REVOLUTION AUTOMATON. Hendrik Kühn

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Название REVOLUTION AUTOMATON
Автор произведения Hendrik Kühn
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958354777



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Er paradiert wie ein stolzer Gockel knapp vor den Personenschützern durch den Gang in einem schwarzen Anzug und einem weißen Hemd. Andere Farben zeigt der Monitor nicht.

      »Warum benutzt ihr eigentlich immer noch Schwarz-Weiß-Kameras?«, frage ich.

      »Die sind in Farbe, das kann man nur nicht gut sehen. Das sind quasi impotente Farbkameras!« Er lacht schmutzig und haut mir auf die Schulter. »Impotente Farbkameras, verstehste?«

      Ich grinse, weil ich weiß, wie sehr er Witze mit sexuellen Referenzen mag. Er ist ein humoriger Typ, der gern lacht, nur nicht auf eigene Kosten.

      »Pass auf«, er zeigt mit dem Finger auf den Monitor, »hier kommt der Herr Kanzler den Flur entlang. In der Mitte ist die Biegung, da geht er gleich rum.« Sein Finger geht zu einem Monitor daneben. »Da bist du. Du kommst ihm entgegen, von der anderen Seite.«

      Er hält das Video an und ich schiebe meinen Kopf dicht vor das Bild. Da ist Dr. Engel. Mein Blick wandert auf den anderen Monitor. Da bin ich. Wir haben uns also doch getroffen, es stimmt wirklich. Ich habe keine Erinnerung daran. Ich wische meine schweißnassen Hände an der Hose ab und atme tief aus.

      »Alles okay?«, fragt Urban.

      »Geht so.« Mich lähmt die Furcht, gleich etwas Schreckliches mitansehen zu müssen … etwas, das meine Erinnerungen weckt und in dem ich mich nicht wiedererkennen kann. »Wir können uns noch nicht sehen, der Bundeskanzler und ich, oder?«

      »An dieser Stelle noch nicht, aber gleich.«

      »Was halte ich da in meiner rechten Hand?«

      »Das ist ein Kaffeebecher«, erwidert er und zieht einen großen Thermobecher aus dem Schrank unter dem Pult hervor. »So einen haben wir doch alle bekommen. Ist ein Weihnachtsgeschenk von UBERVISE gewesen, hat uns Jan Kaufmann letzte Woche mitgebracht. Erinnerst du dich nicht mehr?«

      »Nein. Wo ist meiner denn?«

      »Woher soll ich das wissen?«

      »Ein Weihnachtsgeschenk? Ist es normal, so was schon Ende November zu verteilen?«

      »Keine Ahnung. Was sind das denn für Fragen? Guck dir das Video an, vielleicht hilft es dir ja auf die Sprünge.«

      Urban spielt es weiter ab und wir sehen, wie der Bundeskanzler mit seinen Personenschützern um die Ecke geht und ich ihnen von der anderen Seite entgegenkomme. In diesem Moment müssten wir uns eigentlich begegnen, aber dann zittern die Bilder auf mehreren Monitoren und plötzlich sind sie für Sekunden schwarz. Ich gucke ihn fragend an. Das Bild kommt wie nach einer kurzen Störung zurückgezittert, allerdings ist es da schon geschehen. Der Bundeskanzler und die zwei Männer liegen reglos auf dem Boden. Wo bin ich? Ich bin verschwunden! Mein Herz springt mir förmlich hoch in den Hals. »Wo bin ich?«, rufe ich nervös. Urban deutet mit seinem Finger auf einen anderen Monitor darüber und der zeigt, wie ich in einen Nebenraum torkele. Es sieht so aus, als würde ich mich schmerzverzerrt nach vorne beugen und mein Gesicht halten. Irgendetwas hat mich offenbar getroffen. Im nächsten Moment überwältigen mich auch schon zwei Männer.

      »Da fehlt doch was, Urban. Das ist auf jeden Fall nachbearbeitet.«

      »Nein, das ist das Original.«

      »Aber die entscheidenden Sekunden fehlen! Siehst du das denn nicht?«

      »Ich weiß, aber mehr habe ich leider nicht.«

      »Unmöglich. Da steckt doch die Regierung hinter«, flüstere ich. »Die wollen nicht, dass wir mehr sehen. Die wollen mich zum Täter machen …«

      »Du hast gesagt, die haben dich gehen lassen.«

      »Das stimmt.«

      »Außerdem haben die auch nur eine Kopie von diesem Video.«

      Mein Magen verkrampft sich, ich bin ruhelos. Ich lege meine Füße auf das Pult und Urbans Blick sagt mir, dass ich das besser lassen soll.

      »Hast ja recht. Was denkst du?«, frage ich ihn und nehme meine Füße vom Pult. »Das sind zwei Personenschützer und der Bundeskanzler. Wie soll ich die denn bitteschön allein überwältigt haben?«

      Urban spult das Video zurück und guckt sich die Szene noch einmal an. Dann geht er mit dem Kopf ganz nah an den Monitor heran.

      »Drei Leute hättest du nicht schaffen können.«

      »Genau. Einen vielleicht, aber drei?«

      »Vielleicht den Kanzler, aber nicht die Personenschützer. Das sind Profis, Simon, da hast du keine Chance.«

      »Ich würde nicht sagen, dass ich keine Chance hätte. Ich bin immerhin auch Sicherheitsprofi. Einen hätte ich vielleicht überwältigen können.«

      »Das bezweifele ich«, insistiert er und schaut mich vielsagend von oben nach unten an.

      Ich ziehe meinen Bauch ein, straffe meine Schultern und zeige mit angespanntem Arm auf den Monitor, um seinen verächtlichen Blick von mir abzuwenden. »Wie dem auch sei, das sieht mir nicht nach einer mysteriösen Krankheit aus, sondern nach einem Anschlag. Ich meine nicht von mir, ich bin nur zufälligerweise da. Denkst du nicht auch? Was den Bundeskanzler getroffen hat, hat auch mich getroffen. Ich bin genauso ein Opfer wie er. Sieh dir doch mein Gesicht an, das brennt immer noch.«

      Er neigt seinen Kopf zur Seite und schaut auf meinen Hals. Seine Stirn ist genau vor meinen Augen und ich beobachte, wie sich darauf innerhalb weniger Sekunden Schweiß sammelt. Plötzlich verblasst seine Gesichtsfarbe und seine ovalen, von buschigen Brauen umwachsene Augen fahren zusammen wie aus dem Nichts. Mit einem Ruck beugt er sich nach unten, hält sich seinen Bauch und beginnt zu stöhnen.

      »Was ist denn los? Geht`s dir nicht gut, Kumpel?«

      Seine flache Hand signalisiert, dass er gerade mit sich beschäftigt ist und ich warten soll. Es dauert einen Moment, bis er tief durchatmet und sich schüttelt. »Geht schon wieder.«

      Ich schaue in das ehemals helle Weiß seiner Augen, das nun rot ist und die glasig wirken. Das und der blutarme Kopf sagen mir das Gegenteil, aber er winkt genervt ab. »Betüddele mich nicht wie meine Mama. Ist alles gut.«

      »Sag mal, kann ich zur Sicherheit eine Kopie von dem Video haben?«

      »Ich kann dir eine machen«, raunt er und schiebt meinen Oberkörper zur Seite, da ich mich in Sorge um ihn aus Versehen vor die Bildschirme gelehnt habe. »Hast du das gesehen?« Er spult das Video ein Stück zurück und geht abermals dicht an das Gerät heran. Dabei steigt ein penetranter Duft vom Boden auf. Ich sehe seine blanken Füße auf den Schuhen thronen und lehne mich unauffällig zurück, um dem Gestank zu entfliehen.

      »Nein. Was soll ich denn gesehen haben?«, frage ich mit nasenverriegelter Stimme.

      »Guck doch mal.« Er deutet auf einen Punkt im Bild und spielt das Video erneut ab. Ein gräuliches Rauschen wechselt ins Dunkle und blinkt auf der anderen Seite des Monitors wieder auf. Ich konnte es allerdings nicht genau erkennen, weil es zu schnell ging.

      »Was war das?«

      Er wiederholt den Sekundenschnipsel und auch ich beuge mich ganz nah zu dem Monitor. Die Farbveränderung ist kaum sichtbar, aber sie deutet etwas Obskures an, das wie ein dunkler Blitz über den Flur jagt.

      »Ein Schatten.«

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