Название | Und wer hilft ihr? |
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Автор произведения | Lennart Frick |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711446782 |
Später, als sie sich gewaschen hatte und die letzten Reste der Fernsehschminke losgeworden war, rief auch Lars-Göran an. Ihm erzählte sie ebenfalls von dem Gespräch.
»Verstehst du, er hat mich erschreckt«, sagte sie. »In seiner Stimme war irgend etwas Unangenehmes.«
Sie war selbst ein wenig erstaunt über ihre Geschwätzigkeit. Mit Lars-Göran pflegte sie selten über ihre Arbeit zu reden. Doch ihn schien ihre Bemerkung nicht weiter zu interessieren, er ging scherzend darüber hinweg.
»Übrigens, können wir uns nicht morgen abend sehen?« fragte er dann. »Das letzte Mal ist schon ziemlich lange her.«
»Du hast recht«, antwortete sie und spürte eine leise Erregung in der Leistengegend. »Es wird Zeit, daß wir wieder einmal einen Plausch machen.«
Wie üblich schlug sie das »Cattelin« vor, und sie wußte schon jetzt, daß der Abend in seiner Bude in der Skeppargatan enden würde. Sie schlief gern mit ihm, er war weich und zärtlich und stellte keine unbilligen Forderungen. Sie hatte ihm ein für allemal klargemacht, wie weit ihr Interesse reichte, und er widersetzte sich nicht. Sie hatten sich im letzten halben Jahr hin und wieder getroffen, vor allem dann, wenn Clas Schwierigkeiten hatte, von der Familie und dem vielen Spätdienst im Krankenhaus wegzukommen.
Es ist schön, ihn dann und wann zur Hand zu haben, dachte sie und gähnte laut, als sie das Rollo herunterzog. Er ist jung und unkompliziert, er ist völlig ungefährlich.
»Und ein guter Liebhaber«, sagte sie halblaut vor sich hin, als sie unter die Decke kroch, und mußte dann über diese Formulierung leicht kichern.
»Du liebe Zeit«, murmelte sie, »jetzt fange auch ich schon an, im Vokabular der Wochenzeitschriften zu denken! Ich meine doch, er ist gut im Bett.«
Am nächsten Morgen, dem siebenten November, hatte sie den Anruf vergessen. Sie fuhr zu dem monatlichen Abstimmungsgespräch mit der Familiengruppe des Jugendamtes, wo sie noch einmal die unterschiedlichen Auffassungen ihrer Kollegen zu den Gutachten der Sachverständigen für Familienfragen vortrug. Gegen einige der Vorschläge des Jugendamtes war Einspruch erhoben worden, und sie deutete die Möglichkeit an, daß die Familienfürsorger des ganzen Landes einen eigenen Vorschlag einbringen würden. Nach der Sitzung machte man ihr Komplimente für ihr Auftreten im Fernsehen, doch sie wehrte die Lobesworte geschmeichelt ab.
»Die anderen waren gut«, erklärte sie.
»Mein Gott, wie ich dich um deine Ruhe beneide«, sagte eine der jüngeren Fürsorgerinnen, Lena Haraldsson hieß sie wohl. »Du wirkst durch und durch sicher und unerschütterlich, nichts scheint dich aus der Fassung zu bringen. Weißt du, daß du beneidenswert bist?«
»Nun laß mal«, antwortete sie und lächelte der gerade von der Universität gekommenen Kollegin freundlich zu, die auf der Sitzung immer wieder in heftigem Ton und mit nur zum Teil durchdachten Argumenten auf die Notwendigkeit einer Politisierung des gesamten Sozialwesens zu sprechen gekommen war. »Das meiste ist Erfahrung. Ist man so lange dabei wie ich, gibt es kaum noch Dinge, die einen in Erstaunen setzen können!«
Es war schon nach elf, als sie ins Büro in der Tegnérgatan 12 kam. Elisabet, eines der Mädchen in der Anmeldung, begegnete ihr im Wartezimmer und winkte ihr erfreut zu.
»Gut, daß du kommst, Kristina«, sagte sie, »das Telefon ist schon den ganzen Vormittag heißgelaufen. Da ist ein Mann, der dich seit zehn zu sprechen wünscht. Er hat schon mindestens dreimal angerufen. Er scheint ein bißchen merkwürdig zu sein und will nicht sagen, wer er ist. Er behauptet, du hättest ihm versprochen, es werde sich keiner darum kümmern.«
»Ach du liebe Zeit!« Sie erinnerte sich plötzlich an das Gespräch vom Vorabend. »Ich habe ihm gesagt, er könne mich gegen zehn anrufen. Ich hatte völlig vergessen, daß ich heute drüben beim Jugendamt zu tun haben würde. Er ruft doch wieder an?«
»Da kannst du beruhigt sein«, meinte Elisabet. »Als letztes sagte er noch: ›Sie soll nicht glauben, daß sie so leicht davonkommt.‹ Worum geht es denn eigentlich?«
»Um nichts Besonderes«, antwortete sie leichthin und hängte ihren Mantel in die Garderobe neben der Küche. »Es ist nur so ein anonymer Anrufer, einer, der sich einmal alles von der Seele reden will. Er ist weiß Gott nicht der erste.«
»Übrigens«, fügte Elisabet schon auf dem Weg zur Anmeldung hinzu, »vergiß nicht, am Nachmittag mit Barbro zu sprechen. Ich glaube, sie hat ein paar neue Fälle für dich.«
»Zum Teufel«, brummte Kristina, als sie an ihrer Bluse einen lose hängenden Knopf bemerkte, »alles bleibt liegen. Es ist doch wohl nichts Eiliges?« rief sie dem Mädchen noch nach. »In dieser Woche ist mein Kalender voll bis oben hin.«
»Ich glaube nicht«, antwortete Elisabet, »sie müssen wohl die übliche Zeit warten.«
Im selben Augenblick klingelte das Haupttelefon, und sie hörte Elisabets Stimme einen verbindlichen Ton annehmen, als sie sich meldete.
»Kristina, das ist er! Ich stelle durch.«
»Es tut mir leid«, erklärte sie, sobald sie den Hörer abgenommen hatte, »ich vergaß, daß ich heute zu einer Sitzung mußte.«
»Ich verstehe«, antwortete er ein wenig spitz, »das kann wohl schnell einmal vorkommen.«
»Sie wollten mit mir reden«, fuhr sie fort und griff aus alter Gewohnheit nach dem Notizblock. »Geht es um etwas Besonderes, Herr ... ja, wie war Ihr Name?«
»Sie haben doch versprochen, nicht danach zu fragen«, entgegnete er scharf. »Sie haben versprochen, mich anzuhören, ohne sich zu erkundigen, wer ich bin. Haben Sie das schon vergessen?«
»Nein, nein, ganz und gar nicht«, entschuldigte sie sich. »Ich dachte nur ... Vielleicht können wir einen Zeitpunkt vereinbaren, an dem Sie herkommen können.«
Mit der linken Hand blätterte sie im Terminkalender und suchte nach ein paar freien Stunden. Sie war so gut wie ausgebucht, hatte vierzehn aktuelle Fälle, und mit all den Sonderaufgaben war das mehr als genug.
Ich sollte lernen, endlich einmal nein zu sagen, dachte sie und fragte dann so freundlich wie möglich: »Was meinen Sie zu Montag, dem Zwanzigsten? Irgendwann am Nachmittag?«
»Unmöglich«, erwiderte er kurz. »Ich habe nicht die Absicht, ein Sozialbüro aufzusuchen. Ich bin kein Klient. Ich will Sie privat treffen.«
»Entschuldigen Sie«, wandte sie ein, »jetzt verstehe ich Sie wohl nicht richtig. Hier oben in meinem Büro sind wir völlig ungestört. Niemand braucht von Ihrem Besuch zu erfahren. Es wird nicht einmal Buch geführt.«
»Unsinn«, sagte er, »auf so etwas lasse ich mich nicht ein. Und da hatte ich geglaubt, Sie seien nicht so wie die anderen, Sie seien bereit, etwas zu opfern. Ich muß Sie an einem Ort treffen, wo uns niemand sehen und keiner mich kontrollieren kann.«
Sie hatte plötzlich den Wunsch, das Gespräch abzubrechen, zwang sich jedoch, dem Impuls nicht nachzugeben.
»Wenn Sie also nicht herkommen wollen, können wir uns aber doch wohl hier in der Stadt treffen?« schlug sie vor. »Wir könnten vielleicht zusammen Mittag essen. Wo arbeiten Sie übrigens?«
»Lassen Sie das Aushorchen. Sie haben doch versprochen, es nicht zu tun«, erwiderte er heftig. »Und in ein Restaurant kriegen Sie mich nicht. Was ich zu sagen habe, ist viel zu wichtig, als daß irgendein Kellner mich stören dürfte. Ich will Sie an einem Platz treffen, wo wir allein sind. Können wir nicht einen langen Spaziergang auf Djurgården machen?«
»Nein, das ist nicht der richtige Ort«, sagte sie, und Unmengen von Zeitungsrubriken, die von Überfällen und Frauenmorden in abseits gelegenen Gebüschen berichteten, zuckten durch ihr Hirn.
Wie lächerlich