Monster, Monster überall. Jürgen Höreth

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Название Monster, Monster überall
Автор произведения Jürgen Höreth
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783969879269



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bei Emrah vorbeizuschauen.

      Okay, es war manchmal etwas riskant, mit Emrah auf die Piste zu gehen … mein Kumpel war oft sehr leicht reizbar, und dann gerieten wir schnurstracks in irgendwelche Schwierigkeiten.

      Aber wenn dies in Schlägereien ausartete, trugen meistens die Anderen die blutigen Nasen davon. Viele Schlägertypen unterschätzten Emrah beim ersten Aufeinandertreffen. Dieses etwas hagere Kerlchen sah nicht unbedingt gefährlich aus, aber schon sein eiskalter Blick ließ ahnen, dass mit ihm nicht zu spaßen war. Emrah war durchtrainiert bis in die Zehenspitzen. Er hielt sich mit Parcours und Freeclimbing fit, konnte Kickboxen und Karate.

      Er war stur, unschwer zu beleidigen, und hatte eine leicht aggressive Ader. Aber er war auch unglaublich loyal und hatte einen unbeirrbaren persönlichen Gerechtigkeitssinn.

      Wie ich schmerzlos geworden bin? Na ja, es hatte wohl mit meiner genetischen Struktur und einer Impfung, zu tun, die schief gelaufen war. Fragen Sie mich nicht nach den wissenschaftlichen Einzelheiten. Ein Haufen Ärzte hatten mir tausend Fachbegriffe um die Ohren gehauen, und nach zehn Minuten hatte ich das Ganze wieder vergessen. Jedenfalls konnte ich seit dieser harmlosen Impfung keinerlei Schmerzen mehr spüren. Zumindest keine körperlichen – gegen den altbekannten Herzschmerz war ich nicht immun. Und da hatte ich reichlich Erfahrung zu bieten. Ich hatte das zweifelhafte Talent, aus dem reichhaltigen Pool der Damenwelt immer wieder jene Exemplare herauszupicken, die es meisterhaft verstanden mein Herz in den Reißwolf zu stopfen.

      An jenem Nachmittag, als ich Emrahs Bude aufsuchte, hatte kurz vorher Jennifer mit mir Schluss gemacht. Jennifer war genau die Marke ›Eiskaltes Miststück‹, auf die ich so unwiderstehlich flog.

      »Kalle, ich weiß nicht wie wir beide nur zusammengekommen sind. Du hast null Antrieb. NULL! Ich habe Ambitionen, verstehst Du? Verstehst Du das, hm?«, ich starrte sie ausdruckslos an. »Nein? Hab ich mir schon gedacht. Herrgott, wie kann man nur so antriebslos sein? Nee, also wirklich … wir müssen das jetzt und hier beenden – verstehst Du?«

      Nee, ich verstand nichts – wirklich nicht, vor allem weil sie mir am Vortag noch mächtig Honig um den Bart geschmiert hatte, damit ich ihr sündhaft teure italienische Schuhe kaufte …

      Ich hob einen Finger und wollte zu einer schwungvollen Erwiderung ansetzen, aber Jennifer brabbelte weiter im Stakkato auf mich ein und schob mich aus unserem Apartment hinaus.

      Dabei schaffte sie es gleichzeitig zwei gepackte Koffer aus dem Wandschrank neben der Garderobe zu hangeln und sie mir unter die Arme zu klemmen – ich schätze, dies war eine geheime Superkraft von ihr – dennoch war ich schwer verblüfft und brachte kein weiteres Wort heraus, bis die Tür vor meiner Nase zuknallte.

      »Ich … ich … ich liebe dich auch nicht«, kam es kläglich aus mir heraus.

      »Wirklich«, schob ich als emotionales Ausrufezeichen hinterher.

      Kalle, statt dieser nutzlosen Schmerzunempfindlichkeit hättest du mal besser eine ›Verliebtheitsunempfänglichkeit‹ ergattern sollen. Wenn diese Schlampen dich abservieren, heulst du ihnen auch noch monatelang hinterher und flehst sie an, dich wieder zurückzunehmen. Verdammt sei doch einfach mal ein Kerl und lach diesen Tanten ins Gesicht … war ein wiederkehrender Leitspruch von Emrah.

      Aber das bekam ich nicht hin.

      Der Russe, der mich bearbeitet hatte, legte eine Pause ein, wischte sich den Schweiß ab.

      »Freindchen, jetzt langt äs mirr. Sag schon wo där dräckige Türke ist, sonst …«

      »Also … nö, wirklich nicht. Geht nicht. Absolut nicht. Selbst wenn ichs wüsste – nö!«

      Ein anderer Typ kam in den Keller. Es war der Bursche, der mich zusammen mit dem unbegabten Folterknecht in Emrahs Wohnung erwartet hatte. Mit seinem nach unten hängenden Schnauzbart und den schläfrigen Augen sah er eher wie ein etwas langsam agierendes Onkelchen aus. Aber das täuschte. Er keifte den Folterknecht auf Russisch an. Es klang, als würde er seinen Kollegen verfluchen, aber vielleicht unterhielten sie sich auch nur über die morgendliche Konsistenz ihres Stuhlgangs …

      Dann ging die Kellertür noch einmal auf und eine groß gewachsene rothaarige Frau gesellte sich zu meinen beiden Entführern.

      Bei ihrem Anblick blieb mir erst einmal die Spucke weg. Grüne Augen, von einer derart hellen Farbe, dass die Augäpfel von innen her zu leuchten schienen. Das halblang geschnittene Haar glänzte in einem prächtigen Kupferton. Lange Beine und ein schmaler Oberkörper, der eine elegante Spannung hatte. Kleine, spitz zulaufende Brüste, die vorwitzig, ihr schwarzes T-Shirt anhoben.

      Als ich so dahin geschmolzen war, fing die rothaarige Sexbombe an, auf Russisch zu schwadronieren, erst verpasste sie meinem Folterknecht eine Dusche, dann bekam noch Onkelchen Schnauzbart sein Fett weg. Sie redete sich so in Rage, dass sie zum krönenden Abschluss ihrer Tirade dem schwitzenden Folterknecht eine saftige Backpfeife verpasste.

      Dann wandte sie sich von den zwei bedröppelten Schlägertypen ab und kam zu mir.

      »Hey Kleinär, waruum maachst du äs uuns so schwär, hm? Iiech sag Dir mal waas, Kleinär. Iiech bin niecht so saanft wie Igor. Wenn iiech losläge, dann tuts riechtig wäh …«

      »Ich will euch ja nicht in dunkle Verzweiflung treiben, Leute, aber es ist nur fair, wenn ich erwähne, dass ich keinerlei Schmerzen verspüre. Echt. Ist was Genetisches mit ’nem Schuss Dummdödelei beim Impfen. Also, ich kann dem Kollegen da hinten nur den höchsten Respekt für seine Bemühungen zollen, aber eigentlich war’s für die Katz.«

      Eine Fragefalte schlängelte sich über die perfekte Stirn der russischen Zuchtmeisterin, dann feuerte sie wieder eine Salve brachialrussisch in Richtung ihrer zwei Untergebenen ab. Daraufhin unterhielten sich die drei in der gewohnten Tonlage, und schließlich schienen sie übereinzukommen, ihre Beratung ins Obergeschoss zu verlegen. Sie tigerten nach oben, nicht ohne mir aus jedem Augenpaar einen verachtungsvollen Blick zuzuwerfen.

      Was hatte Emrah sich da nur eingebrockt?

      Ohne Zweifel hatte er schon eine Menge Scheiße in seinem Leben angestellt.

      Einmal hatte er einen Nazisack, der es sich zu seinem Hobby gemacht hatte, jeden Nachmittag seine Freundin und deren kleinen Jungen zu vertrimmen, aus dem 3. Stock geschmissen. An diesem Tag waren wir zufällig in besagtem Mietshaus zugegen, wir besuchten eine ehemalige Verflossene von mir, die es bei ihrem überstürzten Abschied von mir sich nicht verkneifen konnte, meine Stereoanlage mitgehen zu lassen. Die Schreie der Frau und des Kindes hallten durch das ganze Haus. Es war furchtbar. Und keiner der Bewohner rührte sich. Emrah stand umgehend auf und ging den Schreien nach, mich in seinem Schlepptau. Vor der Tür verzichtete er auf das Klingeln oder Klopfen, und trat stattdessen die Tür ein. Das glatzköpfige Arschloch guckte ziemlich blöd aus der Wäsche, als plötzlich Emrah vor ihm stand. Der Sack hatte ein Kreuz wie ein Buckelwal und die Muskeln an seinen Armen waren so prall, dass sie kurz vor der Explosion standen. Aber auf so was gab Emrah nix.

      Bevor der Kerl noch groß ›Was soll die Scheiße?‹ hervor grunzen konnte, trat ihm Emrah auch schon seitlich gegen sein rechtes Knie.

      Das Arschloch brüllte vor Schmerz. Diesen Krach stellte mein Kumpel aber schnell ab, indem er ihm einen Handkantenschlag auf den Kehlkopf verpasste.

      Der Muskelmann japste noch nach Luft, als Emrah in aller Seelenruhe vorsichtig die schönen Altbaufenster öffnete. Dann schnappte er sich den immer noch verkrümmt daliegenden Scheißkerl und warf ihn mit einem eleganten Schwung aus dem Fenster. Ohne Umschweife raste Emrah nach unten in den Hof.

      Dort erwartete uns das Arschloch. Er ächzte wie ein schlecht geöltes Getriebe, Blut rann ihm aus der Nase, dem Mund und den aufgeschlagenen Beinen.

      »Aaah