Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

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Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



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eignen Umgang mehr oder weniger, wie es mit ihnen beschaffen ist. Aber wir wollen nicht glauben, nicht wissen, nicht sehen, bis uns der Brand im eignen Busen wüthet. Wer hat von seiner frühsten Kindheit an, nicht Lieder und Mährchen gehört, deren Inhalt der Weiber List und Gefallsucht war? Wer führt sie nicht täglich noch im Munde? Und doch glaubt Jeder bei jeder neuen Gelegenheit, er mache die Ausnahme vom menschlichen Geschlechte, müsse aus den Trümmern aller Andern, ein neuer Phönix, emporschweben. Wie recht geschieht uns drum, daß wir immer wieder neue Täuschungen erfahren! Wir machen die Großmüthigen, Niemand soll für uns den Eintritt bezahlen, wir erleben Alles auf eigne Kosten. Sei es dann! Ich habe mit Keinem Erbarmen, am wenigsten mit mir selbst, und kann mir vielmehr noch Glück wünschen, daß ich so wohlfeilen Kaufs davon komme. Das Spiel war auf noch bessern Wegen. Schmachten hätt' ich sollen, für buhlerische Blicke meine ganze Existenz hingeben, ein gloriöser Scheiterhaufen sein, damit ihr gemeiner Günstling über den blöden Thoren gespottet hätte. So wollen sie's, so legen sie es klüglich an.

      Sollte wirklich des Beckers Christianchen dergleichen große Plane entworfen haben? fragte Anselmo mit kaum verhaltnem Lachen.

      Was Bäckertochter, was Fürstenkind! rief Alwin. Alle sehn einander gleich. Und Du solltest Dich am wenigsten darüber wundern, dessen ganze Lebensweise Dich so genau mir ihnen bekannt gemacht hat. Ich wenigstens verstehe nun Deine Reden über sie weit besser, und bin fest entschlossen zu der lustigen, zwangfreien Fahne überzugehn, welcher Du folgst.

      Arme Beatrix, sagte Anselmo, mußt des Bäckermädchens Sünden büßen! Also Heut gehst Du wohl nicht zur Serenade?

      Warum nicht? erwiederte Alwin. Man muß doch irgend einen Spaß im Leben treiben, und vor der Hand mag der angefangne gelten.

      Ist die Nachfolgerinn noch nicht bestimmt? fragte Anselmo.

      Höre, sagte Alwin, es würde nicht mir, nicht Dir ziemen, wenn ich Geheimnisse bewahrte, Deinem Ohre fremd. Vernimm drum, wie es mit mir steht. Deine Warnungen vor einer ernsthaften Verbindung sind schon längst bei mir auf guten Boden gefallen. Nur fehlte es mir an einer neuen Liebschaft, und ich will unternehmen, sie zu finden, sobald Du Deine Reise nach Italien angetreten hast.

      Und warum eben dann? fragte Anselmo.

      Weil mir von allen unsern jungen Damen nur eine einzige ausser Beatrix gefällt, erwiederte Alwin. Du erräthst, daß ich Alinen meine.

      Um Gotteswillen nicht! rief Anselmo, todtenbleich in Alwins Arme sinkend. Ich überleb' es nicht, sie in eines Andern Besitz zu wissen, und eben Du – um Gotteswillen nicht!

      Wir haben bis jetzt sehr ungleiches Spiel gespielt, sagte Alwin, sich von ihm losmachend. Mein ganzes einfältiges Gemüth lag offen vor Dir ausgebreitet, und Du hattest noch eine so wichtige Fallthür verborgen. Schäme Dich, Anselmo.

      Der Italiäner stand niedergeschlagen vor seinem Freunde, keines Wortes mächtig, bis Alwin sagte.

      Du liebst Alinen ernsthaft, und sie ist von nun an ein heiliger Juweel für mich, unberührbar.

      Und über Deine Schwäche habe ich noch vor einem Augenblick lachen können! rief Anselmo weinend. Verzeihe mir, liebes, frommes Kind.

      Beide Freunde nahmen sehr gerührt Abschied, um ihre gewohnten Wege zu gehn.

       Inhaltsverzeichnis

      Alwin stand dem ersehnten Fenster gegenüber, in einer Mauerwölbung, die ihm schon öfters gastlichen Schirm auf solchen Wandrungen dargeboten hatte. Fest haftete in seinem Gemüth, Beatrix letzte Warnung: ihr Vater sei argwönisch. und gewaltsam in Allem, was er unternehme. Seitdem ging der Serenatensänger nie unbewaffnet aus: den Stoßdegen unterm Mantel, im Gürtel einen zierlichen Dolch, den er besonders zu diesem Behuf gekauft hatte. Nimmer wollte er, so hatte er es sich geschworen, Beatrix Vater, auch im ärgsten Nothfalle verwunden, höchstens ein vertheidigendes Gefecht führen, und nur wenn Uebermacht mit frechem Hohn auf ihn eindringen sollte, die Spitze und Schneide seiner Waffen gebrauchen.

      Jetzt begann er nach einigen vorbereitenden Griffen sein Lied:

      Laufen zwei Kinder plauderud über die Gassen,

       Spielend im Nebel, im irren Mondenlicht,

       Können seitwärts zu schauen gar nicht lassen,

       Sähen doch lieber auch was da steht nicht.

      Steht ein Mann so schweigend im langen Kleide,

       Still in stürmisch nahender Wetternacht,

       Still vor sich, als wie im bangenden Leide,

       Einzig auf sein heimliches Thun bedacht.

      Greift in seiner Cither schwirrende Saiten,

       Und die Kinder sprechen einander zu:

       Höre, das ist der Spuk, aus alten Zeiten,

       Hat im heimlichen Grabe keine Ruh.

      Muß hinaus in schweigenden Nächten wandern,

       Singt sich selbst ein wunderlich Liedchen vor,

       Naht mit freundlichem Gruß keinem Andern,

       Tritt auch nimmer in eines Hauses Thor.

      Warum setzt Ihr Euch dieser Unbequemlichkeit aus? fragte Beatrix Vater, der sich unbemerkt an des Sängers Seite geschlichen hatte, Alwin sprang zurück, die Cither flog tönend um seine Schulter, am Schwerdtgriff lag seine Rechte, und heimlich wiederhohlte er sich den Schwur: lieber gestorben als den alten Mann verletzt.

      Wär's Euch nicht gefällig, sagte dieser, mit einem Abendbrod bei uns vorlieb zu nehmen?

      Darauf, und blos darauf war Alwin gar nicht vorbereitet. Nur mit einer verlegnen Verbeugung wußte er zu antworten, und der Alte fuhr fort:

      Ihr habt uns seit einiger Zeit manche recht artige Liederchen hören lassen, und ich würde meine Freude dran haben; nur daß ich eine Stöhrung empfinde, solang' ich einen jungen, galanten Edelmann wie Euch draussen in der Nachtkälte weiß. Zudem sagt man mir, Ihr fändet Wohlgefallen an meiner Tochter Beatrix. Kommt deshalb lieber in unser Haus, und besucht es öfter. Da kann Jedes merken, wie es sich und dem Andern behagt, und wir vermeiden alle lächerliche Stadtgeschichten. Habt die Güte, näher zu treten.

      Er machte ihm bei diesen Worten sehr höflich die Hausthür auf, und Alwin folgte der Einladung, fest überzeugt, hier lau're die blutigste Rache im Hinterhalt. So zu fallen, schien ihm rühmlich, ergötzlich sogar. Unter Beatrix Augen wollte er sich mit Heldenkraft vertheidigen, und es ward ihm, als höre er Verse aus einer künftigen Romanze auf diese Begebenheit.

      Aber Alles kam ganz anders. Er trat in einen häuslichen, unbefangnen Kreis. Beatrix flüchtiges Erröthen abgerechnet, sah es aus, als komme Ein Gevatter den Andern zu besuchen. Man nahm Alles wie schon längst bekannt an, und Alwin verbarg mit vieler Sorgfalt den Dolch in seinem Gürtel, wohl fühlend, wie lächerlich diese romantische Wehr unter so traulichen Umgebungen erscheinen müsse.

      Man plauderte, man sprach, man aß, man trank, als sei eben gar nichts Ungewöhnliches vorgefallen, und Alwin ward beim Abschied eingeladen, das Haus auf dieselbe Weise wieder zu besuchen, so oft es ihm gefalle.

      Als er nun draussen stand unter dem hohen Sternhimmel, dem Zeugen und ernsten Zuhörer seiner nächtlichen Lieder, nahe bei der dunkeln Bogenwölbung, die ihn so oft geschirmt hatte, da fühlte er sein dichterisches Leben wie zerstört. Er mußte über alle seine wunderlichen Anstalten lachen; und hätte die Cither gern an der nächsten Wand zerschlagen. Doch rief er sich auch wieder alle Vortheile des neuen Verhältnisses zurück, und schritt in solchem unaufgelösten Streite fort, immer eiliger und ämsiger, bis ihn ein nahes Werda? aufschreckte. Noch Gestern hätte vielleicht auf diesem Wege solch ein Anruf seine Rechte nach dem Schwerdte gedrängt, seine Linke in den schützenden Mantel gewickelt, jetzt antwortete er sehr gelassen: Gut Freund, und war im Begriff achtlos vorüber zu gehn.

      Aber