Название | Der Olymp |
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Автор произведения | Achim Lichtenberger |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783170396180 |
Abb. 7: Mobile Toilettenkabine der Firma Olymp.
Herrenoberbekleidungsfirma Olymp, die ihren Firmennamen damit erklärt, dass Sie Hemden produziert, mit denen sich erfolgreiche Männer »im persönlichen Olymp« fühlen sollen.18 Die Übertragbarkeit und Universalität der Idee vom Olymp, die nicht an den nordgriechischen Berg gebunden ist, wird hier deutlich, wobei sie zusätzlich noch individualisiert wird. Der Olymp ist potentiell überall.19 Diese örtliche Übertragbarkeit des Olymps ist vielfach zu beobachten. Ein aktuelles Beispiel ist die erfolgreiche Jugendbuchreihe »Percy Jackson«, in der der Olymp kurzerhand nach New York verlegt wurde.20 Die Universalität des Olymps wird auch anhand eines weiteren Beispiels deutlich. Die japanische Firma Olympus ist bekannt für optische Geräte, darunter Kameras. Gegründet wurde die Firma 1919 in Tokyo unter dem Namen Takachiho Seisakusho.21 Der Takachiho mit dem Gipfel Takamagahara ist ein Berg, der in der japanischen Mythologie Ort der Götter und des Lichts ist. Da der für westliche Käufer sperrige Name Takachiho Seisakusho zu kompliziert war, wurde die Firma 1949 in Olympus umbenannt, was sicher dazu beitrug, dass die Firma heute ein Weltmarktführer für optische Geräte ist. Diese Übertragung unterstreicht die Wirkmächtigkeit und Anschlussfähigkeit der Olympidee.22
Die Beispiele zeigen, dass ähnlich wie in der Antike auch heute der Olymp Projektionsfläche von Vorstellungen des kollektiven Gedächtnisses ist, wobei diese Vorstellungen nicht zwingend etwas mit dem nordgriechischen Berg und seiner realen Topographie zu tun haben.
1.2 Der Beginn der wissenschaftlichen Erforschung
Die Erkundung und wissenschaftliche Erforschung des Olymps begannen bereits in der Antike. Die Vorstellung, die Homer von der Höhe des Berges hatte, dass man nämlich von ihm einen ganzen Tag herunterfalle,23 wurde später nüchterner gesehen. So berichtet Plutarch, ein Autor des 2. Jh. n. Chr., in seiner Biographie des römischen Feldherren Aemilius Paullus Folgendes:24
»Hier erhebt sich das Olymposgebirge zu einer Höhe von mehr als zehn Stadien. Das wird in einer Inschrift des Mannes bezeugt, der sie gemessen hat, folgendermaßen:
›Des Olympos Gipfel über dem Pythion Apollons
Hat eine heilige Höhe – sie ward nach dem Senkblei gemessen –
Von einer vollen Zehnheit von Stadien, darüber hinaus noch
Von hundert Fuß, vermindert um vier.
Des Eumelos Sohn hat diese Messung vollzogen,
Xeinagores. Du Herrscher, sei gnädig und verleihe ihm Gutes‹
Allerdings behaupten die Geographen, daß weder die Höhe eines Berges noch die Tiefe eines Meeres zehn Stadien übersteige; aber Xenagoras scheint seine Messung nicht nur oberflächlich, sondern kunstgerecht und mit Hilfe von Instrumenten gemacht zu haben.« (Übersetzung: Konrat Ziegler)
Soweit Plutarch. Leider wissen wir nicht genau, wann dieser ansonsten unbekannte Xenagoras die Messung vorgenommen hat; es wird angenommen, dass er im ersten Drittel des 2. Jh.s v. Chr. lebte.25 Das Ergebnis von seiner Messung ist erstaunlich: ein Stadion sind 600 Fuß. Insgesamt ist die gemessene Höhe also 6 096 Fuß. Legt man einen griechischen Fuß von 30,7 cm zu Grunde, so ergibt sich eine Höhe von 1 871,47 m. Da natürlich nicht die absolute Höhe gemessen wurde, sondern die relative, muss die Höhe des Standortes noch einbezogen werden. Das Heiligtum von Pythion wird bei dem Dorf Selos am westlichen Fuß des Olymps lokalisiert.26 Zu dieser Ortslage muss man die rund 900 Höhenmeter des Standortes hinzurechnen und käme so zu einer Höhe des Berges von 2 771 m, was den heute gemessenen 2 918 m des höchsten Gipfels erstaunlich nahe kommt. Das Ergebnis ist umso beachtlicher, wenn man bedenkt, dass Xenagoras möglicherweise gar nicht den höchsten Gipfel Mytikas gemessen hat, sondern jenen Gipfel, vor dem er in Pythion/Selos genau stand, nämlich den Agios Antonios, der auf 2 817 m liegt (
Plutarchs Bericht über Xenagoras ist das einzige Zeugnis für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung in der Antike mit der Geographie des Olymps. Erwähnt wird der Olymp immerhin in dem Werk des alexandrinischen Geographen Klaudios Ptolemaios (2. Jh. n. Chr.). Dort ist in seiner Geographie in Buch III Kapitel 12,16 der Breitengrad 39 Grad 20 Minuten für Olymp, Ossa und Pelion angegeben. Tatsächlich ist der Breitengrad aber 39 Grad 40 Minuten, eine Abweichung, die nicht gravierend und auf das Berechnungsverfahren von Ptolemaios zurückzuführen ist.30
Gibt es Hinweise darauf, dass der Olymp in der Antike bestiegen wurde? Auf einem Nebengipfel des Olymps, dem Agios Antonios, gab es in frühhellenistischer Zeit, im 3. Jh. v. Chr. ein Heiligtum des Zeus Olympios, welches in der Spätantike noch einmal für einige Zeit genutzt wurde.31 Dieses Heiligtum ist der einzige Hinweis für menschliche Präsenz auf dem Olymp in der Antike. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Bergsteigen aus ästhetischen Gründen erst ein Phänomen seit dem 17. Jh. ist, und es für Menschen der Antike eigentlich nur zwei Gründe gab, einen Berg zu besteigen. Und das waren entweder wirtschaftliche Gründe im Kontext von Weidewirtschaft32 oder religiöse, wie wir an Bergheiligtümern anderenorts feststellen können.33 Daher können wir davon ausgehen, dass nur für die kurze Zeit der Nutzung des Heiligtums auf dem Agios Antonios der Olymp von Menschen besucht wurde, denn für Weidewirtschaft war die karge Gipfelregion nicht geeignet. Insgesamt gilt es zu berücksichtigen, dass Berge in der Antike Orte waren, die eine Andersartigkeit (Alterität) gegenüber der Stadt und der Zivilisation aufwiesen, und entsprechend nicht bevorzugte Aufenthaltsorte von Menschen waren.34 In Krisenzeiten konnten Bergregionen daher auch Rückzugsgebiete sein.35
Nach dem 2. Jh. n. Chr. fehlen weitere Quellen, die uns über eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Olymp berichten. In der Spätantike und im Mittelalter gibt es zwar Berichte darüber, wie der Gipfel des Olymps ausgesehen haben soll und welche geheimnisvollen Handlungen dort stattgefunden haben sollen, doch sind diese Berichte stark legendarischer Natur und gehen nicht auf eine tatsächliche Inaugenscheinnahme oder aufklärerische Auseinandersetzung mit dem Berg zurück, wie sie etwa Xenagoras oder Ptolemaios beabsichtigten.36 So gerät der nordgriechische Olymp für mehrere Jahrhunderte aus dem Fokus des Interesses.
Als unzugänglicher Ort war der Olymp unter osmanischer Herrschaft ein Rückzugsgebiet für die Klephten, je nach Perspektive Räuber oder Freiheitskämpfer, und wegen der unsicheren Lage wagten sich nur wenige westliche Forschungsreisende in die Gegend.37 Einer der frühesten Berichte stammt von dem englischen Arzt Edward Brown, in dessen 1673 erschienenem Reisebericht, der allerdings den Olymp nur aus einiger Entfernung beschreibt.38 Er erwähnt aber den Schnee auf dem Olymp, der, wie wir heute wissen, nur im August und September fehlt.39 Der Bericht von Brown ist für den Göttinger Theologen Johann Karl Volborth 1776 eine wichtige Quelle für seine geographisch-philologische Schreibtischarbeit zum Olymp.40