Название | Monster, Monster überall |
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Автор произведения | Jürgen Höreth |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783969879269 |
»Meine Bekannte war auf der Suche nach einem Professor und seinen Studenten, die den aufgeschlagenen Meteor hier in der Nähe untersuchen wollten …«
»Kann schon sein. Sie hat zweimal hier genächtigt und ist dann mir nix dir nix verschwunden. Wohin das Weibsbild verschwunden ist, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber ich schätze mal, sie ist hurtig dem Schulmeister und seinen Gören hinterher …«
»Dem Professor …«
»Hm ja, genau dem … pff … Professor …«
»Und wer hat sie zu der Absturzstelle des Meteors geführt?«
»Was weiß denn ich? Bin doch nicht das Tratschweib vom Dienst«, nölte der feiste Wirt, wandte sich ab und ging an den Tisch zu den Kartenspielern.
Ich schlich an meinen Platz und starrte der Suppe einige Zeit beim Erkalten zu. Ich wollte gerade wieder auf meine Stube gehen, als sich ein Mann von einem der anderen Plätze erhob und sich unaufgefordert an den Tisch setzte.
Der Kerl hatte ein Triefauge und ein vorspringendes Kinn mit ein paar langen Barthaaren, die wie Spinnenbeine anmuteten.
»Hab gehört, sie wollen in den Wald, zu dem Steinklumpen, der aus dem Weltall gekommen ist?«
»Nun ja, wenn Sie es so ausdrücken wollen, dann stimmt das schon …«
»Ich könnte Sie führen. Für ein angemessenes Salär versteht sich.«
»Daran soll es nicht scheitern … Herr … wie war noch Ihr Name?«
»Munck. Johann Munck.«
Munck verlangte eine völlig überzogene Summe für seine künftige Wanderführertätigkeit.
Ich handelte mit ihm ein wenig herum, jedoch bin ich nicht die geborene Krämerseele, und so einigten wir uns auf einen immer noch unverschämten Preis. Da mir vor geraumer Zeit eine kleine Erbschaft hinterlassen wurde, konnte ich mir solche Extravaganzen ohne großes Zögern leisten. Wir gaben uns die Hand drauf und dann verabredeten wir uns zu einem Termin in der Frühe.
Die Nacht verbrachte ich in unruhigem Schlaf. Ich vermeinte immer wieder ein kratzendes Tappen kleiner Pfoten auf dem Stubenboden zu vernehmen. Bilder von zottligen Ratten und ähnlichem Getier schlich sich in meine Gedanken, aber als ich ab und an die Petroleumlampe entzündete, konnte ich nichts auf dem Fußboden entdecken.
Später in der Nacht bemächtigte sich eine Art auf- und abschwellendes Brummen meiner Ohren. Es hinderte mich an einem durchgehenden Schlaf und wurde schließlich so unangenehm, dass ich aufstand, das Fenster öffnete und in die Nacht hinaus spähte, ob ich denn dort die Ursache für dieses seltsame Geräusch finden könne. Aber ich konnte nichts entdecken, außer dem Mond, der eine rötliche Färbung angenommen hatte.
Bis zum Morgengrauen tappte ich immer wieder im Zimmer umher und inspizierte die kleinen Schränke und den Boden unter dem Bett, wobei ich keinerlei Nager oder großwüchsige Kakerlaken vorzufinden wusste.
Schließlich ließ mich die Müdigkeit dennoch niedersinken, und ich fand etwas Schlaf. Ich hatte einen wüsten erotischen Traum, der von Gertrud, mir und anderen bleichen, geschwollenen Körpern handelte, was mir eine schmerzende Erektion einbrachte.
Beim Erwachen hatte ich mit eben jener Erektion zu kämpfen, wobei auch noch das eigentümliche Brummen in meinen Ohren zugenommen hatte. Ich schüttelte ein paar Mal heftig den Schädel und schluckte kräftig, aber das Brummen wollte nicht weichen.
Nach einem kargen Frühstück traf ich mich mit Munck vor dem Gasthof.
Er war genauso kurzangebunden und maulfaul wie am Vorabend.
Auf seinem Rücken befand sich ein zerschlissener Rucksack und in seiner Hand ein knotiger Wanderstock.
Graue Wolken und Nieselregen hatten sich der Stadt bemächtigt und ließen mein Gemüt noch mehr sinken.
»Was haben Sie denn da alles im Rucksack drin? Ist es denn so weit zu der Absturzstelle des Meteoriten?«, fragte ich Munck.
»Ein paar Stunden sind wir schon unterwegs, und ich habe immer gerne einen Happen zwischendurch zum Futtern dabei.«
»Sagen Sie mal, hören Sie auch so ein unterschwelliges Brummen? Ich hab das dauernd in den Ohren.«
Munck zuckte mit den Schultern, als wäre dieses Thema keiner Rede wert.
Mit dem Pferdefuhrwerk eines Bauern fuhren wir aus der Stadt hinaus. Automobile sah man in Aaroch nicht, als hätte die industrielle Mobilisierung sich vorerst noch einmal an der Stadt vorbei schlängeln können. Zu dieser frühen Stunde waren nur wenig Menschen auf den Straßen, und die paar, die wir zu Gesicht bekamen, glotzten missmutig drein und schlurften träge ihren Destinationen entgegen.
Als wir die Stadt hinter uns gelassen hatten, fuhr uns der Bauer noch auf einem Feldweg zum Rand des Waldes. Die gewaltige Wand aus Nadelbäumen türmte sich bedrohlich vor mir auf.
Als wir in diesen Moloch aus Blattwerk und Tannennadeln schlüpften, entschwand das fahle Licht des frühen Morgens, und das Halbdunkel des Waldes umschloss uns.
Die mannsdicken Baumstämme der Fichten und Tannen standen dicht an dicht, spinnwebenartige Farne und klebrige Ranken bedeckten den moosigen Boden, die mich stolpern ließen. Ich hatte keine Wanderstiefel wie Munck an den Füssen, sondern meine eleganten Straßenschuhe, deren glatte Sohlen auf dem glitschigen Untergrund rutschten. Auch mein Wolljackett war kein geeignetes Kleidungsstück für ein derartiges Unterfangen, das wie mir schien, augenblicklich in eine anstrengende Expedition ausartete.
Krächzen und Gluckern von Tieren schallte hohl durch die Baumkorridore und gaben dem Ganzen noch einen zusätzlichen Anstrich des Unheimlichen.
»Ich kann keinen Pfad in diesem Monstrum von Wald ausmachen. Wie können Sie sich hier drin nur zurechtfinden?«, sprach ich Munck an, der unbeirrbar losmarschierte, als ob er von einer unsichtbaren Leine ans Ziel gezogen würde.
»Keine Sorge, Meister. Ich kenne mich hier bestens aus. Schon als kleiner Hosenmatz habe ich diese Wälder durchstreift …«
Wir kämpften uns den ganzen Vormittag durch verfilztes Gestrüpp.
Nadelbaumzweige peitschten in mein Gesicht und Kletterpflanzen blieben an meiner Kleidung hängen. Das Brummen in den Ohren verließ mich dabei zu keiner Zeit, nein je weiter wir in das Herz des Waldes vorstießen, desto anschwellender wurde es.
Schließlich gelangten wir in einen Bereich des Waldes, in dem Laub und Astnadeln eine eigentümlich kränkliche Färbung angenommen hatten. Statt des satten, dunkelgrünen vorherrschenden Farbtons dominierte hier eine bleiche, ins Gelbliche hineinreichende Verfärbung, die dem Wald einen helleren, aber nicht unbedingt freundlicheren Charakter verlieh.
Selbst der Untergrund wurde trockener, geradezu brüchig. Jeder Schritt erzeugte ein hohles Knirschen. Schließlich kletterten wir auf eine Anhöhe. Der Boden hatte hier die Farbe bleicher Knochen. Und als wir auf dem höchsten Punkt des Hügels angekommen waren, brach der Boden unter unseren Füßen weg.
Wir stürzten in eine Art Schacht. Der Sturz dauerte ein paar Sekunden und ich schätze, dass wir wohl gute 5 Meter in die Tiefe fielen, bis wir hart aufschlugen.
Finsternis und ein scheußlicher, beinah ranzig zu nennender Geruch umgab uns, wobei mir selbst das Atmen schwerfiel. Etwas lief mir warm die Stirn hinab. Blut. Ich hatte mir den Kopf aufgeschrammt.
»Sind … sind sie verletzt, Herr Munck?«, keuchte ich zwischen meinen trockenen Lippen hervor.
»Mein Bein schmerzt extrem. Ich hoffe, es ist nicht gebrochen …«
»Es ist so dunkel, ich kann die Hand vor Augen nicht sehen …«
»Da geht es mir nicht besser als Ihnen.«