Monster, Monster überall. Jürgen Höreth

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Название Monster, Monster überall
Автор произведения Jürgen Höreth
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783969879269



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      Wir versuchten wieder hochzuklettern, aber die Wände an den Seiten erwiesen sich als zu glatt. Einmal kletterte ich auf Muncks Schultern, was sich jedoch als sinnlos erwies, ich fand auch in dieser Höhe keinen Halt, rutschte ab und schlug wieder hart auf dem Boden auf.

      Rechts und links befanden sich eine Art niedrige Gänge, was wir durch Tasten in der Dunkelheit herausfanden. Da wir keine andere Wahl hatten, beschlossen wir unser Glück in einem dieser Gänge zu suchen. Der Gang, für den wir uns entschieden, war so niedrig, dass wir ihn auf Knien entlang kriechen mussten. Wir krochen und krochen, doch der Gang schien kein Ende zu nehmen. Die Luft war stickig und roch immer übler. Ich bekam Staub und Erde in den Mund und spuckte sie aus. Das Brummen in meinem Schädel wandelte sich zu einem stakkatoartigen Klopfen, wodurch ich Nasenbluten bekam und ich Angst hatte, meine Zähne würden sich aus dem Kiefer lösen. Es wurde so arg, dass ich befürchtete das Bewusstsein zu verlieren, aber zu meiner Erleichterung ließ das unheimliche Geräusch schließlich nach. Ob dies an der Quelle dieses Lautes gelegen hatte oder ob sich mein Organismus letztlich an das Crescendo gewöhnte, vermag ich im Nachhinein nicht zu sagen.

      Ein dumpfer Aufschrei hinter mir ließ mich innehalten. Etwas scharrte über den Boden. Muncks Körper, den man wegschleifte? Ich hörte Munck wimmern wie ein kleines Kind, dann kreischte er wie ein geschundenes Tier. Angst krallte sich in meine Eingeweide, Angst vor etwas Bestialischem in dieser undurchdringlichen Finsternis. Ich krabbelte in hysterischer Eile weg von Muncks Geschreie. Dabei zerriss meine Kleidung an den Knien und an den Ellbogen und ich scheuerte die Haut wund und blutig.

      Ich krabbelte über den Boden, bis ich nicht mehr konnte. Keuchend brach ich zusammen. Meine Kleidung war schweißdurchtränkt und klebte unangenehm an meinem Körper, trotzdem hatte ich Schüttelfrost am ganzen Leib vor urtümlicher Angst.

      Ich fand schließlich wieder die Kraft weiter zu kriechen. Panik trieb mich voran.

      Wie viel Zeit seit Muncks Verschwinden vergangen war, konnte ich nicht mehr abschätzen. Es dünkte mich, dass ich schier eine halbe Ewigkeit in diesem lichtlosen Labyrinth umhergeirrt war. Hunger wühlte in meinen Eingeweiden, der dort auf Angst vor einem unbestimmbaren, gestaltlosen Schrecken traf. Endlich erreichte ich einen Gang, der sich zu einer Art Höhle vergrößerte, und in dem ich auch stehen konnte.

      Meine Gliedmaßen waren von der permanenten Krabbelei völlig malträtiert und schnell steif. Ich schüttelte sie gerade aus, damit sie wieder anständig durchblutet werden konnten, als ein Wimmern mich aufschreckte und zusammenzucken ließ.

      »Ist … ist da wer?«, brachte ich schließlich mit kratzender Stimme hervor.

      »Paul? Paul, bist Du das?«

      »Gertrud? Mein Gott, Gertrud …«, stammelte ich und ging in die Richtung, aus der ihre Stimme erklungen war.

      Ich stieß mir in der Hast den Kopf an der niedrigen Decke, aber schließlich ertasteten meine Hände warme, menschliche Haut.

      »Gertrud … du … du bist nackt?!«

      »Paul, oh lieber guter Paul, du bist es wirklich …«, schluchzte sie in der Finsternis. Wir nahmen uns gegenseitig in die Arme, umklammerten uns zitternd und so fest, als ob wir uns nie mehr loslassen wollten.

      »Du Verrückter, warum bist Du nur gekommen?«

      »Das weißt Du doch …«

      »Wir müssen hier raus … schnell!« So taumelten wir Hand in Hand durch die Stollen in einem Meer aus tintiger Schwärze, währenddessen Gertrud mit brüchiger Stimme erzählte.

      »Ich bin wohl auf dieselbe Weise hier gelandet wie Du, Paul. Nur hatte ich in meiner Ausrüstung eine Fackel, Streichhölzer und einen Kompass, mit dem ich mich orientieren konnte. Trotz des Kompasses benötigte ich Stunden, bis ich diesem Labyrinth entkam. Ich stieß auf eine tempelartige Halle, die von seltsamen Gewächsen, die an den Mauern wuchsen, beleuchtet wurde. Dabei hatte ich stets dieses scheußliche Geräusch im Kopf, das einem das Hirn aus den Ohren drücken will … Du wirst es sicher auch jetzt spüren …«

      »Oh ja.«

      »Jedenfalls fand ich Professor Gottschaid und seine Studenten dort vor. Nur waren sie nicht mehr … menschlich.«

      »Was meinst Du damit? Nicht mehr menschlich?«

      »Sie waren allesamt nackt, nur ihre Köpfe wurden von Kapuzen verhüllt. Sie stanken fürchterlich nach ihren Exkrementen und getrocknetem Schweiß. Ich konnte mir nicht vorstellen, wovon sie sich hier unten ernährten, aber sie waren so stark, dass sie mich überwältigten. Und ihre Genitalien …«

      »Was war damit, Gertrud?«

      »Sie waren … etwas hatte sie verändert. Auf abstoßende, grauenhafte Weise … Und ich wurde von ihnen zu dem geführt, der diese Veränderung herbeigeführt hatte. Und dieses Wesen … dieses Ding war nicht von unserer Welt. Woher ich dies weiß? Nun, niemand sprach zu mir, alles geschah mit einem fürchterlichen Schweigen, aber etwas fraß sich in meine Gedanken und dann fluteten Bilder in meinen Geist. Bilder von einer anderen Welt. Düster, karg, öde. Eine Welt ohne den Reichtum an Pflanzen, ohne Meere, ohne Schönheit. Und dieses Wesen, das von diesem trostlosen Felsen von einer Welt stammte, spürte einen Ruf … einen Ruf, den der Professor hier in jenem unterirdischen Tempel ausgelöst hatte.«

      »Ein Tempel? Hier unten befindet sich ein Tempel?«

      »Na, ich würde diese Stätte mal so bezeichnen. Es ist eine Art weitläufige Halle, eingerahmt von steinernen Mauern, auf denen Symbole und Szenen eingemeißelt sind, die einen beim Anblick schwindeln lassen … jedenfalls erging es mir so. In der Mitte dieser Halle befindet sich ein zylinderförmiges Objekt von einfacher Struktur. Feine Linien sind auf die Oberfläche eingeprägt, elegant, aber auch von fremdartiger Schönheit. Und hoch oben auf diesem Zylinder thronte es, dieses Wesen aus den kalten Tiefen des Kosmos. Meine Augen schmerzten bei seinem Anblick, so verwirrend und fremdartig ist diese Anatomie. Der Kopf dieser Kreatur ist monströs. Er ist so groß, dass der Rest des Körpers nahezu verkrüppelt wirkt. Auf diesem Kopf erblühen ein Dutzend Augen, wenn ich diese glanzlosen schwarzen Tümpel als Augen bezeichnen darf. Die Augen … sie starren dich so intensiv an und fressen sich in deine Gedanken. Krallen sich fest, nisten sich ein … Und dann langte das Wesen nach mir …«

      Getrud berichtete mit brüchiger Stimme, wie sie von der Kreatur missbraucht wurde. Ich möchte nicht all diese widerlichen Szenen beschreiben, die mir Gertrud schilderte, sondern bekräftigen, wie sehr ich ihren Charakter bewunderte, den der exzessive Missbrauch dieses Monstrums nicht zerstören konnte. Natürlich hatten diese Taten seelische Wunden gerissen, aber Getrud hatte all dies ohne geistige Verkrüppelungen überstanden, und der bittere Hass, der zwischen ihren Worten sprühte, ließ erkennen, dass sie zwar verwundet, aber keinesfalls gebrochen war.

      »Während dieses Ding auf mir lag, konnte ich erkennen, wie er auf unsere Welt gekommen war. Diese Bilder schoben sich mit rasiermesserscharfen Kanten in meinen Geist. Er ritt auf diesem Zylinder durch die Eiseskälte des Weltraums, seine Gestalt ein flirrender Streifen, überquellend von der Vorfreude auf jene Neue Welt. Die Luftleere und die Kälte des Alls konnten ihm nichts anhaben, seine schrundige Haut ein Panzer und das wimmelnde Gewürm darunter ein steter Quell der Nahrung …«

      Ich starrte Gertrud konsterniert an, meine Augen zweifelnd geweitet.

      »Und als er den Professor und sein Gefolge unterwarf, wandelte er sie nach seinem Abbild. Dies konnte ich erkennen, als sich der Professor und die anderen sich über mich hermachten. Nicht nur ihr Geschlecht hatte das Monstrum verändert, nein. Ich konnte diese lächerliche Kapuze, die das Gesicht meines Peinigers verhüllte, von seinem Kopf zerren, und dann starrte ich auf etwas, das nur noch entfernt menschliche Züge beherbergte. Das ganze Gesicht war nur noch