Der Olymp. Achim Lichtenberger

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Название Der Olymp
Автор произведения Achim Lichtenberger
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783170396180



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achten Gesangs der Ilias fordert Zeus die anderen Götter zum Seilziehen heraus, um seine Autorität zu sichern. Derjenige, der sich gegen ihn stelle, habe keine Chance:24

      »›Dann wird er erkennen, wieweit ich der Stärkste bin von den Göttern allen!

      Wenn aber – auf! Versucht es, Götter! Daß ihr alle es wißt:

      Hängt ein Seil, ein goldenes, auf, herab vom Himmel,

      und alle faßt an, ihr Götter, und alle Göttinnen!

      Doch werdet ihr nicht vom Himmel auf den Boden niederziehen

      Zeus, den höchsten Ratgeber, auch nicht, wenn ihr noch so sehr euch mühtet.

      Doch sobald auch ich dann im Ernste ziehen wollte:

      Mitsamt der Erde zöge ich euch hinauf und mitsamt dem Meer;

      und das Seil bände ich dann um die Spitze des Olympos,

      und in der Schwebe hinge dann das alles.

      Soweit bin ich überlegen den Göttern, überlegen den Menschen!‹

      So sprach er, und die waren alle stumm in Schweigen,

      von dem Wort betroffen, denn sehr gewaltig hatte er gesprochen.« (Hom. Il. 8, 17–29)

      Diese Episode unterstreicht in eindrücklicher Weise die Zwischenstellung des Olymps zwischen Himmel und Erde. Wir sehen also, dass es in den homerischen Epen ein Nebeneinander von Vorstellungen gibt, die einerseits den thessalisch-makedonischen Berg Olymp als Sitz der Götter identifizieren. Andererseits gibt es auch ein universalistisches Verständnis, welches den Olymp in einen weit entfernten, überirdischen, himmlischen Raum versetzt. Diese Ambiguität des Olymps, die bereits bei Homer angelegt ist, ist prägend für die nachfolgenden Jahrhunderte griechisch-römischer Kulturgeschichte. Gerade weil Homer keine Klarheit herstellt, müssen wir davon ausgehen, dass die Ambiguität widerspruchsfrei ausgehalten wurde.25 Es ist wohl gerade diese Universalisierung des nordgriechischen Berges, die eine Integration des Göttersitzes in lokale griechische Götterwelten ermöglichte, und so den Olymp zu einem Bezugspunkt machte, der jenseits der Lokalität des nordgriechischen Berges lag.26 Nun wenden wir uns den Textstellen zu, die uns etwas mehr darüber mitteilen, wie man sich den Göttersitz bzw. die Göttersitze auf dem Olymp vorzustellen hat.

      Wie wohnten die Götter?

      Aus dem vorangegangenen ist deutlich geworden, dass der Olymp der Göttersitz war und die Götter hier wohnten.27 Weitere Homerstellen verfestigen dieses Bild. So gibt es zahlreiche Stellen, in denen der Olymp explizit als athanaton hedos, als »Sitz der Unsterblichen« bezeichnet wird.28 Konkretisiert wird dieses Bild des Sitzes durch Erwähnungen, dass die Götter dort auf dem Olymp ihre domata (Häuser) haben.29

      Besonders lebendig wird die Vorstellung von dem Leben in den Häusern auf dem Olymp am Ende des ersten Gesangs der Ilias, wo es um einen Streit während einer Götterversammlung im Zeuspalast auf dem Olymp geht. Gerade hat sich Hera, die Gattin des Zeus, für die Trojaner eingesetzt, als es zu einem finalen Machtwort des Göttervaters kommt. Dieser hat keine Lust mehr, mit seiner Frau weiter verbal zu händeln, und droht ihr eheliche Gewalt an:30

      »Da antwortete und sagte zu ihr der Wolkensammler Zeus:

      ›Unbändige! Immer mußt du ›denken‹, und ich kann dir nicht entgehen!

      Ausrichten aber kannst du dennoch nichts, und immer nur ferner

      Wirst du meinem Herzen, und das wird dir noch schrecklich sein!

      Doch wenn dieses so ist, so wird es mir eben so lieb sein!

      Aber setz dich nieder in Schweigen und gehorche meinem Wort!

      Kaum werden dir sonst helfen, so viele da Götter sind im Olympos,

      Wenn ich dir nahe komme und die unberührbaren Hände an dich lege!‹

      So sprach er. Da fürchtete sich die Kuhäugige, die Herrin Here,

      Und sie setzte sich schweigend nieder und bändigte ihr Herz.

      Und aufgebracht waren im Haus des Zeus die Götter, die Uranionen.

      Doch unter ihnen begann Hephaistos, der kunstberühmte, mit den Reden,

      Seiner Mutter zu Gefallen, der weißarmigen Here:

      ›Wirklich! Heillose Dinge sind das und nicht mehr erträglich!

      Wenn ihr zwei der Sterblichen wegen derart streitet

      Und vor den Göttern ein Gezänk aufführt! Und gar keine Freude

      Wird mehr sein an dem guten Mahl, wenn das Gemeinere obsiegt!

      Der Mutter rede ich zu, wenn sie es auch selbst erkennt,

      Unserem Vater zu Gefallen zu sein, dem Zeus, daß nicht wieder

      Der Vater streite und uns das Mahl zusammenwerfe.

      Denn ist er gewillt, der Olympier, der blitzeschleudernde,

      Uns von den Sitzen zu stoßen – er ist ja der bei weitem Stärkste.

      Aber gehe du ihn an mit freundlichen Worten!

      Gleich wird uns dann der Olympier wieder gnädig sein!‹

      So sprach er und sprang auf, und den doppelt gebuchteten Becher

      Legte er seiner Mutter in die Hände und sagte zu ihr:

      ›Ertrage es, meine Mutter! Und halte an dich, wenn auch bekümmert!

      Daß ich dich nicht, so lieb du mir bist, vor meinen Augen

      Geschlagen sehe. Dann könnte ich dir, so bekümmert ich bin,

      Nicht helfen. Denn schwer ist es, dem Olympier entgegenzutreten!

      Denn auch ein andermal schon, als ich dir beizustehen suchte,

      Ergriff er mich am Fuß und warf mich von der göttlichen Schwelle.

      Den ganzen Tag lang trug es mich, jedoch mit untergehender Sonne

      Stürzte ich herab auf Lemnos, und nur wenig Leben war noch in mir.

      Dort pflegten mich Männer der Sintier alsbald, den Herabgestürzten.‹

      So sprach er. Da lächelte die Göttin, die weißarmige Here,

      Und lächelnd nahm sie mit der Hand den Becher von dem Sohn.

      Der aber begann, den anderen Göttern rechtshin allen

      Den süßen Nektar auszuschenken, aus dem Mischkrug schöpfend.

      Und unauslöschliches Gelächter erhob sich unter den seligen Göttern,

      Als sie sahen, wie Hephaistos durch das Haus hin keuchte.

      So speisten sie damals den ganzen Tag bis zur untergehenden Sonne,

      Und für ihren Mut war kein Mangel an dem gebührenden Mahl,

      Und auch nicht an der Leier, der gar schönen, die Apollon hielt,

      Und auch nicht an den Musen, die wechselnd mit schöner Stimme sangen.

      Als aber untergegangen war das strahlende Licht der Sonne,

      Da gingen sie, sich niederzulegen, ein jeder in sein Haus,

      Wo für einen jeden das Haus der ringsberühmte Hinkende,

      Hephaistos, gefertigt hatte mit kundigem Sinn.

      Zeus aber ging zu seinem Lager, der Olympier, der blitzeschleudernde,

      Wo er auch vormals zu schlafen pflegte, wenn ihm der süße Schlaf kam.

      Dort stieg er hinauf und schlief, und bei ihm die goldthronende Here.« (Hom. Il. 1,560–611)

      Hier wird einerseits sehr menschlich das Leben der Götter beschrieben.