Nonnenkloster? Haben sie dich gerade erst freigelassen?«
Sascha lachte. »Nein, das nun gerade nicht.« Sie beobachtete Tyras unruhige Bewegungen, die den Raum mit Spannung erfüllten. »Es tut dir nicht gut, hier eingesperrt zu sein, nicht wahr?«
Tyra krallte ihre Nägel in den Wandverputz. »Ich könnte die Wände hochgehen!«, knurrte sie. »Ich fühle mich wie in einem Käfig.«
»Aber du bist nicht zum ersten Mal im Gefängnis.«
»Nein. Aber jedes Mal wird es schlimmer«, flüsterte Tyra und legte ihre Stirn erschöpft gegen die Wand.
»Warum versuchst du dann nicht, das zu vermeiden?«
»Das habe ich ja!« Tyra drehte sich schnell herum und starrte Sascha mit glühenden Augen an. »Aber wen interessiert das? Ich wollte diesem Typen helfen, und nun sitze ich hier. Das war das letzte Mal, dass ich jemand geholfen habe.«
»Du wolltest ihm also wirklich helfen? Warum hast du das nicht im Gerichtssaal gesagt? Der Richter hat dich mehrmals gefragt.«
»Ich hatte das schon den Bullen erzählt. Ich wiederhole mich nicht gern.« Tyra nahm ihre Wanderung durch das Zimmer wieder auf.
»Aber es könnte dich vor einer Verurteilung bewahren!« Sascha konnte Tyras Verhalten einfach nicht verstehen. »Wenn du unschuldig bist –«
»Ich bin nicht unschuldig!« Tyra sprach mit der Wand. »In diesem Fall wollte ich helfen – dumm genug von mir. Aber unschuldig . . . unschuldig ist etwas anderes. Unschuldig bin ich schon lange nicht mehr. Vielleicht war ich es nie. So werde ich jetzt dann eben für etwas bestraft, was ich nicht getan habe. Dafür habe ich früher viele Dinge getan, für die ich nie bestraft worden bin.«
»Hältst du es deshalb für gerecht?«, fragte Sascha.
Tyra gab ein hohles Geräusch von