Название | Der Olymp |
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Автор произведения | Achim Lichtenberger |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783170396180 |
Dennoch, und das sei vorweggenommen, war die räumliche Inbesitznahme des Berges Olymp – sei es durch Besuche, sei es durch Bauwerke – in der Antike und in der gesamten Vormoderne unterentwickelt. Insofern ist er tatsächlich dem Hades vergleichbar als ein präsenter, aber eben doch auch unbekannter Ort.
Im Folgenden sollen Grundzüge der Geschichte des Bergs Olymp in der Antike behandelt werden. Dabei wird einerseits betrachtet, welche Vorstellung die Antike von dem Olymp als Sitz der Götter hatte, andererseits wird untersucht, wie der tatsächliche Ort in der Antike aussah und durch menschliche Aktivitäten gefasst war. Es geht also um ein zentrales Thema der Klassischen Archäologie, nämlich um das Verhältnis von Texten zu Monumenten. Zur Einführung in das Thema seien eine Photographie des Berges Olymps und ein Ausschnitt aus der Götterversammlung im Ostfries des Parthenon von Athen nebeneinandergestellt (
Abb. 3: Die Gipfelregion des Olymps.
Das Bild zeigt ein Gebirge mit zahlreichen, dicht beieinanderliegenden Gipfeln. Dieses ist das Olympgebirge, mit dessen Topographie wir uns noch genauer beschäftigen werden. Bereits auf den ersten Blick wird deutlich, dass es in seiner schroffen Morphologie durchaus charakteristische Züge aufweist, die – auch das sei vorweggenommen – nie in einer bildlichen Darstellung der Antike erscheinen. Wir besitzen keine antike Darstellung des Berges, welche die geographischen Charakteristika
Abb. 4: Ausschnitt aus dem Bild der Götterversammlung im Ostfries des Parthenon von Athen: Hermes, Dionysos, Demeter und Ares. Die Pfeile bezeichnen Steine, Mitte 5. Jh. v. Chr., London, British Museum.
prägnant in Szene setzt, doch gibt es einige Bilder, die durchaus die Vorstellung vom Olymp als eines Berges mitberücksichtigen. Das ist bemerkenswert, denn von einigen anderen Bergen, wie etwa dem Ararat in Armenien (
Obschon auf dem Berg Olymp kaum archäologische Spuren zu finden sind und es kaum Darstellungen des Olymps in der Bildkunst gibt, kann die Archäologie dennoch dazu beitragen, die antike Vorstellung von dem Göttersitz besser zu verstehen. Es zeigt sich, dass er auf vielfältige Weise in archäologischen Zeugnissen präsent ist.
Schauen wir auf den Ausschnitt des Parthenonfrieses mit der Götterversammlung, die auf dem Olymp stattfindet, so sehen wir, dass dieser nicht zu den Bildern gehört, welche an die konkrete Topographie des Berges anknüpfen; allerdings können wir Aspekte sehen, die uns über die grundsätzliche Vorstellung vom Olymp Auskunft geben.
Abb. 5: Bronzemünze von Königin Erato und König Tigranes IV. von Armenien mir Ansicht des großen und des kleinen Ararat auf der Rückseite, ca. 2 v. Chr.–1 n. Chr.
Der Parthenon, eines der wichtigsten Denkmäler des klassischen Athens, wurde 447–438 v. Chr. gebaut und ist als Tempel der Athena Parthenos ein Monument der Bürgerschaft von Athen.12 Auf dem Parthenonfries konstituiert sich die Polis, also die Stadt Athen. Dargestellt ist der alle vier Jahre stattfindende Panathenäenzug, ein Festzug zu Ehren der Stadtgöttin Athena. Der Fries läuft oben an der Cella entlang. Der Panathenäenzug wird zweizügig – das heißt von zwei Seiten startend und gegenläufig – dargestellt. Auf der Ostseite, der als Eingang des Tempels wichtigsten Seite eines griechischen Tempels, gipfelt das Geschehen im Zielpunkt des Festzuges, nämlich der Übergabe eines neuen Gewands für die Stadtgöttin Athena an einen hohen Kultbeamten der Stadt, oder nach einer neuen Deutung in der Vorbereitung eines mythologischen Menschenopfers.13 In unserem Zusammenhang ist die genaue Bedeutung der Szene zweitrangig. Wichtiger ist das, wovon die Versammlung eingefasst wird. Denn umgeben ist diese Szene von einer Götterversammlung. Diese ist dem Geschehen vollkommen enthoben, und die thronenden Götter sind alle deutlich größer als die Sterblichen und die Heroen des Zuges. Untersuchungen zur Raum- und Zeitauffassung des Parthenonfrieses haben deutlich gemacht, dass es ein Hin und Her der Bewegungen gibt und auch Brüche. Insgesamt ist aber eine zeitliche und räumliche Einheitlichkeit zu beobachten, die durch den Auftritt der Götter durchbrochen wird.
Die Götter sind auf Sitzmöbeln in der Götterversammlung gezeigt, welche nur im Olymp gedacht sein kann. Sie sind dem Geschehen vollständig enthoben und scheinen nicht darauf zu reagieren, insbesondere nicht auf die Mittelszene, von der sie abgewandt sind. Ihre Anordnung erfolgt paarweise: von links nach rechts Hermes und Dionysos, Demeter und Ares (
Stellt man die Photographie des Berges Olymp und die Darstellung der Götterversammlung im Olymp nebeneinander, so muss man feststellen, dass der Kontrast zwischen dem realen und dem vorgestellten Raum nicht größer sein könnte. Es ist eine banale Beobachtung, die aber formuliert werden muss: Ein Versuch, die tatsächliche Topographie des Olymps in das Bild der Götterversammlung zu integrieren, ist kaum unternommen worden. Der einzige, aber eben entscheidende Vergleichspunkt besteht in dem Charakteristikum des allem Menschlichen enthoben Seins.
1.1 Der Olymp heute
Mittlerweile wird der Olymp jedes Jahr von tausenden Bergsteigern erklommen. Es gibt Schutzhütten, Wanderwege und Karten, und das ganze Bergmassiv ist bis in den letzten Winkel mit modernster Technik vermessen.16 Trotz dieser Erschließung und Erforschung bleibt der Olymp doch ein zutiefst imaginärer Berg, der in der Populärkultur vielfältige Assoziationen erweckt, die sehr lose um das Thema »Sitz« und »göttlich« kreisen.
Abb. 6: Kratzbaum Modell »Olymp« der Firma Albert Kerbl GmbH.
So wirbt eine deutsche Friseursalonausstattungsfirma »Olymp« mit besonders qualitätvollen Friseurstühlen.17 Mit denselben Assoziationen, allerdings auf die in der westlichen Welt mit einer göttlichen Aura versehenen Hauskatzen bezogen, spielt eine Firma