Skotom. Moira Dawkins

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Название Skotom
Автор произведения Moira Dawkins
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991072478



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später erzählten mir meine Schwestern, dass ich in der ersten Zeit bei meinen Pflegeeltern immer eine Toilette in meiner Nähe wissen musste, da ich immer sofort aufs Klo musste, egal wo wir waren (ich weiß das noch, lüge aber und bestreite es, weil es mir sehr peinlich ist). Das ist inzwischen nicht mehr so … zum Glück.

      Erinnerung 5:

      Diese Erinnerung liegt mir sehr am Herzen, da sie die einzige ist, von der ich glaube, dass sie meinen Opa beinhaltet. Ich kann mich weder an ein Gesicht noch an weitere Begebenheiten erinnern. Ich weiß auch leider nicht, ob ich damals überhaupt einen Opa hatte.

      Ich bin wieder in meinem Geburtsort und stehe in der Tür zwischen Küche und Hausgang. Ein älterer Mann, zu dem ich bewundernd aufschaue und zu dem ich offensichtlich eine enge Bindung habe, reicht mir einen Kaugummi. Das war es leider schon. Doch das Gefühl, das ich dabei hatte, sagt mir, dass dort jemand gewesen sein muss, den ich wirklich geliebt habe.

      Meine Therapeutin nahm die Liste dankbar entgegen und wir fingen mit den Vorbereitungen an.

      22 Multiple Persönlichkeitsstörung.

      Als Nächstes übergab mir meine Therapeutin eine Trauma-Landkarte. Auf diesem Diagramm sollte ich die Erinnerungen einzeichnen, wobei die y-Achse die Belastung und die x-Achse das Lebensalter darstellte. Wie ich bereits erwähnte, empfinde ich beim Zurückdenken an früher absolut nichts. Dies bemerkte meine Therapeutin ebenfalls, als sie mir die Karte übergab, da ich ihr dies auch kurz vorher erläutert hatte. Doch bei der nachfolgenden Besprechung musste auch meine Therapeutin feststellen, dass mich keine der beschriebenen Erinnerungen belastete. In dem Diagramm hatte ich jede einzelne dem Wert 0 zugeordnet.

      23 Meine Therapeutin begründet diesen Umstand immer mit der Tatsache, dass Tiere einen nun mal nicht verurteilen.

      Der nächste Punkt auf der Liste war besonders wichtig für die Vorbereitung und die Durchführung der EMDR-Sitzungen. Sollte während dieser etwas Belastendes aufkommen, war es zwingend notwendig, mich sofort an einen schönen Ort versetzen zu können, an dem ich mich wohlfühlte. Damit dieser Vorgang rasch und ohne Anstrengung vonstattengehen konnte, musste der Wechsel an diesen „Wohlfühl-Ort“ trainiert und automatisiert werden. Bei der Wahl dieses Ortes musste ich zum Glück nicht lange überlegen. Er befand sich sogar unter den Beispielen meiner Therapeutin: mein Zimmer. Ich fühlte mich dort am wohlsten und sehnte es in unliebsamen Momenten herbei. Dabei sah ich immer folgendes Bild vor mir: Ich sitze, in eine Decke gehüllt, auf dem Sessel. Vor mir läuft der Fernseher (vorzugsweise läuft eine meiner DVDs) und neben mir steht eine Kanne Tee. Der Rollladen ist ganz unten, die Tür zu, es ist angenehm warm und die Deckenlampe spendet warmes Licht. Sollte ich mich also künftig in einer angespannten Situation wissen, wäre das der richtige Moment, um den Rückzug an meinen beschriebenen Wohlfühl-Ort zu trainieren. Dabei konnte ich mich als symbolische Hilfe selbst umarmen (Schmetterlingsgriff) oder, sollte ich nicht allein sein, eine Bewegung mit den Fingern einstudieren. Doch auch die entspannten Momente sollte ich zum Üben nutzen, damit der Rückzug so gut und schnell wie möglich in der entscheidenden Situation erfolgen konnte. Ich muss zugeben, dass ich gerade das Üben der „Selbstberuhigung“ ordentlich schleifen ließ, da ich mir dabei enorm lächerlich vorkam.

      Das Üben wurde mir zusätzlich erheblich erschwert, da ich zu diesem Zeitpunkt mitten im Umzug steckte. Der oben beschriebene Wohlfühl-Ort entsprach inzwischen meiner neuen Wohnung. Hin und wieder hatte ich ein paar Details geändert, wobei mein Lieblingsplatz wohl der zu Hause bei meinen Pflegeeltern blieb. Zwar hatte ich dort nicht meine Bilder und DVDs um mich herum, aber der Rest stimmte fast. Schlussendlich war es mir am wichtigsten, dass ich meine Sachen um mich herum hatte, dass es schön warm war und ich mich sicher fühlte.

      24 Ich sollte die „Tresor-Übung“ durchführen, bei der das störende Bild eingefroren und kontrolliert in einen imaginären Tresor geschlossen wird.

      Hierbei kam mir mein Zeichentalent sehr gelegen, doch das Ergebnis ähnelte einer flachen, mit Rillen versehenen Perle. Ich weiß nicht mal, ob es überhaupt eine Perle sein sollte, doch das war das Erste, an das ich beim Zeichnen dachte. Auch meine Therapeutin konnte mit diesem Bild nichts anfangen, fragte mich aber, wo und wann ich mit solchen Perlen in Berührung gekommen war. Das Einzige, was ich ihr sagen konnte, war, dass ich durch meine Leidenschaft für Armbänder und Ketten auch eine Zeit lang Ketten aus Holzperlen um meinen Hals getragen hatte. Dass hier ein Zusammenhang bestand, ist wohl eher unwahrscheinlich, denn diese Holzperlen hatten kein Muster.

      Nur kurze Zeit später trat das Flackern erneut auf. Doch diesmal war etwas anders. Wieder zuckten meine Augen unkontrollierbar, auch wenn ich dies erst viel später bewusst wahrnahm. Auch das Bild behielt seine Größe und Position. Allerdings schob sich eine Art verzerrter Rahmen über die Szene.

      Ich konnte die Szene zwar willkürlich verändern, der Rahmen jedoch blieb an Ort und Stelle. Mit dem Flackern der Augen verschwand schlussendlich auch der Rahmen. Auch hier stieg ich noch einmal aus dem Bett, um diesen seltsamen Rahmen zeichnen zu können.

      Auch